Früher, da hätte sich keiner getraut, sich mit Boxer (Mario Adorf) anzulegen. Alle hatten sie Respekt vor dem Gangster, der mehr oder weniger sein ganzes Leben hinter Gittern verbracht hat. Umso schlimmer ist es für ihn, als er in ein anderes Gefängnis verlegt wird, das mehr seinem Alter entsprechen soll. Und als wäre das nicht schon demütigend genug, trifft er dort auch noch sein früheres Bandenmitglied Wallberg (Tilo Prückner) wieder. Darauf hätte er ja gut verzichten können. Andererseits, vielleicht ist das gar nicht so schlecht, kann der ihm doch vielleicht bei seinem Ausbruch helfen. Denn da draußen wartet nicht nur Henne (Hermann Beyer), mit dem sie damals richtig viel Kohle geklaut und versteckt haben. Boxer will zudem seine große Liebe wiedersehen und die gemeinsame Tochter, von der er lange nichts wusste …
Die Menschen werden immer älter, die Zuschauer daheim vor den Fernsehern auch. Da ist es irgendwo naheliegend, wenn Filme auch für die Protagonisten zunehmend betagtere Gesellen und Gesellinnen aussuchen. Oft haben solche Werke das Ziel, dem Publikum ein bisschen Bestätigung zu geben, nach dem Motto: Man ist nie zu alt, um von vorne anzufangen! Ob nun Tanz ins Leben, Britt-Marie war hier oder Enkel für Anfänger, immer waren es Senioren und Seniorinnen, die nach einer Krise entdecken, wie schön das Leben sein kann. Eine neue Aktivität, neue Leute, es braucht oft nur ein bisschen Inspiration von außen, um wieder Lebensmut zu fassen.
Was ist nur aus uns geworden?
Alte Bande geht da in eine etwas andere Richtung. Zum einen sieht man es nicht alle Tage, wenn die Hauptfiguren allesamt Verbrecher im Rentenalter sind, die schon gar nicht mehr wissen, was es heißt, außerhalb des Gefängnisses zu leben. Über weite Strecken spielt der Film auch eben dort, bis es einen Tapetenwechsel gibt, dauert es schon eine ganze Weile. Wichtiger noch ist aber, dass hier alle nur mit ihrer Vergangenheit beschäftigt sind. Sie sprechen darüber, wer sie früher einmal waren, was sie wollten, wovon sie geträumt haben. Teils sind ihnen ihre Träume erhalten geblieben, selbst wenn sie nie in Erfüllung gegangen sind. Tatsächlich befasst sich der Film zu einem großen Teil mit dem, was hätte sein können, aber nie geworden ist.
Das ist erstaunlich melancholisch. Im Gegensatz zu den obigen Rentner-Titeln verspricht Alte Bande nicht, dass man mit über siebzig noch einmal alles werden und tun kann. „Manchmal ist der Zug bereits abgefahren“, heißt es hier. Ist das nun Realismus oder Resignation? Darüber lässt sich streiten, ein wirklicher Crowdpleaser sieht anders aus. Tatsächlich ist es jedoch genau dieser Aspekt, durch den sich der Film überhaupt auszeichnet. Ausnahmsweise dürfen Menschen auch mal Konsequenzen erfahren. Müssen lernen, dass es keinen Reset-Knopf gibt, den man nach Belieben bedienen kann. Irgendwann ist das Geld weg, ist die Traumfrau weg, ist das Leben weitergegangen, ohne auf dich zu warten oder sich dafür zu interessieren, dass es dich überhaupt gibt.
Witze, so alt wie die Protagonisten
Während es auf diese Weise den einen oder anderen nachdenklichen bis rührenden Moment gibt, enttäuscht aber der Rest. In erster Linie will Alte Bande eine Komödie sein. Das ist durchaus legitim. Blöd ist nur, wenn ein solcher Film dann gar nicht komisch ist. Der gesamte Abschnitt im Knast ist so zäh und ohne nennenswerte Entwicklung, dass man schon nach Gründen suchen muss, warum man noch vor dem Fernseher bleiben wollte. Mario Adorf ist natürlich ein solcher Grund, als Besetzung für einen alten Macho-Gangster ist er ideal. Aber auch der größte Schauspieler braucht Material, mit dem er arbeiten kann. Und leider ist dieses Material so dünn, als hätte jemand vergessen, dass ein Film normalerweise auch ein Drehbuch voraussetzt.
Sobald es erst einmal raus aus den Mauern geht, wird es etwas besser. Die Krimikomödie, die beim Film Festival Cologne 2019 debütierte, hat schon ihre Momente, wenn die Absurdität der Situation mal gewürdigt wird. Und auch das Ende kann sich sehen lassen. Es ist nur nicht genug, um damit den kompletten Film sehenswert zu machen. So nett sich das alles im Vorfeld angehört hatte, so langweilig ist das Ergebnis. Die Wehmut der Figuren überträgt sich dann auch aufs Publikum, wenn einem dämmert, dass man die Zeit, die man zum Anschauen gebraucht hat, unwiderruflich vorbei ist. Und bei einer solchen Verschwendung darf man schon mal ein Tränchen vergießen.
OT: „Alte Bande“
Land: Deutschland
Jahr: 2019
Regie: Dirk Kummer, Kaspar Heidelbach
Drehbuch: Constantin Lieb, Simon X. Rost
Musik: Dürbeck & Dohmen
Kamera: Andrés Marder
Besetzung: Mario Adorf, Tilo Prückner, Hermann Beyer
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