Eigentlich hatte sich Vlad (Aaron Kissov) ja schon auf seinen großen Tag gefreut. Endlich dürfte der 13-Jährige seiner Bestimmung nachkommen und ein Vampir sein! Dafür ist er auch mit seinem Vater Barnabas (Rick Kavanian) nach Crailsfelden gezogen, ein Ort voller magischer Wesen, wo er die Penner-Akademie besuchen soll. Doch schon die Einführung geht mächtig schief, als er feststellt, dass er kein Blut sehen kann. Wenigstens ist er nicht der einzige mit einem peinlichen Auftritt: Die Fee Faye (Johanna Schraml) leidet unter Flugangst und Werwolf Wolf (Arsseni Bultmann) hat eine Tierhaarallergie. Derweil hat sein Vater ganz andere Sorgen, muss er doch in Windeseile richtig viel Geld auftreiben, um Gebühren bezahlen zu können. Dabei ahnt er nicht: Bürgermeister Louis Ziffer (Christian Berkel) und seine Sekretärin Frau Circemeyer (Sonja Gerhardt) verfolgen ein ganz eigenes Ziel …
Fantasy-Filme auf der großen Leinwand sind eine richtige Seltenheit geworden. Natürlich hat es eine Reihe beeindruckender Hits in den letzten zwei Jahrzehnten gegeben, von Herr der Ringe über Harry Potter bis zu Twilight. Doch deren Popularität basierte immer auf den zugrundeliegenden Romanen, einen wirklichen Run auf dieses Genre haben sie nicht ausgelöst. Insofern ist es natürlich schön, wenn dann doch mal wieder ein Vertreter sein Glück versucht. Umso mehr, wenn dieser aus Deutschland kommt, das nun nicht unbedingt als fantasievoller Filmschauplatz bekannt ist. Zu groß ist die Skepsis des heimischen Publikums gegenüber Eigenproduktionen, zu gering das Budget.
Alte unheimliche Bekannte
Die Wolf-Gäng versucht dies mit einem Verweis auf die eigene Grundlage zu umgehen, denn mal wieder stand am Anfang ein Buch. Die ganz großen Verkaufsschlager waren die 2007/2008 veröffentlichten Bände eher nicht, zumal der Film auch nur Teile aus ihnen verwendet. Dafür stammen sie von Wolfgang Hohlbein, der immerhin zu den erfolgreichsten – und produktivsten – Autoren Deutschlands zählt. Das kann man fürs Marketing gut gebrauchen. Der für Fantasy- und Horrorgeschichten bekannte Schriftsteller schnappte sich für diesen Mini-Zyklus zudem Wesen, die jeder kennt: Vampire und Werwölfe, Feen und Hexen. Auch Mumien und sonstige beliebte Halloween-Verkleidungen laufen auf den Straßen von Crailsfelden herum.
Die grundsätzliche Idee ist natürlich witzig. Ein Vampir, der klein Blut sehen kann, eine Fee mit Flugangst, ein Werwolf mit Tierhaarallergie – wenn das mal nicht für eine gehörige Portion Selbstzweifel sorgt! Wobei Die Wolf-Gäng das relativ selten zu komischen Zwecken nutzt. Wichtiger ist es hier, wie drei Außenseiter über sich hinauswachsen und gemeinsam alle anderen retten. Das ist klassisches Material für Kinder- bzw. Jugendfilme. An solche richtet sich die Adaption auch, wenn diese Coming-of-Age-Elemente mit Abenteuer verbindet. Ein bisschen Identifikationsfläche für die Zielgruppe, dazu ein paar Fallen und Gefahren, die überwunden werden müssen, fertig ist der Mix.
Doppelte Außenseiter
Interessant ist dabei vor allem der Aspekt der Außenseiter. Die Schule bzw. das Dorf liegen fernab der Zivilisation, können von Normalsterblichen gar nicht gefunden werden. Innerhalb dieser Gemeinschaft nicht dazu zu gehören, das ist natürlich bitter. Die Wolf-Gäng ist deshalb zugleich immer das Plädoyer, offen für andere zu sein. Das mit der Selbstakzeptanz kommt hingegen etwas kurz, da alle drei Besonderheiten – Blutübelkeit, Flugangst, Tierhaarallergie – als eindeutige Makel gekennzeichnet sind, die ausgemerzt werden müssen. Da wäre ein stärkeres Bekenntnis zur Andersartigkeit schön gewesen, die hier so zu einem vorübergehenden Stadium reduziert wird.
Ansonsten ist Die Wolf-Gäng aber ein sympathischer Film. Natürlich spielt das hier visuell nicht in derselben Liga wie Harry Potter, das wäre hierzulande kaum möglich, trotz der technischen Fortschritte seit dem Ende der Saga, was Effekte erschwinglicher macht. Hier ist noch viel in Handarbeit geschafft, was dem Abenteuer ein leicht altmodisches Flair verleiht – gerade auch in dem Dorf an sich. Aber das ist eigentlich ganz angenehm, lediglich das eher unspektakuläre Finale hätte etwas größer ausfallen können, das musste bestimmt auch der Einschränkungen wegen recht schnell gehen. Allgemein wäre vielleicht eine Serie das bessere Format gewesen, um so mehr Zeit für alles zu haben. Die Einführung der Welt plus Hintergrundgeschichte, die Vorstellung der Figuren, dazu noch ein Abenteuer, das über das Schicksal aller entscheidet? Das ist ein bisschen viel für anderthalb Stunden. Aber vielleicht klappt es ja mit einer Fortsetzung, die dann auf allem aufbaut und den Luxus hat, die einzelnen Aspekte noch weiter vertiefen zu können.
OT: „Die Wolf-Gäng“
Land: Deutschland
Jahr: 2019
Regie: Tim Trageser
Drehbuch: Marc Hillefeld
Vorlage: Wolfgang Hohlbein
Musik: Andreas Weidinger
Kamera: Felix Poplawsky
Besetzung: Aaron Kissiov, Johanna Schraml, Arsseni Bultmann, Rick Kavanian, Christian Berkel, Sonja Gerhardt, Axel Stein
Interview mit Regisseur Tim Trageser zu Die Wolf-Gäng
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