Angst? Klar hat Noah Ferris (Jace Chapman) die. Es gibt so ziemlich nichts, wovor der 11-Jährige keine Angst hat, sobald es auch nur irgendwie mit anderen Menschen zu tun hat. Schon der Besuch der Schule wird für ihn zu einer großen Herausforderung. Um ihn bei seinen Panikattacken und Ängsten zu helfen, besorgen seine Eltern (Larisa Oleynik, Tom Everett Scott) ihm den Therapiehund Dude, der ihn an die Schule begleitet. Dummerweise hat der aber einen ganz eigenen Kopf, was Noah erst recht in schwierige Situationen bringt. Glücklicherweise gibt es jedoch noch Simon (Mauricio Lara) und Amara (Sophie Kim), denen er an der Schule begegnet und die bald zu wichtigen Freunden werden …
Zuletzt gab es im Kino eine ganze Reihe von Filmen zu sehen, in denen irgendwo ein Hund ganz vorne mitmischte. Ob nun Enzo und die wundersame Welt der Menschen oder Bailey – Ein Hund kehrt zurück, die besondere Beziehung zwischen den Zweibeinern und dem besten Freund lässt sich immer wieder verwenden, um irgendwie die Herzen des Publikums zu rühren. Zumindest auf den ersten Blick scheint auch die Netflix-Serie Die heilende Kraft von Dude darauf abzuzielen, wenn ein Therapiehund auf einen Jungen trifft, für den schon der bloße Anblick anderer Menschen für Panikattacken gut ist. Denn dass Dude irgendwie dabei hilft, Noah von seinen Ängsten zu befreien, das steht völlig außer Frage.
Komische Version von Angststörungen
Das Ergebnis ist dann aber doch ein wenig anders als erwartet. Zunächst haben die Tränendrüsen hier ausgesprochen wenig zu tun. Auch wenn es immer mal wieder dramatische Momente gibt, die von Erica Spates und Sam Littenberg-Weisberg entwickelte Serie zieht einen heiteren, lockeren Ton vor. Wenn Noah beispielsweise in eine der gefürchteten Situationen gerät, dann greift Die heilende Kraft von Dude auf ausgesprochen surreale Bilder und Einfälle zurück, um diese Ängste zu visualisieren. Mobbende Mitschüler verwandeln sich da schon mal in böse Kreaturen. An einer anderen Stelle wird die Sache mit dem im Erdboden zu versinken auf einmal ganz wörtlich.
Den größten Humor-Anteil bekommt aber Dude, dessen Gedankenwelt immer wieder durch ein Voice over mit dem Publikum geteilt wird. Sonderlich komplex ist diese nicht, fast immer denkt er irgendwie über essen nach oder kann mit der Welt drumherum nicht wirklich was anfangen. Leider sind genau diese Passagen die schwächsten der Serie. Es mangelt Die heilende Kraft von Dude an den Stellen an Abwechslung, sonderlich witzig sind diese Comic Reliefs auch nicht. Tatsächlich wäre die Geschichte ohne Dude nicht nur möglich gewesen, trotz des Titels, sondern sogar besser. Die Chancen, eine andere Perspektive auf die Ereignisse zu liefern, wird nicht ergriffen. Der Hund ist einfach nur immer irgendwie dabei, bekommt eine Bedeutung zugesprochen, die sich aus dem Geschehen heraus kaum ergibt.
Ein rührender Einsatz für Außenseiter
Das ist auch deshalb schade, weil die Serie an und für sich genug zu erzählen hat. Da wäre beispielsweise der große Einsatz für Leute, die irgendwie anders sind. Ein Junge mit Angststörungen freundet sich mit einem farbigen, übergewichtigen Jungen und einer Asiatin im Rollstuhl an – also alles Figuren, die im wahren Leben mit Ausgrenzung rechnen müssten. Wenn diese drei Außenseiter sich finden und sich gegenseitig Halt geben, dann ist das natürlich schön, irgendwie rührend, ein Plädoyer, andere Menschen so zu nehmen, wie sie sind. Weniger schön ist, dass Simon aus irgendeinem Grund als wahnsinnig nervende Person angelegt wurde, die sich im Laufe der acht Folgen auch nicht nennenswert ändert.
Allgemein scheint sich das Drehbuchteam nicht immer ganz sicher gewesen zu sein, in welche Richtung sich die Geschichte weiterentwickeln soll. Da werden neue Handlungsstränge angefangen, die es gar nicht gebraucht hätte, andere Ideen werden hingegen zu wenig verfolgt. So als wollte man alles einmal versucht haben. Aber die guten Einfälle überwiegen in der Summe dann schon. Wenn sich Noah beispielsweise in jeder Folge einer neuen Herausforderung stellen muss, die ihn Schritt für Schritt näher zu einem normalen Leben führt, dann ist das unterhaltsam, erzählt gleichzeitig einfühlsam aus den Augen eines Kindes, das sich erst noch finden muss. Die Grundlagen für eine tolle Serie sind also gegeben, die man sich auch außerhalb der jungen Zielgruppe anschauen kann. Das bräuchte nur insgesamt mehr Feinschliff.
OT: „The Healing Powers of Dude“
Land: USA
Jahr: 2020
Regie: Richie Keen, Yulin Kuang, Steven K. Tsuchida
Drehbuch: Erica Spates, Sam Littenberg-Weisberg, Rick Singer, Angeli Millan
Idee: Erica Spates, Sam Littenberg-Weisberg
Musik: Michael Kramer
Kamera: Jay Hunter
Besetzung: Jace Chapman, Mauricio Lara, Sophie Kim, Larisa Oleynik, Tom Everett Scott, Laurel Emory
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