Als Baru (Tom Van Dyck) im Jahr 1747 seine neue Stelle in der flämischen Stadt Aalst antritt, dann mit dem Ziel, dort für Gerechtigkeit zu sorgen. Aber das ist leichter gesagt denn getan. Nicht nur, dass der Bürgermeister selbst völlig korrupt ist und das Gesetz immer zu seinem eigenen Vorteil auslegt. Im Wald soll zudem eine Banditenbande ihr Unwesen treiben. Angeführt wird diese von Jan de Lichte (Matteo Simoni), der bis vor Kurzem noch für die österreichische Armee kämpfte. Jetzt gilt sein Kampf jedoch den Reichen der Gegend. Regelmäßig rauben er und seine Männer diese aus, um auf diese Weise für die Schwachen und Ausgestoßenen zu sorgen, die im Wald Zuflucht gefunden haben, weil sie sonst nirgends mehr hin können …
Robin Hood? Klar, den kennt jeder. Schließlich war der Held vieler Bücher, Serien und Filme, zuletzt in dem wenig heldenhaften Robin Hood von 2018. Dabei ist bis heute unklar, ob es ihn je gegeben hat, ob es ein historisches Vorbild gab oder er doch nur das Ergebnis von Geschichtenerzählern ist. Jan de Licht hingen war real, lebte ähnlich zu dem berühmten Kollegen aus England im Wald, wo er mit seiner Bande die Vermögenden erleichterte, um deren Schätze unter den Armen zu verteilen. So zumindest interpretierte ihn der belgische Autor Louis Paul Boon in seinem Roman aus dem Jahr 1957.
Reise in die Vergangenheit
Wer diesen nicht kennt oder auch von de Lichte noch nie etwas gehört hat, der darf das nun ändern, denn zum Jahreswechsel nahm Netflix die Serie Jan de Lichte und seine Bande ins Programm. Allzu viel geschichtliche Nachhilfe sollte man sich hiervon jedoch nicht versprechen. Die Macher der Serie gingen offensichtlich davon aus, dass man mit den historischen Kontexten vertraut ist. Dass es Belgien seinerzeit in der Form nicht gab, sondern vielmehr Teil der Österreichischen Niederlande war, bevor dann irgendwann die Franzosen einfielen. Ein turbulentes Umfeld also, das in der Serie aber nur vereinzelt mal angesprochen wird.
Das ist einerseits schade, da dieser Teil der europäischen Geschichte nur selten thematisiert wird. Andererseits geht es in Jan de Lichte und seine Bande ohnehin in erster Linie um den Kampf zwischen gut und böse. Und das funktioniert auch ohne Kontexte, seien sie jetzt geografisch oder historisch. Tatsächlich ist viel von dem, was hier geschieht – sieht man einmal von der Ausstattung ab – ausgesprochen zeitlos. Korrupte Eliten, eine wachsende Schere zwischen arm und reich, die Verzweiflung der einfachen Leute, das hat immer Konjunktur. Die Serie tut dann auch eine Menge dafür, dass man für die Verbrecher Partei ergreift. Denn wenn die Behörden nicht für Gerechtigkeit sorgen, machen wir es eben selbst. Außerdem wurde die Bande mit gutaussehenden Menschen besetzt, die Gegenseite weniger, eine immer wieder beliebte Form der Manipulation.
Ich mag die nicht …
Funktioniert das? Zum Teil. Die Reichen und Mächtigen sind in Jan de Lichte und seine Bande so abstoßend dargestellt, dass man schon aus Prinzip gegen sie sein muss und sich auf die Seite der Banditen schlägt. Gleichzeitig ist das aber natürlich schon ein bisschen langweilig, wie sehr mit Schwarz und Weiß gemalt wird, die moralische Komponente der Selbstjustiz-Räuber kaum angesprochen wird. Die interessanteste Figur ist daher die des Baru, der durchaus für Gerechtigkeit sorgen will, ohne aber auf die Mittel von Jan de Lichte zurückgreifen zu wollen. Während sich an den beiden Enden der Figurenskala nicht viel tut, ist es spannend mitanzusehen, wie hilflos Baru dazwischen gefangen ist – und wie sehr er sich im Laufe der zehn Folgen verändert.
Ansonsten ist die Spannungskurve eher überschaubar. Zu Auseinandersetzungen kommt es zwar ständig, die komplette Staffel besteht in erster Linie aus den Konflikten zwischen beiden Seiten, angereichert durch ein paar Nebenhandlungen. Es sind nur keine besonders interessanten Konflikte, da wiederholt sich schon sehr viel. Außerdem ist Jan de Lichte und seine Bande ein bisschen zu sehr darum bemüht, düster und dramatisch zu sein: Ob es nun das Fehlen jeglicher Farben ist oder die aufdringliche Musik, das ist schon recht plump umgesetzt. Da vergleichbare Mantel-und-Degen-Produktionen heute Seltenheitswert haben, kann man als Fan solcher Titel sicher einen Blick riskieren. Trotz des interessanten historischen Settings fehlt der Serie aber etwas, um aus Jan de Lichte eine Figur zu machen, die man unbedingt kennen müsste.
OT: „De Bende van Jan de Lichte“
IT: „The Flemish Bandits“, „Thieves of the Wood“
Land: Belgien
Jahr: 2020
Regie: Maarten Moerkerke, Robin Pront, Pieter Van Hees
Drehbuch: Christophe Dirickx, Benjamin Sprengers
Vorlage: Louis Paul Boon
Musik: Michelino Bisceglia, Hans Mullens
Kamera: Dries Delputte, Konrad Widelski
Besetzung: Matteo Simoni, Tom Van Dyck, Stef Aerts, Anne-Laure Vandeputte, Jeroen Perceval, Charlotte Timmers
https://www.youtube.com/watch?v=mgSiUOp4-3g
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