Früher führte an Adereth (Ben Kingsley) kein Weg vorbei, beim israelischen Geheimdienst gab es keinen besseren Spion als ihn. Inzwischen überwiegt aber die Skepsis, ob seine großen Informationen nicht doch alle irgendwie erfunden sind. Nur um sicherzugehen, wird ihm deshalb der junge Kollege David (Itay Tiran) an die Seite gestellt, mit dem Adereth eine Vorgeschichte verbindet. Dabei steht gerade jetzt die Zukunft auf dem Spiel, denn der ehemalige Top-Agent sucht nach Beweisen für eine Fabrik in Syrien, die chemische Waffen herstellen soll. Und ausgerechnet Angela (Monica Bellucci), seine neue Geliebte, soll ihm dabei helfen – ohne es zu merken …
Es geht doch nichts über eine nette, kleine Verschwörung! Das gilt für das wahre Leben, wo die Menschen gerne einmal die fantastischsten Geschichten kreieren, um von ominösen mächtigen Hintermännern zu faseln. Und es gilt natürlich für Filme, bei denen wir ohne große Einmischung der Realität die kompliziertesten Konstrukte in Kauf nehmen, sie sogar genießen. Sofern der Rahmen stimmt. Spionagefilme sind dafür prädestiniert: Wenn Politiker, Unternehmen, wahlweise auch Geheimdienste unter einer Decke stecken, ist das immer ein ganz besonderes Vergnügen. Die Frage ist dann nur: Wer von den vielen Leuten ist der wirkliche Böse? Wer fällt da wem in den Rücken?
Moment, wie, was?
Das gilt auch für den Thriller Spider in the Web, der von Anfang an klar macht: Achtung, jetzt wird es richtig vertrackt! Tatsächlich darf man hier schon gleich zu Beginn ein wenig überwältigt sein von den geistigen Verrenkungen. Ein englischer Schauspieler indischen Ursprungs spielt einen israelischen Agenten, der in Belgien nach Spuren für syrische Giftwaffen sucht. Das ist so viel Internationalität, dass man sich bereits verlaufen hat, noch bevor es richtig los geht. Ach ja, das Love Interest ist dann noch eine Italienerin, auch wenn die das offiziell wohl nicht ist. Genau kann man das hier nicht sagen.
Eine wirkliche Rolle spielt das natürlich nicht, zumal man bald genug damit beschäftigt sein wird, anderweitig nicht den Überblick zu verlieren. Das Drehbuchduo Gidon Maron und Emmanuel Naccache war offensichtlich von den Möglichkeiten fasziniert, die das freie Schreiben so mit sich bringt, und konnte der Versuchung daher nicht widerstehen, eine Wendung nach der anderen einzubauen. So etwas kann natürlich ganz spannend oder unterhaltsam sein, Mission: Impossible – Fallout machte sich aus den ständigen Wechselspielchen, wer jetzt wer ist und warum was tut, einen Spaß. Dort geschah das Ganze aber mit einem gewissen Augenzwinkern, nach dem Motto: Ja, wir wissen, dass das hier ziemlicher Quatsch ist.
… muss das jetzt sein?
Bei Spider in the Web fehlt dieses Bewusstsein für die eigenen Unzulänglichkeiten jedoch, man nahm sich bei der Gehirnakrobatik leider zu ernst. So etwas kann in den richtigen oder falschen Händen zu einem trashigen Vergnügen werden. Im Fall der internationalen Coproduktion trifft das jedoch nicht zu. Vielmehr ist die Geschichte um einen Agenten, der nach Beweisen für giftige Machenschaften sucht oft etwas anstrengend, wenn nicht gar einschläfernd. Wenn ein Film mal nicht nur CGI-Krach-Bumm-Actionszenen seine Geschichten erzählt, sondern anderweitig versucht, das Publikum zu fesseln, ist das grundlegend begrüßenswert. Es sollte dann jedoch eine lohnenswerte Alternative bieten.
Dabei ist die Figur des Adereth sogar ganz interessant. Agenten in Filmen, das bedeutet meistens stahlharte Helden, die nicht einmal bei 50 Grad und Dauerfeuer die Fassung verlieren. Hier haben wir einen älteren Herren, der ständig seine Funde etwas aufbauscht, um überhaupt noch irgendwie vom Rest wahrgenommen zu werden. Das ist eine Mischung aus den US-amerikanischen Lügengeschichten zu den Massenvernichtungswaffen eines Saddam, gekreuzt mit einer irgendwie erbärmlichen Gestalt, der zur Beweisführung schon mal Thriller-Romane zu Rate zieht. Zudem ist Ben Kingsley (Nomis – Die Nacht des Jägers, The Red Sea Diving Resort) für eine solche Rolle eine willkommene Besetzung. Und überhaupt: Ein Agentenfilm, bei dem die jüngere Person eines Paares jenseits der 50 ist, wie oft sieht man das schon? Den einen oder anderen Grund, Spider in the Web anzuschauen, gibt es also schon. Übers Mittelmaß kommt der zähe Thriller dennoch leider nicht hinaus.
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