Schneewittchen und der Zauber der Zwerge
© ZDF/Conny Klein

Schneewittchen und der Zauber der Zwerge

Kritik

Schneewittchen und der Zauber der Zwerge
„Schneewittchen und der Zauber der Zwerge“ // Deutschland-Start: 24. Dezember 2019 (TV)

Für die Königin (Nadesha Brennicke) zählen nur zwei Dinge im Leben: Sie will Macht und sie will die Schönste im ganzen Land sein! Bislang hat das ganz gut geklappt, skrupellos erschlich sie sich erst die Zuneigung des Königs, nur um ihn nach der Hochzeit umbringen zu lassen. Doch jetzt hat sie ein Problem, denn dessen Tochter Schneewittchen (Tijan Marei) wird von Tag zu Tag schöner. Als klar ist, dass die Jugendliche inzwischen die Königin überstrahlt, ist das Todesurteil schnell gefällt. Niemand darf schöner sein, auch nicht die eigene Schwiegertochter! Schneewittchen entkommt jedoch dem mörderischen Komplott und findet Zuflucht bei den sieben Zwergen, die selbst eine unglückliche Vorgeschichte an die Königin bindet …

Weihnachten ist Märchenzeit! Nicht nur, dass Titel wie Drei Haselnüsse für Aschenbrödel fest zum festlichen TV-Programm gehören, auch im Kino werden gerne mal Klassiker neu gemischt wieder unters Volk gebracht. Dieses Jahr gab es beispielsweise Die Eiskönigin II und Rotschühchen und die sieben Zwerge, die in animierter Form ganz eigene Versionen der bekannten Geschichten erzählten. So eigen, dass man die Vorlage teils kaum noch wiedererkennen konnte. Aber das muss ja nicht verkehrt sein, manche Elemente der alten Fabeln sind inzwischen dann doch etwas überholt, gerade auch in Hinblick auf das Frauenbild von einst.

Ich kann Hufeisen werfen!
Schneewittchen und der Zauber der Zwerge geht da in eine ähnliche Richtung, wenn auch hier als Realfilm. Im Gegensatz beispielsweise zu der Titelheldin des Disney-Zeichentrick-Urgesteins Schneewittchen und die sieben Zwerge ist diese hier nicht allein die schöne Prinzessin in Not, die munter vor sich hin trällernd auf Rettung wartet. Im Jahr 2019 darf sie selbst anpacken, hilft immer wieder in der nahegelegenen Schmiede aus und eignet sich dabei eher wenig königliche Fertigkeiten an. Die Kunst des Hufeisens kommt beispielsweise am Hofe dann doch eher selten zum Einsatz. Ganz konsequent ist die Neufassung aber nicht, am Ende braucht es doch noch den schönen Prinzen (Ludwig Simon) für das Happy End.

Das kann man nun bedauerlich finden, im Gegensatz etwa zu Disneys Maleficent – Die dunkle Fee, welches Dornröschen radikal umdeutete und den Prinzen an den Rand schob, ist Schneewittchen nach wie vor auf männliche Hilfe angewiesen. Andererseits, die Reduktion des Prinzen auf dessen Aussehen und den rettenden Kuss ist auch nicht sonderlich schmeichelhaft. Ohnehin, für eine umfassende Charakterisierung ist Jahrhunderte später in Märchen noch immer kein Platz, wenn es nach Schneewittchen und der Zauber der Zwerge geht. Während die Königin aufgrund ihrer eitlen, skrupellosen Art immerhin eine Form von Persönlichkeit erhält, ist der Rest einfach nur da.

Muss ich echt hier sein?
Das fällt besonders bei Schneewittchen selbst auf. Auch wenn Drehbuchautor Max Honert ihr mehr Eigenständigkeit und Tatkraft zugesteht, in der Darstellung von Tijan Marei bleibt davon relativ wenig übrig. Dafür wirkt sie immer zu desinteressiert, was um sie herum geschieht. Es entstehen auch keine spürbaren Bindungen, weder zwischen ihr und den Zwergen noch dem Prinzen. Es ist eher eine Zweckgemeinschaft, die sie nur eingeht, in der Hoffnung, der eigenen Langeweile zu entkommen. Spaß scheint sie an dem Ganzen nicht zu haben, was sich dadurch auch auf das Publikum überträgt. Warum sollte man mit jemandem mitfiebern, dem selbst alles egal ist?

Aber vielleicht war das auch die Vorgabe: Anders als die farbenfrohe Disney-Version seinerzeit wird hier betont düster getan. Tatsächlich bunt ist in Schneewittchen und der Zauber der Zwerge, das unter anderem beim Filmfest Hamburg 2019 lief, nichts, nicht einmal die Wälder und der ikonische Apfel. Stattdessen sieht der Film so aus, als würde man ihn unentwegt durch eine dreckige Glasscheibe anschauen. Das ist nicht uninteressant, weil man diese Optik von einem Familienfilm, der zu Weihnachten im Nachmittagsprogramm läuft, nicht erwarten würde. Der offensichtliche Versuch, der bekannten Geschichte mehr Abenteuerstimmung zu verleihen, geht aber nicht wirklich auf, da die Handlung nicht mithalten kann. Es passiert einfach zu wenig, was zu einer seltsamen Diskrepanz führt zwischen den Bildern und dem eigentlichen Geschehen. Dabei gäbe es auch ohne diese Filter und eintönige Farbgebung genug zu sehen, was die Entscheidung umso seltsamer macht – wie so manches hier.

Credits

OT: „Schneewittchen und der Zauber der Zwerge“
Land: Deutschland, Tschechische Republik
Jahr: 2019
Regie: Ngo The Chau
Drehbuch: Max Honert
Musik: Michael Beckmann, Tom Stöwer
Kamera: Ngo The Chau
Besetzung: Tijan Marei, Nadesha Brennicke, Ludwig Simon, Victor Schefé

Bilder

Filmfeste

Filmfest Hamburg 2019
Schlingel 2019



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„Schneewittchen und der Zauber der Zwerge“ versucht dem klassischen Märchen neue Seiten abzugewinnen, sowohl inhaltlich wie auch optisch. Das klappt aber nur bedingt. Das lustlose Auftreten der Titelfigur und die übertrieben düsteren Bilder führen dazu, dass das TV-Abenteuer nicht den beabsichtigten Spaß bringen.
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von 10