Süßer Vogel Jugend Sweet Bird of Youth
© Studio Hamburg

Süßer Vogel Jugend (1989)

Süßer Vogel Jugend Sweet Bird of Youth
„Süßer Vogel Jugend“ // Deutschland-Start: 22. November 2019 (DVD)

Nach Jahren der Abwesenheit kehrt Chance Wayne (Mark Harmon) in seine Heimatstadt St.Cloud zurück, an die ihn viele Erinnerungen binden. Seine Begleitung ist die alternde Hollywooddiva Alexandra del Lago (Elizabeth Talyor), von deren noch verbleibenden Verbindungen zur Traumfabrik sich Wayne einen Vertrag als Schauspieler erhofft. Indem er sich in einem Hotel in St. Cloud einquartiert, hofft er außerdem mit seiner alten Liebe Heavenly Finley (Cheryl Paris) wieder da anknüpfen zu können, wo sie sich vor so vielen Jahren hatten trennen müssen, als er sich aufmachte nach Los Angeles, um dort sein Glück zu versuchen. Jedoch durchschaut del Lago schon recht bald das Spiel, das Chance mit ihr treibt und fängt gleichsam an, ihn zu erpressen: Wenn er schon einen Vertrag für sich haben will, so soll er sie wenigstens für den Rest der gemeinsamen Zeit unterhalten, vor allem sexuell. Als Chance dann auch noch Heavenly wiederbegegnet, muss er feststellen, dass sie sich sehr verändert hat und er sie damals sehr verletzt hat. So sehr, dass vor allem ihr Bruder nichts anderes möchte, als Chance aus der Stadt zu jagen, notfalls mit Gewalt.

Schlachtfeld des Lebens
Mit Süßer Vogel Jugend drehte der britische Regisseur und Kameramann Nicolas Roeg (Wenn die Gondeln Trauer tragen) einen seiner wenigen TV-Filme. Neben der Aussicht, ein Stück des bekannten US-amerikanischen Bühnenautors Tennessee Williams (Katze auf dem heißen Blechdach, Endstation Sehnsucht) zu verfilmen, dürfte auch die ausschlaggebend gewesen sein, mit einer Leinwandlegende wie Elizabeth Taylor arbeiten zu dürfen, die bereits das vierte Mal in einer Adaption eines der Stücke des Autors zu sehen ist.

Auch wenn sich Roegs Adaption (und damit auch Gavin Lamberts Skript) viele Freiheiten erlaubt, entdeckt man doch viele Themen Williams’ in den Bildern des Films wieder. Neben der Darstellung der alten USA, insbesondere des verlorenen Glanzes des Südens, ist es vor allem das Bild von gebrochener Männlichkeit, welches eines der wichtigsten Themen innerhalb von Williams’ literarischem Schaffen darstellt. In diesem Falle spielt Mark Harmon Chance Wayne, einer jener vielen gescheiterten Männer, der bereits mit jungen Jahren seinen Lebenstraum scheitern sieht und von einer Verzweiflung getrieben wird, diesen dennoch zu erhalten und sein Leben zu retten. Wie ein Ertrinkender wirkt er in vielen Szenen, ein Träumer, der nach jeder Rettung versucht zu greifen, was bisweilen an Vivien Leighs starken Auftritt in Elia Kazans Verfilmung von Endstation Sehnsucht erinnert.

Auf der anderen Seite spielt Elizabeth Taylor eine Figur, die wie eine bittere Ironie auf die Vergänglichkeit des Ruhms wirkt. Dem Alkohol verfallen treibt sie durchs Leben, möchte unerkannt bleiben und scheut das Licht der Aufmerksamkeit anderer, mit der Ausnahme von Chance, der in ihr eben nicht das Alter, sondern jenen Star von früher sieht.

Das Bild des Südens
Der Traum eines von einem vergangenen Leben, wie ihn Chance hat, ist gleichzeitig jenes idealisierte Bild des amerikanischen Südens. Charaktere wie der von Rip Torn gespielte Lokalpolitiker Finley versuchen jenes Image des Südens, des Reichtums, der Reinheit und der Schönheit für ihre Zwecke zu evozieren, unterstreichen aber nur dessen unwiederbringlichen Verlust. In wenigen Bildern zeigt die Kamera Francis Kennys diesen schleichenden Verfall, diesen Ruin durch den Öl-Boom sowie die omnipräsente Rückständigkeit dieses Südens, dessen Oberschicht innen verrottet und nach wie vor auf Konzepte wie der Rassentrennung besteht.

Jener ferne Glanz wird auch in den vielen Innenaufnahmen betont. Chance und Alexandra scheuen jenes Licht der Wahrheit wie auch das tatsächliche Licht, sodass ihre Szenen stets in einem etwas gedimmten Licht spielen. Schade nur, das all diese gut gemeinten Ansätze dieser Verfilmung durch die stets etwas fade TV-Optik gestört werden.



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"Süßer Vogel Jugend" ist ein gut gespieltes Melodrama basierend auf einem Stück Tennessee Williams’. Auch wenn die TV-Optik bisweilen stört, ist der Film bestimmt durch die vielen packend geschriebenen Dialoge, bei denen sich Roegs Inszenierung klug zurücknimmt und die Betonung auf die Figuren, ihre Konflikte und Sehnsüchte setzt.
6
von 10