Es ist der Tag eines Neubeginns und eines Abschieds für Marshall Will Kane (Gary Cooper). Indem er Amy (Grace Kelly), eine Quäkerin, heiratet, sagt er auch seiner Tätigkeit als oberster Gesetzeshüter in Hadleyville Lebewohl und zieht sich, wie sein Vorgänger, in ein ruhiges Leben zurück. Jedoch hängt schon bald ein tiefer Schatten über dem Glück der beiden, denn Frank Miller (Ian MacDonald), den Kane einst verhaftete und für dessen Todesstrafe er sich stark machte, ist auf dem Weg nach Hadleyville. Um zwölf Uhr soll sein Zug am Bahnhof eintreffen, und die Mitglieder seiner Gang warten schon begierig auf die Rückkehr ihres Anführers. Gegen den Willen Amys beschließt Kane in der Stadt zu bleiben, da er eine Eskalation der Gewalt fürchtet. In weniger als einer Stunde sucht Kane nun unter den Bürgern der Stadt Mitstreiter für das unvermeidliche Feuergefecht, doch stößt er hierbei auf Ablehnung, Feigheit und Heuchelei. Immer verzweifelter wird die Suche des Marshals und die Zeit arbeitet gegen ihn.
Stadt der Angst
An einem Werk wie Zwölf Uhr mittags kommt man als Filmfan kaum vorbei, gerade wenn man sich für das Genre des Westerns begeistert. Ursprünglich gedacht von Produzent Stanley Kramer als einer Art Metapher für die Werte der UN, hatte Drehbuchautor Carl Foreman ganz andere Themen im Sinn, die ihn vor allem persönlich betrafen. Als ehemaliges Mitglied der kommunistischen Partei sah er sich in naher Zukunft selbst vor dem berüchtigten Komitee für amerikanischen Untriebe aussagen, vor die Wahl gestellt arbeitslos zu sein oder seine Kollegen in der Filmbranche zu verraten. Der aus Österreich stammende Jude Fred Zinnemann sah im Skript Foremans eine bittere Parabel darauf, was passieren kann, wenn man Angst und Unterdrückung gestattet, die Welt zu regieren. Zwar konnte Zinnemann vor den Nazis fliehen, doch viele seiner Freunde und Verwandte kamen in den Todeslagern des Dritten Reiches ums Leben.
Auch so viele Jahre nach seine Uraufführung hat Zinnemanns Film, der unlängst digital restauriert wurde, nichts von seiner Wirkung eingebüßt. In Trumps Amerika und vor dem Hintergrund des zunehmenden Rechtsrucks in unserer Gesellschaft wirkt die Geschichte eines sozialen Zersetzungsprozesses aktuell wie noch nie. In präzise inszenierten 85 Minuten gelingt Foremans Skript sowie Zinnemanns Inszenierung ein Querschnitt durch die Bürger Hadleyvilles, Menschen geprägt von Verlust des eigenen Wohlstands auf der einen Seite und dem offen zur Schau gestellten Hass auf jene Privilegierten. Kanes Aufruf zum Miteinander, zum gemeinsamen Kampf gegen die Bedrohung zieht Aggression, Desinteresse oder Duckmäusertum nach sich.
Dabei sind es noch nicht einmal so sehr die Dialoge, die dem Zuschauer im Gedächtnis bleiben. Viel eindrucksvoller wirkt eher das Bild des einsamen Marshalls, der von Haus zu Haus geht, immer die Kirchturmuhr im Blick, und auf der Suche ist nach Helfern. Floyd Crosbys Kamera sucht hier die Distanz zu dieser Figur, betont die Verlassenheit dieses Charakters innerhalb dieses vielsagenden Schweigens um ihn herum während die Wände der Häuser immer näherzukommen scheinen, diesem Mann die Luft zum Atmen nehmen.
Die Dekonstruktion eines Genres
Bei so viel thematischer Dunkelheit überrascht es kaum, dass Ikonen des Western-Genres gar nicht gut auf Zinnemanns Film zu sprechen waren. Insbesondere Regisseure wie Howard Hawks, der mit Rio Bravo eine optimistischere Alternative zu Zwölf Uhr mittags drehte, sowie Schauspieler John Wayne konnten wenig mit dem Film und Coopers Figur anfangen. Wirklich überraschen wird diese Kritik kaum jemanden, könnte man Zwölf Uhr mittags doch fast schon unterstellen, eine Art Dekonstruktion der Mythen des Westerns zu betreiben. Alleine die Darstellung des Helden als zunehmend verbittert, verzweifelt und von allen verlassen widerspricht dem Heldenbild, wie es gerade Wayne in seinen Filmen propagierte.
Doch gerade dieser Mangel an Heldenhaftigkeit macht Coopers Figur wesentlich bodenständiger und glaubhafter. Dieses Heldenbild, symbolisiert beispielsweise in Lloyd Bridges’ Darstellung des Deputys, entlarvt sich schon bald als reine Pose, während Kane an Werte wie Aufrichtigkeit, Zusammenhalt und Zivilcourage appelliert. Letztlich ist auch der Stern des Marshalls, jener „tin star“, von dem sein Vorgänger immer spricht, bloß eine hohle Geste, steckt doch hinter den Werten von Gesetz und Ordnung auch nur Leere.
OT: High Noon
Land: USA
Jahr: 1952
Regie: Fred Zinnemann
Drehbuch: Carl Foreman
Musik: Dimitri Tiomkin
Kamera: Floyd Crosby
Besetzung: Gary Cooper, Grace Kelly, Lloyd Bridges, Katy Jurado, Lee Van Cleef, Ian MacDonald
Academy Awards | ||
---|---|---|
Bester Film | Nominierung | |
Bester Regisseur | Fred Zinnemann | Nominierung |
Bester Hauptdarsteller | Gary Cooper | Sieg |
Bestes Drehbuch | Carl Foreman | Nominierung |
Bestes Lied | „Do Not Forsake Me, Oh My Darlin'“ | Sieg |
Beste Filmmusik | Dimitri Tiomkin | Sieg |
Bester Schnitt | Elmo Williams, Harry W. Gerstad | Sieg |
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