Wir müssen die Bäume retten! Das ist uns allen klar, wurde uns in den letzten Wochen und Monaten gleich mehrfach vor Augen geführt. Erst waren es die wöchentlichen Fridays for Future Veranstaltungen, die vornehmlich die ältere, etwas träge Generation daran erinnern sollte, dass nach ihnen auch noch Menschen kommen, die ganz gerne eine Erde zur Verfügung hätten. Und gerade als man sich daran gewöhnt hat, wurden weltweit apokalyptische Bilder von Waldbränden übertragen, sei es in Brasilien oder Australien, jeweils mit katastrophalen Folgen für Flora und Fauna. Spätestens da war so ziemlich jedem Vernunftbegabten klar: Wir müssen die Bäume retten!
Nur, wie genau geht das? Die Bevölkerung hat nicht nur eine recht diffuse Vorstellung davon, was eigentlich zu tun ist. Sie hat auch kein rechtes Verständnis dafür, was ein Baum eigentlich ist und wie er funktioniert. Zumindest an dieser Stelle meldet sich Peter Wohlleben gerne zu Wort. Der hat einmal Forstwirtschaft studiert, merkte jedoch schon bald, dass er nicht so wirklich mit deren Überzeugungen übereinstimmte. Das grobe Abholzen von ganzen Flächen, ohne Berücksichtigung von individuellen Bäumen und deren Umgebung, das konnte er ebenso wenig gutheißen wie das genormte Anpflanzen und den Fokus auf schnelle Erträge. Denn ein Wald, das ist mehr als eine Ansammlung einzelner Bäume.
Peter Wohllebens Einführung in die Bäume
Eine ganze Reihe von Büchern hat Wohlleben geschrieben, in denen er seine Gedanken und Thesen festhält, wie Bäume mehr sind, wie sie ein weit verflochtenes System bilden, innerhalb dessen die einzelnen Lebewesen miteinander kommunizieren und sich gegenseitig unterstützten. Bäume sind anders als die Menschen echte Teamplayer, die sich bei wichtigen Entscheidungen – wann treiben wir aus? – miteinander abstimmen, um so die Überlebenschancen aller zu erhöhen. So gibt es Kooperationen bei der Abwehr von Feinden, gerne auch in Zusammenarbeit mit Pilzen, einem weiteren Wesen, das deutlich komplexer ist, als es viele ahnen.
Die Kunst von Wohlleben ist es, all diese Thesen so verpacken zu können, dass sie alle verstehen, nicht nur Politiker und Wissenschaftler, sondern die Menschen da draußen. Die dankten ihm das, indem sie sein Buch Das geheime Leben der Bäume zu einem Bestseller machten. Warum ausgerechnet dieses so erfolgreich war, nicht die ganzen vorangegangenen von ihm, darüber lässt sich nur spekulieren. Vielleicht war das Marketingteam besser. Dieses hatte sicher auch bei der Filmversion ein Wörtchen mitzureden und tat deshalb alles dafür, damit ihr Protagonist möglichst gut dasteht. Immer wieder finden sich Leute, die ein lobendes Wort für ihn übrig haben. Dass es Kritiker gibt, wird zwar nicht verschwiegen, vor die Kamera tritt aber keiner. Stattdessen, so wird impliziert, sind diese Teil eines Systems, das sich nur für den wirtschaftlichen Aspekt von Wäldern interessiert, nicht für den langfristigen Fortbestand.
Kein Platz für Kritik
Eine tatsächliche Auseinandersetzung mit dem Thema Wald gibt es bei Das geheime Leben der Bäume daher nicht, es fehlt die notwendige kritische Distanz und der Wille, auch mal etwas von dem zu hinterfragen, was Wohlleben da sagt. Der Dokumentarfilm ist vergleichbar zu den Büchern vielmehr darauf aus, ein möglichst breites Publikum anzusprechen und sie für die eigene Sache zu gewinnen. Die Chancen, dass der Plan aufgeht, stehen nicht schlecht, zusammen mit dem erfahrenen Dokumentarfilmer Jan Haft (Die Wiese – Ein Paradies nebenan, Magie der Moore) entstanden so viele schöne Bilder, dass man selbst sofort rausfahren wollte zum Wald, um die Wunder der Natur aus nächster Nähe zu begutachten. Dazu gibt es eine nicht unbedingt zurückhaltende Musik, die dem Letzten klarmacht, worauf es nun wirklich ankommt.
Das kann man natürlich alles kritisieren, sowohl aus journalistischer wie auch wissenschaftlicher Sicht. Beeindruckend und schön anzusehen ist Das geheime Leben der Bäume aber zweifelsfrei. Und auch wenn die PR-Tendenzen dieses Dokumentarfilms nicht zu leugnen sind, so unterhält er doch gut und schafft zumindest ein Bewusstsein dafür, dass man sich doch mehr mit dem Thema auseinandersetzen sollte. Dass man vielleicht auch den eigenen Konsum ein wenig hinterfragt, der Bäume und deren Erzeugnisse als viel zu selbstverständlich nimmt.
OT: „Das geheime Leben der Bäume“
Land: Deutschland
Jahr: 2020
Regie: Jörg Adolph, Jan Haft
Musik: Franziska Henke
Kamera: Daniel Schönauer
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