Von ungewohnten Lauten aus dem Schlaf gerissen, begegnet ein kleiner Junge namens Vincent einer Einbrecherin, die vom Vater verstecktes Geld aus dessen Büro stiehlt … Der nun erwachsene, fürs Leben gezeichnete Vincent (Gary Cairns) und sein Bruder Michael (Luke Albright) fahren in ihrem Absolutionswohnmobil über die Straßen der kargen Landschaft von Mississippi, um den Sündern des ländlichen Bundesstaates als Priester und Gehilfe Vergebung zu bringen. Klingt vielleicht nach einer guten Tat, doch die Absichten der beiden sind alles andere als heilig. Father Vincent hat zwar weise Ratschläge für alle Arten von Sünden parat, kann aber nicht umhin, seine Lieblingssünder mit einer besonderen Art der Erlösung/Vergebung zu beglücken: den Tod durch Messerstecherei, für weibliche Beichtgänger versöhnlich vollendet mit einem lustvollen Kuss des gnädigen Paters. Als die ähnlich gesinnte Lustmörderin Mary Francis (Trista Robinson) sich für das Schaffen der fahrenden Seelsorger interessiert, beginnen die alteingesessenen Konflikte zwischen den Brüdern mit frischer Intensität aufzublühen…
Vielfilmer Mark Savage bringt mit The Priest seinen neuesten Spielfilm auf den deutschen Heimbildschirm. Nachdem der Film schon 2017 fertiggestellt wurde, lief er auf diversen Filmfestivals in den USA, Australien und Kanada und hatte dort seinen offiziellen DVD- und Blu-Ray-Release im Februar 2019. Savage beschäftigt sich in diesem Werk unter anderem mit einer von Kindesbeinen an gebrochenen Psyche, die mit einer modernen Gesellschaft in Konflikt kommt.
Gewalt! Blut! Und ein bisschen Handlung
Vor einem ähnlich tristen Naturspektakel, wie man es aus düsteren Serien wie True Detective kennt, zeichnet Savage mit hoffnungslosen und atmosphärischen Bildern eine Kulisse der Einsamkeit, in die er nach und nach ein bisschen mehr Farbe bringt. Die Farbe ist in diesem Fall recht dominant rot und zeigt sich meist nur verschüchtert und ungerne, bis Father Vincent sie mit seinem mitfühlenden Messer aus ihrem Versteck lockt. Eben jenes, im vorangegangenen Satz unnötig metaphorisierte, Blut begegnet uns in diesem recht preiswert produzierten Horrorthriller sehr häufig. Das Budget von rund 500.000 Dollar floss wohl vor allem in die physischen Spezialeffekte, die für die recht blutigen Mord- und Zerstückelungsszenen benötigt wurden. Ein schönes Spektakel der kranken Art, welches zuverlässig Tiberius-Film-Fans vor den Fernseher locken wird.
Neben dem bühnenbildnerisch wundervoll in Szene gesetzten Absolutionswohnmobil mit der Aufschrift „I FORGIVE“ auf der Frontseite wirken die Dialoge und phasenweise das Schauspiel leider wie ein schlechter Scherz. Dies ist allerdings nicht unbedingt dem Drehbuch geschuldet, sondern eher der deutschen Synchronisation, die sonderbar unpassend wirkt. Allen Sprechern voran fällt die Synchronstimme der Mary Francis negativ auf. Sie wirkt seltsam überanstrengt in ihrem Synchronschauspiel und dadurch leider sehr unglaubwürdig.
Aber sprechen wir an dieser Stelle doch lieber über Ruby (Sylvia Grace Crim), Michaels Freundin und ihres Zeichens Kellnerin im Stammlokal der Brüder. Mimisch wirkt ihr Schauspiel durchaus annehmbar, doch ihre angetraute deutsche Stimme gibt dem Ganzen eine ungeahnte Tiefe: Man fragt sich nämlich die ganze Zeit, ob hier eine alte Frau am Werk war, die ihr Bestes gibt einer jungen Dame mit ihrer Sprechkunst gerecht zu werden.
Tod ist deine Erlösung!
Trista Robinson, deren spezielle Gabe es zu sein scheint, besonders ungelenk ihre Zigaretten anzuzünden, zeigt hier in der Figur der gestörten Mary Francis ein krankes Gleichgewicht aus kindlicher Verspieltheit und sexueller Mordlust. Mit bunten Gummistiefeln unterstützt sie die Brüder in ihrer Mission, die Welt in eine sündenfreie und bessere Version ihrer selbst zu verwandeln. Mit ihrer Performance treibt sie die Mischung aus Gewalt, Tod und Sex (im Übrigen gerne in dieser Reihenfolge, wenn es nach Father Vincent geht) auf die Spitze. Die widerwärtigen Motive der freiwillig aus den Rahmenbedingungen einer funktionierenden Gesellschaft Ausgetretenen werden hier sehr direkt in einem abgeschlossenen Universum voller Gestörter behandelt.
Es ist davon auszugehen, dass hier auch kein Augenmerk darauf gelegt wurde, in irgendeiner Form Kritik an realen Umständen auszuüben. Eher der Schockfaktor und das Aufzeigen krankhafter Fantasien standen im Vordergrund. Aber eben diese Herangehensweise macht derartige Filme des breiten Horrorgenres so interessant: Man darf sich hier in eineinhalb Stunden von fiktiven Figuren vorleben lassen, wie es aussehen könnte, seiner dunklen Seite die Zügel in die Hand zu geben und ohne Rücksicht auf moralische Vorsätze zu handeln.
Der angenehm hochwertige, wenn auch simple Soundtrack des Films untermalt die tragisch-triste Atmosphäre gekonnt und darf hier auf keinen Fall fehlen. Komponist Glen Gabriel, der sich im internationalen Independentfilm etabliert hat, liefert einen sich dezent steigernden Score, der dem Film durch seine erhabenen Chöre und leichten Dissonanzen ein Stück Ernsthaftigkeit zurückgibt. Die oft als klischeehaft wahrgenommenen Streicher funktionieren hier wunderbar und durch tief gestimmte Celli eröffnet sich einem die düstere Welt des Wahnsinns, die einen in diesem Film mehr und mehr einhüllt.
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