Harlan Thrombey (Christopher Plummer) ist ein erfolgreicher Krimiautor, dessen Bücher sich millionenfach verkaufen. Besser: Er war es. Denn am Morgen nach seinem 85. Geburtstag wird er tot aufgefunden. Alles deutet auf einen Selbstmord hin. Und doch hat jemand den Privatdetektiv Benoit Blanc (Daniel Craig) angeheuert, um der Sache nachzugehen, da irgendetwas an der Geschichte nicht zu stimmen scheint. Verdächtige gibt es zudem genug in dem Haus: Ob nun Tochter Linda (Jamie Lee Curtis), deren Mann Richard (Don Johnson), Sohn Walter (Michael Shannon), die verwitwete Schwiegertochter Joni (Toni Collette) oder auch Enkel Hugh (Chris Evans), sie alle habe potenzielle Motive für einen Mord. Zum Glück haben Blanc und der ermittelnde Lieutenant Elliott (Lakeith Stanfield) aber eine wertvolle Verbündete: Marta Cabrera (Ana de Armas). Die hat als Pflegekraft des Verstorbenen nicht nur Einblicke in das Familienleben, sondern kann auch nicht lügen. Und Lügen gibt es bei Familie Thrombey schließlich so einige …
Eine Zeit lang war Rian Johnson aufgrund seines letzten Films Star Wars: Episode VIII – Die letzten Jedi sicher einer der meistgehassten Männer in der Filmbranche. Und auch wenn sich im Zuge von Star Wars: Episode IX – Der Aufstieg Skywalkers einiges wieder relativiert hat, kontrovers sind seine Beiträge zur großen Sternenkrieger-Saga ohne jeden Zweifel. Aber kontrovers ist ja nicht unbedingt verkehrt, verschaffte das seinem neuen Werk Knives Out – Mord ist Familiensache doch schon im Vorfeld jede Menge Aufmerksamkeit. Wobei neu es nur zum Teil trifft. Geplant hatte der Regisseur und Drehbuchautor das Ganze schon 2005, war anschließend aber immer wieder mit anderen Projekten beschäftigt. Nun liegt das Ergebnis endlich vor. Zum Glück, muss man sagen.
Ein Mordsspaß
Kontrovers wird Knives Out wohl kaum aufgenommen werden, obwohl Rian Johnson auch dieses Mal viel Vergnügen dabei hat, Erwartungen auf den Kopf zu stellen und alte Traditionen auseinanderzunehmen. Hier ist es der klassische Whodunnit-Krimi, den er sich vorgeknöpft hat und in einer ganz eigenen Version präsentiert. Das Szenario zumindest ist eines, das prototypisch ist für dieses Genre: Das reiche Familienoberhaupt stirbt, die restlichen Familienmitglieder haben alle ein Motiv, ein Detektiv muss nun herausfinden, wer es wirklich war. Dazu spielt die Geschichte auch noch ein einem großen Landhaus, ein überaus beliebter Schauplatz für solche Mörderjagden. Doch so sehr sich Johnson hier an den Klassikern von Agatha Christie und Co. orientieren mag, so sehr unterscheidet sich das Ergebnis in Details.
Zum einen ist der Ton ein ganz anderer. Statt nüchterner Grübeleien ist hier viel Schmunzeln angesagt, teilweise auch richtiges Lachen. Denn das wird recht schnell klar: Johnson nimmt das mörderische Treiben nicht ernst. Die Figuren sind oft ein wenig skurril, teilweise regelrechte Karikaturen. Komisch sind sie so oder so. Nun ist Knives Out, das auf dem Toronto International Film Festival 2019 debütierte, natürlich nicht der erste Film, der Krimi und Komödie verbindet. An manchen Stellen fühlt man sich durchaus an Eine Leiche zum Dessert erinnert, ein weiterer starbesetzter Whodunnit, der sich über Genrekonventionen lustig macht. Zu einer wirklich vergleichbaren Parodie wächst das hier jedoch nie heran, denn so absurd manche Wendungen und Ereignisse auch sind, sie funktionieren doch immer noch innerhalb des Rahmens, den ein solcher Film mit sich bringt. Johnson geht vieles zwar mit Humor an, stellt den Krimi aber nicht als solchen in Frage.
Alles wie erwartet und doch anders
Es ist auch nicht so, als würde Knives Out alte Krimihasen vor eine unlösbare Aufgabe stellen. Wer einigermaßen versiert ist bei solchen Mörderjagden, der bekommt schon früh alles geliefert, was er wissen muss, um das Ende vorhersehen zu können. Es ist sogar interessant, wie früh Johnson vieles verrät. Wo beispielsweise sonst erst nach und nach Motive gefunden werden müssen, da gibt es sie hier praktisch als Einstiegsgeschenk. Und eine Wendung, die sich andere Autoren und Autorinnen für das letzte Drittel aufgehoben hätten, wird hier genutzt, um auf einmal eine ganze andere Form von Krimi zu erzählen. Das hängt auch mit einem Perspektivwechsel zusammen, wenn in dem erstaunlich gesellschaftlich orientierten Film mal nicht der Detektiv im Mittelpunkt steht, sondern die anderen Figuren und deren Versuche, das Geschehen zu ihrem Gunsten zu beeinflussen – mit teils haarsträubenden Mitteln.
Leider findet Johnson nicht die Zeit, all diesen Figuren auch wirklich gerecht zu werden. Wie bei regulären Whodunnits auch – siehe Mord im Orient-Express – müssen die Charaktere sehr schnell abgehandelt werden. Das ist hier besonders schade, da das Ensemble exzellent ist und mit einem ebenso großen Vergnügen an die Arbeit geht wie Johnson selbst. Ob nun Toni Collette als abgehobene Esoterikerin, Michael Shannon als bedrohlicher Versagersohn oder Chris Evans als rebellischer Enkel, es macht einfach wahnsinnig Spaß, ihnen zuzusehen. Das gilt natürlich auch für Daniel Craig, dessen Detektiv vielleicht nicht die Brillanz eines Hercule Poirot hat, dafür aber dermaßen unterhaltsam den Leuten auf die Füße tritt, dass man sich wünscht, ihn noch häufiger in dieser Funktion zu sehen. Eine Idee für einen weiteren Fall rund um Detektiv Blanc hat Johnson sogar schon. Bleibt nur zu hoffen, dass es nicht wieder 14 Jahre und kontroverse Blockbuster braucht, um diese Vision umzusetzen.
OT: „Knives Out“
Land: USA
Jahr: 2019
Regie: Rian Johnson
Drehbuch: Rian Johnson
Musik: Nathan Johnson
Kamera: Steve Yedlin
Besetzung: Daniel Craig, Ana de Armas, Chris Evans, Jamie Lee Curtis, Michael Shannon, Don Johnson, Toni Collette, Lakeith Stanfield, Katherine Langford, Christopher Plummer, K Callan
Preis | Jahr | Kategorie | Ergebnis | |
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AACTA Awards | 2020 | Beste internationale Nebendarstellerin | Toni Collette | Nominierung |
Academy Awards | 2020 | Bestes Original-Drehbuch | Rian Johnson | Nominierung |
BAFTA Awards | 2020 | Bestes Original-Drehbuch | Rian Johnson | Nominierung |
Golden Globe Awards | 2020 | Bester Film – Musical oder Komödie | Nominierung | |
Bester Hauptdarsteller – Musical oder Komödie | Daniel Craig | Nominierung | ||
Beste Hauptdarstellerin – Musical oder Komödie | Ana de Armas | Nominierung |
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