Als der argentinische Kardinal Bergoglio (Jonathan Pryce) 2012 zu Papst Benedikt (Anthony Hopkins) reist, dann mit dem Ziel, von seinem Amt zurückzutreten. Zu enttäuscht war er mit dem Stand der katholischen Kirche, als dass er seine Aufgabe weiter fortführen wollte. Zu seiner großen Überraschung versagt ihm das Oberhaupt aber nicht nur den Rücktritt. Vielmehr will sein alter Widersacher aus Deutschland selbst sein Amt niederlegen und ausgerechnet Bergoglio zu seinem Nachfolger ernennen. Dieser wiederum zögert, fühlt sich der großen Aufgabe und Verantwortung nicht gewachsen – auch wegen seiner eigenen Vergangenheit …
Ein bisschen wundern darf man sich schon: Woher kommt auf einmal das große Interesse von Filmemachern an den Päpsten? Erst ließ Wim Wenders in seiner verklärenden Dokumentation Papst Franziskus – Ein Mann seines Wortes den amtierenden Papst aus Argentinien über sich und die Welt plaudern. Danach zeichnete die Doku Verteidiger des Glaubens ein verheerendes Bild von dessen Vorgänger Papst Benedikt, der im Missbrauchsskandal der katholischen Kirche die Scheuklappen aufsetzte. Und dann kommt auch noch der Netflix-Film Die zwei Päpste heraus, der von dem Gipfeltreffen der beiden Männer erzählt. So als hätten die sich alle irgendwie abgesprochen.
Lasst uns Freunde werden!
Dieses Mal wird es jedoch wieder deutlich freundlicher, was niemanden wirklich wundern dürfte. Schließlich stammt das Drehbuch von Anthony McCarten, der zuletzt schon in den Biopics von Winston Churchill (Die dunkelste Stunde) und Freddie Mercury (Bohemian Rhapsody) behutsam die dunkleren Stellen übertüncht hat. Ein wenig schrullig dürfen die Leute bei ihm schon sein. Tatsächliche Abgründe sind aber unerwünscht, man soll sich im Anschluss an seine Filme besser fühlen. Das gilt dann auch für Die zwei Päpste, das von dem Austausch zweier grundverschiedener Männer berichtet und dabei, alle Kontroversen und Konflikte zum Trotz, einen sehr versöhnlichen Ton anschlägt. Motto: Ist doch alles gut!
Ein bisschen befremdlich ist das schon im Kontext des systematischen Kindesmissbrauchs. Angesprochen wird dieser, aber nicht zu sehr. Denn das würde der Absicht des Films entgegenwirken, die unterschiedlichen Seiten anzunähern und Benedikt dabei ein wenig menschlicher zu gestalten. Das kann man nun gut finden oder nicht, als Zeichen der Mitmenschlichkeit werten oder als gefährliche Verharmlosung. Erfolgreich ist die Strategie auf jeden Fall, zumindest wenn es um den Unterhaltungsfaktor geht. Denn Spaß macht Die zwei Päpste, wenn sich zwei Männer gegenüberstehen, trotz ihres Glaubens von Grund auf verschieden, sich austauschen und am Ende ein wenig näherkommen. Das ist immer schön.
Zwei hervorragende Schauspieler
Es ist vor allem dann schön, wenn diese Figuren dabei so hervorragend verkörpert werden. Anthony Hopkins ist als verknöcherter Geistlicher, der von der Außenwelt nichts mitbekommt, ebenso grandios wie der von Jonathan Pryce verkörperte Papst von der Straße, der mit viel Wärme und Herz zur Sache geht und schon mal in der Pizzeria nebenan einkehrt. Das hat dann ein bisschen was von einem Buddy Movie, wo sich zwei gegensätzliche Protagonisten zusammenraufen müssen. Nur dass es hier keine Cops auf gefährlicher Mission sind, sondern zwei alte Männer, die sich rund zwei Stunden lang nur unterhalten, dann und wann auch mal ein paar Schritte gehen. Das kann schnell langweilig werden, die messerscharfen Dialoge von McCarten verfehlen jedoch ihr Ziel nicht, Längen gibt es in dem Film nur wenige.
Die Schwachpunkte sind sogar eher die Szenen, wenn doch mal ein bisschen was geschieht. Immer wieder wechselt Regisseur Fernando Meirelles (360 – Jede Begegnung hat Folgen) in den Flashback-Modus, um aus den jungen Jahren des neuen Papstes zu erzählen. Und auch wenn diese Einschübe den Fluss nicht allzu sehr stören – eine wirkliche Geschichte erzählt Die zwei Päpste ja ohnehin nicht –, sie fügen dem Ganzen nicht genügend hinzu. Dass auf diese Weise Bergoglio stärker charakterisiert werden soll, das mag durchaus sein. Es führt jedoch zu einem Ungleichgewicht, da Papst Benedikt solle Rückblicke versagt bleiben. Wollte man aufzeigen, wie die Männer wurden, wie sie sind und wie die Gegenwart durch die Vergangenheit erklärt werden kann, dann ist das hier nur die eine Hälfte. Und gerade die Jugend von Ratzinger war durchaus spannend, wie Verteidiger des Glaubens aufzeigte. Aber soweit wollte man dann doch wohl nicht. Das Biopic, das auf dem Telluride Film Festival 2019 Weltpremiere hatte, ist gefällig, gibt auch ein bisschen was zum Denken mit, bleibt aber selbst lieber an der Oberfläche, wo es ungefährlich ist.
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