Unter der starken Hand ihres Vaters Abraham (Jose Coronado) kontrollieret dessen Familie ein Imperium, welches weit über die Grenzen ihrer Heimat Madrid hinaus unter anderem den Drogenhandel bestimmt. Aufgrund seiner autoritären Art hat Abraham sich viele Feinde gemacht über die Jahre, aber nun zweifeln auch seine Söhne, Tomás (Daniel Gao), Daniel (Isak Férriz) und Clemente (Nene), immer offener sein Wort an. Während Tomás die finanzielle Zukunft der Familie in Gebieten wie dem Handel mit Kunstfälschungen und Investmentfonds sieht, kann Daniel es gar nicht abwarten, die Geschäfte selbst in die Hand zu nehmen, was ihn auf direkten Kollisionskurs mit seinem Vater bringt. Indes träumt Clemente von einer Karriere als Profiboxer.
Ein Spiel mit der eigenen Geschichte
Die europäische Medienlandschaft ist, wie in jedem anderen Land, eng verwoben mit der eigenen Geschichte. Ein breites Angebot, z. B. an Genreproduktionen, leitet sich meistens daraus ab, dass es eine bestimmte Vorliebe für diese gibt oder eben eine gewisse Distanz zu ihnen besteht. Als Vorreiter eines kapitalistischen Systems lässt sich so unter anderem der nicht enden wollende Strom der Superheldenfilme oder anderer Big Budget-Produktionen erklären, die aus den Vereinigten Staaten kommen. Zudem verfügt man dort über ein seit Jahren eingespieltes System, welches Produktionen dieser Größenordnung möglich macht. In Europa verfügt man zwar über bestimmte Programme und eine Filmförderung, die wie kürzlich in Babylon Berlin einspringt, aber an die Masse aus den USA kommt es dennoch nicht heran.
Spätestens seit Die Sopranos und den vielen anderen Serien, die auf diese folgten, ist auch das klassische Gangster-Drama wieder salonfähig geworden. Nicht nur, dass es den fast schon typischen Zyklus von Aufstieg und Fall sowie die üblichen krummen Geschäfte zeigt, sondern zudem noch eine dramatische Familiengeschichte erzählt. Die faschistisch angehauchte Figur des Familienoberhauptes ist, gerade im europäischen Raum, sehr befremdlich, zu sehr glaubte man Spuren zu sehen zu der eigenen Geschichte. In ihrem Essay zum Krimidrama innerhalb der spanischen TV-Landschaft erklärt Medienwissenschaftlerin Concepción Cascajosa Vivino, dass es lange brauchte, bis dieser Generalverdacht sich legte. Seit nationalen Produktionen wie El Principe (2014) sowie weiteren Serien zeigte sich, dass es weniger um den Kopf einer Verbrecherorganisation geht, sondern viele gegenwärtige Themen aus den Bereichen Politik und Gesellschaft angesprochen werden können.
Spätestens nach der zweiten Folge der sechsteiligen ersten Staffel sollte kein Zweifel mehr daran sein, dass sich Gigantes als ein Drama sieht, was auf der großen Bühne spielt. Das Verbrechen an sich wird, ähnlich wie in Gomorrha, manchmal gar zu einer Nebenerscheinung bei Themen wie Bruderzwist, die Emanzipation vom Vater oder Loyalität. Alle drei Brüder, insbesondere der von Daniel Gao gespielte Tomás und der von Isak Férriz verkörperte Daniel stellen Antithesen einer Welt dar, die sich zwischen den Traditionen der alten Welt und den Möglichkeiten der modernen, kapitalistischen definiert. Es ist beinahe logisch, dass derlei Sichtweisen, trotz familiärer Bande, aufeinandertreffen müssen. Dies inszenieren Jorge Dorado und Enrique Urbizu mit einer brutalen Unausweichlichkeit, die sich bereits in den ersten Bildern der Serie ausdrückt, in denen der eine die Stadt und ihre Möglichkeiten betrachtet, während der andere in deren Unterwelt der Routine aus Erpressung und Gewalt nachgeht.
Die Bühne des Verbrechens
Selbst wenn Madrid in der Folge lediglich als Bühne für dieses Drama genutzt wird, spielt die Architektur der Stadt eine wichtige Rolle in Gigantes. Als Dreh- und Angelpunkt von Tradition und Aufbruch spiegelt sie die Sehnsüchte der drei Brüder wider, aber auch die darunter brodelnde Kontrolle durch Korruption und Verbrechen. Weniger der Charme der spanischen Metropole als vielmehr die dunklen Gassen, durch die Abraham sich seines Besitzes sicher schreitet, deuten die teils ungemütliche Aktualität der Serie an.
Entgegen der bereist erwähnten Vorbilder weiß die Mini-Serie dennoch nicht immer zu überzeugen. Dafür wirken die Parallelen zu anderen, teils besseren Vorlagen zu offensichtlich. Auch die Figuren sind eher Karikaturen, was besonders bei dem von Jose Cornonado gespielten Oberhaupt auffällt und sich dann in der Anlage der Charaktere der Söhne wiederfindet. Das mag für viele unterhaltsam sein, lässt aber den erzählerischen Sog oder die pseudo-dokumentarische Brillanz von Narcos oder Gomorrha vermissen.
OT: „Gigantes“
Land: Spanien
Jahr: 2018-2019
Regie: Enrique Urbizu, Jorge Dorado
Drehbuch: Miguel Barrios, Manuel Gancedos, Michel Gaztambide
Musik: Mario de Benito
Kamera: Unax Mendia
Besetzung: Jose Coronado, Daniel Gao, Isak Férriz, Nene
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