Wie jedes Jahr feiern die Studentinnen Jessy (Olivia Hussey), Barbara (Margot Kidder), Phyllis (Andrea Martin) und Clare (Lynne Griffin) mit ihren Freunden Weihnachten in ihrem Wohnheim. Jedoch verschafft sich ein Unbekannter während der Feier Zutritt zu ihrem Heim und verschanzt sich auf dem Dachboden. Als sich eine der Studentinnen auf ihr Zimmer zurückziehen will, wird sie von dem Einbrecher überwältigt, grausam ermordet und ihre Leiche auf dem Dachboden versteckt. Als am Morgen nach der Tat der Vater der Ermordeten auf sie wartet, bittet er die Freundinnen seiner Tochter, ihm bei der Suche zu helfen. Trotz aller Bemühungen bleibt diese erfolglos, doch ihr Vater will nicht aufgeben und wendet sich an die Polizei. Während also die Suche nun auch von Sheriff Fuller (John Saxon) und seinen Männern unterstützt wird, hat sich der Mörder, immer noch auf dem Speicher des Hauses versteckt, bereits sein nächstes Opfer ausgesucht.
Die Zerstörung der Idylle
Wenn man die Aufmerksamkeit und den Erfolg eines Filmes wie John Carpenters Halloween (1978) bedenkt, vergisst man leicht, das Bob Clarks Film Black Christmas (alternativ Jessy – Die Treppe in den Tod), nur wenige Jahre zuvor gedreht, der eigentliche Ursprung des Slasher-Films ist. Viele Versatzstücke formaler oder narrativer Natur finden sich in Carpenters Film wieder, wie beispielsweise die subjektive Kamera aus der Sicht des Killers oder die jugendliche Besetzung. Das Skript von Drehbuchautor A. Roy Moore war inspiriert von einer realen Mordserie, die Ende der 60er Jahre in Kanada stattfand sowie von einer modernen Sage (urban legend) über einen Mörder, der einen jugendlichen Babysitter terrorisiert.
Interessant an der Idee und der Umsetzung ist der starke Kontrast zwischen der scheinbaren Idylle der Weihnachtstage und der blutigen Taten des Mörders. Häufig mithilfe von Parallelmontagen betont Clarks Film diesen Kontrast, wenn beispielsweise im Inneren des Hauses unterm Weihnachtsbaum und bei Punsch über die Pläne für die Ferien erzählt wird, während draußen im Dunklen sich bereits jener Mörder daran macht, über die Außenwände des Hauses ins Innere zu gelangen. In einer späteren Szene wird der blutige Mord an einer Studentin gezeigt im Kontrast zu ihrer Kommilitonin, die dem Gesang der Sternsänger draußen vor der Tür lauscht.
Zudem verwirft Moores Skript und damit Clarks Umsetzung jegliche Psychologisierung des Mörders. Anders als in vielen modernen Slashern oder Neuverfilmungen von Werken wie Halloween weiß man bei Black Christmas wenig über die Identität oder die Beweggründe des Mörders außerhalb seines immensen Hasses auf die moralische Verdorbenheit der Mädchen, die er in mehreren Drohanrufen übel beschimpft und belästigt. Gerade dieses Geheimnis macht ihn zu einer Art omnipräsentem Nemesis, der zu jeder Zeit und an jedem Ort erscheinen kann. Der Täter wird zu einem Schatten, einer Collage aus kurzen Augenblicken – einem hasserfüllt schauenden Auge oder einem Wutschnauben –, die sich vielleicht nicht zu einem Ganzen verbinden lassen, die Bedrohung aber umso direkter und unberechenbarer werden lassen.
Von Sittenwächtern und ihrer Ordnung
Auch in diesem Frühwerk des Slasher ist der Mörder ein radikaler, wutentbrannter Sittenwächter, der die Verletzung moralischer Werte bestraft und nie vergisst. Gerade nach der Auflösung der Hippie-Bewegung der 60er und ihrer Werte wie „free love“ kann man den Mörder auch als jemanden sehen, der den status quo wiederherstellt, eine zynische Personifikation einer Ordnung, die sich vor allem gegen Jugendliche richtet, die gegen die Ordnung der Alten aufbegehren. Nicht umsonst sind die Opfer des Mörders meist Frauen, die sich von den Männern emanzipieren, ihren eigenen Weg gehen oder andere Ideen haben bezüglich Ehe, Zukunft oder Sexualität. Die patriarchale Ordnung reagiert frustriert, empfindlich und aggressiv oder eben mit einer Art Ohnmacht wie im Falle des Vaters des ersten Opfers.
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