Ordinary Time Tempo Comum
© Wolf Berlin

Ordinary Time

Ordinary Time
„Ordinary Time“ // Deutschland-Start: 5. Dezember 2019 (Kino)

Endlich ist es da, das erste gemeinsame Kind von Marta (Marta Lança) und Pedro (Pedro Castanheira)! Das Krankenhaus haben sie bereits verlassen, zu Hause wollen sie sich von den Strapazen erholen und das neue gemeinsame Leben genießen. Das ist anfangs natürlich eine Umstellung, so ganz wissen sie nicht, was sie als Eltern tun sollen. Doch sie sind ja nicht allein, immer wieder bekommen sie Besuch, von Freunden und Familienangehörigen, ein jeder mit Geschichten und gut gemeinten Ratschlägen, wie die beiden das mit der kleinen Clara hinbekommen können.

Kinder bekommen, das ist in Filmen meist eine große Sache. Damit werden kriselnde Beziehungen gekittet, ein paar Intrigen gesponnen oder auch gute Menschen belohnt, die es wirklich verdient haben, endlich ihr Glück zu finden. Dabei ist das mit den Kindern eigentlich keine große Sache, wenn man Ordinary Time dagegen hält, ein Werk, das wie kaum ein anderes den Alltag eines derart einschneidenden Ereignisses aufzeigt. Denn in dem portugiesischen Film ist die kleine Tochter der Mittelpunkt allen Geschehens, und doch auch ziemlich banal.

Die Wahrheit des Alltags
Susana Nobre ist für ein solches Unterfangen die perfekte Filmemacherin. Eigentlich kommt die Regisseurin und Drehbuchautorin aus dem Dokumentarfilmbereich. Und auch Ordinary Time ist so nahe dran am Dokumentarischen, dass man immer wieder verwirrt auf die offizielle Beschreibung schaut, ob das überhaupt ein Spielfilm ist oder nicht doch wieder eine Doku. Zumal die Figuren die Namen ihrer Darsteller tragen, man also – wie bei The Rider oder Querência – Heimkehren – keine Ahnung hat, wo die Rolle aufhört und der Mensch dahinter beginnt.

Das Drama, das unter anderem auf dem International Film Festival Rotterdam 2018 lief, ist deshalb in erster Linie für ein Publikum geeignet, das auf herkömmliche Spannungsbögen verzichten kann und sich an Alltagsgeschichten erfreut. Ordinary Time zeigt Marta, wie sie ihr Kind stillt, wie sie eine Milchpumpe das erste Mal in Betrieb nimmt, aber auch wie sie zunächst ihre Probleme damit hat, ihr Leben von einem jungen Wesen bestimmen zu lassen. Das wird sich im Laufe der Zeit ändern, Marta wird souveräner, eigenständiger, findet eine bessere Balance zwischen ihren Bedürfnissen und denen ihrer Tochter.

So vielfältig wie das Leben
Doch obwohl Marta im Mittelpunkt steht, es kaum eine Szene gibt, in der sie nicht zu sehen ist: Ordinary Time ist mehr als nur das Porträt einer Mutter. Gerade die zahlreichen Gespräche mit den Leuten, die bei ihnen vorbeikommen, verleihen dem Film seinen Charakter. Mal sind es konkrete Ratschläge, die sie teilen, andere Szenen bestehen aus Anekdoten und Erzählungen von eigenen Erfahrungen. An einer Stelle hören wir einer alten Frau zu, die sich an früher erinnert, als Frauen noch zehn bis zwölf Kinder bekamen, ohne große medizinische Versorgung. Ein bisschen schwingt hier ein Vorwurf mit, zumindest aber mangelndes Verständnis dafür, warum heute das alles so anders sein muss.

Nobre gibt einem, gerade durch die diversen, sich mitunter widersprechenden Perspektiven, einiges mit, über das man nachdenken darf. Die Rolle von Pedro geht dabei ein wenig unter, es ist vielmehr das Leben als Mutter, über das hier diskutiert und gegrübelt wird. Wer mit diesem Thema nichts anfangen kann, wird es bei Ordinary Time natürlich schwer haben. Wobei der Film sich nicht allein an Mit-Mütter richtet, sondern auch anderen durchaus etwas zu bieten hat. Eine Vorliebe für ruhige Werke braucht es hingegen schon, für Geschichten, die so sehr aus dem Leben gegriffen sind, dass man sich wie bei Nachbarn fühlt. Schön ist das vielleicht nicht immer, aber doch von einer eigenen Würde.



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„Ordinary Time“ erzählt von einem Paar und ihren Erfahrungen als frisch gebackene Eltern. Der Film wandelt dabei an der Grenze zwischen Spielfilm und Dokumentation, ist so lebensnah und natürlich, dass man manchmal nicht mehr weiß, was noch erfunden ist, was echte Anekdote. Durch zahlreiche Gespräche wird das bewusst unspektakuläre, alltägliche Drama zu einer Diskussion über das Leben als Mutter, was aber auch von Nicht-Müttern angeschaut werden kann.
7
von 10