2019 gab es aufgrund des 30. Jubiläums des Mauerfalls eine ganze Reihe von Filmen in unseren Kinos, die sich mit der DDR oder der Wiedervereinigung auseinandersetzen. Das Angebot war dabei ausgesprochen vielfältig, vom Liebesdrama Zwischen uns die Mauer über den Animationsfilm Fritzi – Eine Wendewundergeschichte bis zum Dokumentarfilm Schönheit & Vergänglichkeit war alles dabei, was das Herz begehrt. Nun folgt noch ein weiterer Titel, mit einem Thema, das zwar lange zurückliegt, aber doch auch sehr schön die Trennung der beiden Deutschlandhälften verkörpert, sowie die Schwierigkeit, diese zu überwinden.
Im Westen spielte Gerhard Gundermann kaum eine Rolle. Doch im Osten, da war der Liedermacher und Sänger Kult, sowohl vor wie nach der Wende. Er war vor allem aber auch eine Identifikationsfigur, da seine Geschichten und Gedichte den Menschen im Lausitzer Braunkohlerevier aus der Seele sprach. Denn er kam von dort, arbeitete bis zuletzt als Baggerfahrer, selbst als er das finanziell gar nicht mehr nötig hatte. Einer Kommerzialisierung seiner Musik verweigerte er sich, er wollte lieber von echter Arbeit leben. Dass ein solcher Mann nicht unbedingt in das Deutschland nach der Wende passte ist klar, weshalb er auch zwanzig Jahre nach seinem Tod eine Ikone ist, die gleichermaßen unvergessen wie umstritten ist.
Der Vergangenheit auf der Spur
Der Spielfilm Gundermann erzählte bereits vor etwas mehr als einem Jahr das Leben des ostdeutschen Künstlers nach. Gundermann Revier tut das nun ebenfalls, jedoch mit den Mitteln eines Dokumentarfilms. Der Aufbau ist dabei sehr klassisch: Regisseurin Grit Lemke hangelt sich chronologisch von einer Station zur nächsten, ließ einerseits ehemalige Weggefährten und Zeitgenossen zu Wort kommen, grub aber auch diverse historische Aufnahmen aus. Das bedeutet neben viel Musik das eine oder andere Interview mit Gundermann, Fernsehauftritte und Diskussionsrunden.
Wer den Lebenslauf des in Weimar geborenen Sängers schon kennt, für den wird das natürlich nicht viel Neues bringen. Es gelingt Lemke aber gut, die unterschiedlichen Facetten Gundermanns herauszuarbeiten, der gleichzeitig ein Mann aus dem Volk war und doch nirgends hineinpasst. Ein Mann, der – wie sich später herausstellte – ein Spitzel der DDR war und doch für das Wohl der Menschen kämpfte. Der sich dem Wandel stellte, beispielsweise als das Thema Klimaschutz aufkam, der Todesstoß für die Braunkohle. Der gleichzeitig vieles von dem, was durch die Wende geschah, skeptisch gegenüber stand und sich weigerte, im Westen aufzutreten.
All das fügt sich zu dem Bild eines Mannes zusammen, der sicher eigen, wenn nicht gar schwierig war, aber eben auch faszinierend. Dessen Musik zu mögen, die oft nachdenklich und melancholisch war, von Verlust sprach, von Tod, hilft natürlich beim Anschauen des Dokumentarfilms. Es ist jedoch keine zwingende Voraussetzung: Gundermann Revier, das auf der Dok Leipzig 2019 Weltpremiere feierte, ist eben nicht allein das Porträt eines Künstlers, wie es so viele Dokus in dem Bereich sind. Es ist auch das Porträt einer Zeit, welche überraschend viele Themen vorwegnahm, welche uns bis heute beschäftigen. Wenn wir hier von Klimaschutz erfahren, von vernachlässigten Regionen und Menschen, die im Wandel verlorengegangen sind, dann ist das von einer Aktualität, die bis heute reicht.
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