Es soll eine schöne, aber auch sehr traurige Feier werden, zu der sich Azim (Mohsen Tanabandeh) mit seiner Frau und dem Rest seiner Familie aufmacht. Seine ganze Familie hat sich versammelt zu einem Fest, um seinen Bruder Faroogh (Mojtaba Pirzadeh), seine Frau und seine Söhne zu verabschieden, die sich auf den langen Weg nach Deutschland machen und dort ein neues Leben beginnen wollen. Bereits seit Tagen ist die Überfahrt organisiert, die Schlepper bezahlt und Azim bleibt nichts anderes übrig, als seinem Bruder alles Gute zu wünschen. Doch dieser hat eine traurige Nachricht für ihn: Entgegen der Vereinbarung wird Rona (Fatemeh Hosseini) nicht mit ihnen kommen, da sie zu alt ist und alleine die Reise nach Europa für sie eine schier unüberwindbare Hürde darstellen würde. Wütend und gekränkt wirft Azim Faroogh vor, er würde seine eigene Mutter verstoßen und nimmt sie kurzerhand bei sich auf. So kurz vor deren Abreise entzweit der Streit der Brüder die beiden Familien, was Rona sehr traurig und krank macht. Ihre gesundheitliche Lage verschlimmert sich dabei so sehr, dass auch Azim, wie bereits vorher sein Bruder, eine schwierige Entscheidung treffen muss, welche das Schicksal der Familie definieren könnte.
Gesetze der Familie, Gesetze der Kultur
Während wir in Deutschland gerade in den Medien eher das Ergebnis der Flüchtlingsströme, wie die aus dem Jahre 2015, erleben, erforscht der afghanische Filmemacher Jamshid Mahmoudi den Ursprung, der immer in der Familie der Menschen aus seinem Land, aus Äthiopien, dem Iran oder Syrien begründet liegt und damit am Anfang des Entschlusses steht, die Heimat zu verlassen. Für Mahmoudi sowie seinen Bruder Navid, der Rona, Azim’s Mother produziert hat, sind diese nicht bloße Erzählungen, sondern Teile der eigenen Biografie, mussten die Mahmoudis doch auch ihre Heimat Afghanistan verlassen und in den Iran auswandern.
Diese Nähe zum Thema liegt konsequenterweise in der Anlage des Films, im Skript Jamshid Mahmoudis begründet. Politik, Wirtschaft, Religion oder Krieg spielen eine eher untergeordnete Rolle innerhalb seines Narrativs, was stattdessen auf den Kern der Familie fokussiert und damit einen universell verständlichen Ansatz erzielt. Themen wie Loyalität oder Treue innerhalb dieser Familieneinheit zu verankern, macht die Dilemmata Farooghs und Azims verständlich und nachvollziehbar.
Innerhalb des teils zum Melodram neigenden Filmes gibt es keine Schwarz-Weiß-Zeichnungen, trotz der schwerwiegenden Entscheidungen und Konflikte, die ausgetragen werden. Mohsen Tanabandeh und Mojtaba Pirzadeh spielen glaubhaft Männer, die durch die Not der Umstände zu Entschlüssen genötigt werden, die das Beste wollen, aber immer wieder auf Unverständnis in ihrer Familie oder bei ihrem Bruder stoßen. Beide sind hin- und hergerissen zwischen ihrer Verantwortung für die Familie, der Tradition und ihrer Rolle als Söhne Ronas, deren Schweigen zu der Situation vielleicht noch am eloquentesten wiedergibt, was sie in dieser Lage fühlt.
Die Bühne der Familie
Passend zu diesem narrativen Ansatz haben sich Mahmoudi und Kameramann Koohyar Kalari für einen charakterzentrierten Inszenierungsstil entschieden. Ähnlich den Familiendramen eines Yasujiro Ozu (Die Reise nach Tokio) oder Asghar Farhadi (Nader und Simin – Eine Trennung) spielt sich ein Großteil der Handlung in Innenräumen ab, was nicht nur die jeweilige Atmosphäre einer Szene betont, sondern zudem Einblick in die Innenwelt einzelner Charaktere gibt. Gerade für einen Charakter wie Azim spielt die Teilung von Familie, Arbeit und Freizeit eine gewichtige Rolle, vor allem, wenn die Konflikte, die er durchlebt, ihre Folgen in allen drei Räumen zeigen.
(Anzeige)