Und schon wieder: Wann immer sich Johanne (Ida Elise Broch) mit ihrer Familie trifft, kann sie sich auf die üblichen Themen und Fragen gefasst machen. Allen voran die, wann sie endlich mal einen Freund hat, sie sei ja schließlich schon über 30. Also verkündet sie zur großen Überraschung der anderen, dass sie tatsächlich mit jemandem zusammen ist und diesen auch zum Weihnachtsfest mitbringen wird. Das Problem ist nur: Es gibt diesen Freund überhaupt nicht. Um sich die Schmach zu ersparen, doch wieder allein auftauchen zu müssen, lässt sich Johanne daraufhin überreden, auch mal ein paar Kerle zu daten. Aber dabei heißt es schnell sein, schließlich ist bis Weihnachten nicht mehr lange hin …
Aller guten Dinge sind drei. Nachdem Netflix in den letzten Jahren mit Weihnachtsfilmen gute Erfahrungen gesammelt hat, gab der Streamingdienst auch einige Serien in Auftrag, die allesamt zum größten Familienfest des Jahres spielen. Den Auftakt machte das deutsche Drama Zeit der Geheimnisse um mehrere Generationen von Frauen, die sich an verschiedenen Weihnachten treffen. Im Anschluss gab es die US-Sitcom Merry Happy Whatever über einen Mann, der von seiner Freundin zu deren chaotischen Familie geschleppt wird. Nun kommt schon der dritte Versuch und stellt sich als der beste des Trios heraus, obwohl große Namen fehlen.
Zwischen Chaos und Trauer
Die norwegische Serie Weihnachten zu Hause ist dabei von der Stimmung her zwischen den beiden Inhouse-Kolleginnen angesiedelt. Grundsätzlich ist die Geschichte um eine Frau, die sich dazu genötigt fühlt, doch noch einen Freund zu haben, von einer eher heiteren Natur. Das schafft sie, indem sie – wie so viele Produktionen, in denen es um Dates geht – Johanne mit lauter Leuten zusammenführt, da alle irgendwo einen Dachschaden haben. Die meisten dieser Katastrophenbegegnungen sind nur kurzer Natur, andere laufen einem auch später über den Weg, zur Erheiterung des Publikums und zum Ärger unserer Protagonistin, die kein wirkliches Glück in der Liebe hat.
Gleichzeit hat Weihnachten zu Hause aber auch ernste Seiten und spricht diverse Themen an, die nicht zwangsläufig witzig sind. Da wird über die Problematik eines größeren Altersunterschiedes gesprochen, über langsam zerbrechende Ehen, aber auch darüber, dass Singles grundsätzlich bei der Urlaubsplanung übergangen werden. Ohnehin: Es ist bemerkenswert, wie wenig einfühlsam das Umfeld auf Johanne reagiert, egal ob nun beruflich oder privat. Vor allem eine Szene ist in ihrer Rücksichtslosigkeit so herzerweichend, dass die norwegische Serie einem deutlich näher geht als so manch spezialisiertes Drama, ohne inhaltlich dicker auftragen zu müssen. Es ist eher die lebensnahe Natur dieser Szenen, welche sie so wirksam werden lässt.
Das Leben kann auch anders sein
Ganz ohne Wohlfühlelemente kommt aber natürlich auch diese Weihnachtsproduktion nicht aus. Auf Johanne wird eingeprügelt, mehrfach. Sie wird jedoch nicht damit allein gelassen. Schön dabei ist, dass Weihnachten zu Hause sich hierbei nicht selbst verrät. Stattdessen zeigt die Serie auf, dass es abseits der kitschigen Festromanzen à la A Christmas Prince oder Die Weihnachtskarte noch andere Lebensentwürfe und Lebenswahrheiten gibt. Eine der Nebenfiguren ist beispielsweise eine alte Dame, die ihr Leben lang kinderlos blieb, ohne dass sie dies je als Nachteil empfand. Manche Beziehungen sind auch nicht dafür geeignet, ewig zu halten. Das ist traurig, ja, gleichzeitig tröstlich: Die Norweger machen deutlich, dass alles anders kommen kann, als man es sich wünscht, das deswegen aber nicht verkehrt sein muss.
Das wird besonders beim Finale der sechs Folgen umfassenden ersten Staffel deutlich, in der das Leben alles sein darf, was es ist, in all der Schönheit und Traurigkeit. Das wird für ein Publikum, das Weihnachtsfilme vor allem deswegen konsumiert, um ungestört träumen zu dürfen, vielleicht weniger gefallen. Allgemein ist die Serie recht zurückhaltend, sowohl in die komödiantische wie dramatische Richtung. Abgesehen von den Datekatastrophen sind die Witze eher beiläufig, große Taschentuchmomente sind ebenfalls selten. Und doch macht genau das Weihnachten zu Hause zu einer wohltuenden Angelegenheit: Man hat hier, anders als bei den üblichen Netflix-Berieselungen, tatsächlich das Gefühl, es mit realen Menschen zu tun zu haben, die einem sehr viel näher sind als die ganzen Prinzen und Teilzeitmodels, die wenig Anlass zur Identifikation liefern. Die Norweger entführen uns an keinen fremden Ort, sondern leisten uns beim Alltag Gesellschaft. Eben als wären wir selbst zu Hause.
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