Immer wieder hört die 16-jährige Maya (Lilia Herrmann), dass es ihr gut gehe. Rein äußerlich stimmt dies auch, geht sie doch auf eine gute Schule, kommt aus einem guten Elternhaus und kann sich vieles leisten. Doch während ihre besten Freundinnen mit ihr konkurrieren, wer die meisten Kilometer gelaufen ist und damit mehr für seine Fitness getan hat, umgibt Maya eine tief sitzende Traurigkeit, die sie oft in ein Online-Forum treibt, in welchem sie ihre Gedanken über den Tod teilt. Sie hat schon feste Pläne, wie sie ihr Leben beenden will, hat sich aber bislang noch nicht viel mehr getraut, als ein paar Botschaften per Handy aufzunehmen, die von den eifrigen Usern des Forums fleißig kommentiert werden. Als ihre Eltern sie auf einen Kurzurlaub nach Prag mitnehmen, beschließt Maya, dass nun der richtige Zeitpunkt gekommen ist. Während ihre Eltern die Sehenswürdigkeiten der tschechischen Hauptstadt besuchen, besorgt sich Maya über eine Zufallsbekanntschaft eine paar Tabletten. Doch der Dealer (Konstantin Gries) glaubt nicht so recht, dass die junge Frau ihren Plan ernst meint und versucht sie fürs Leben zu begeistern. Jedoch kehrt Maya immer wieder zu ihren dunklen Gedanken zurück.
Beinahe verschwinden
Die im Allgäu geborene Regisseurin Terese Hörl wirkte bereits an mehreren Kurz- und Spielfilmen während ihres Studiums an der Hochschule für Fernsehen und Film in München mit. In ihren Filmen befasst sich Hörl mit der Familie als Spiegel der Gesellschaft, wie beispielsweise in dem 2017 entstandenen Familienzuwachs, in welchem sie die Flüchtlingskrise aufgreift und welche gesellschaftlichen Veränderungen mit ihr einhergehen. Ihre Filme liefen (und laufen) auf zahlreichen nationalen und internationalen Festivals, so ist Nothing More Perfect derzeit noch im Wettbewerb des renommierten Max Ophüls Film Festivals vertreten.
Im Zentrum von Nothing More Perfect steht die Ich-Sucht der Jugend sowie ihre fatalen Konsequenzen. Auf visueller Ebene arbeitet Hörl zusammen mit Kameramann Johannes Brugger mit einem Wechsel zwischen Filmaufnahmen und Handyvideos, welche die Darsteller in ihren Rollen selbst aufzeichnen. Dies gibt ihrem Film eine eine gewisse Authentizität und führt zum anderen es stets auf die Obsession mit dem eigenen Ich zurück, was in der Gesellschaft, in der sich die Hauptfigur befindet, zelebriert wird. Gefühle oder Leistungen, beispielsweise wie viele Kilometer man am Morgen gejoggt ist, gelten nicht als solche, solange sie nicht im ewig hungrigen Strudel der sozialen Medien „gelikt“ und am besten noch kommentiert werden. Selbst die Tiefe der Emotionen wird Ereignissen abgesprochen, die sogleich als „fake“ deklariert werden.
Davon ausgehend wirkt die Vorstellung Maya im Vakuum zu verschwinden naturgemäß wie der ideale Tod. In diesem löscht sich das „Ich“ auf, kann nicht mehr zusammengesetzt werden und ist fortan kein Bestandteil der digitalen Welt mehr. Lediglich die aufgezeichneten Botschaften bleiben sind diese doch sozusagen die Proben vor dem Ereignis, welches für einen Moment die ganze Aufmerksamkeit auf das eigene Ich zieht.
Selbst-Bild
Neben diesen Aspekten zeigt Hörl die verschiedenen Konzepte der Aufmerksamkeit und des Jung-Seins, vor allem im Zusammenspiel der Hauptfigur mit ihren Eltern. Abgesehen von der obligatorischen Peinlichkeit, die ein Urlaub mit den Eltern, gerade solchen, die sich noch betont jung geben, steht immer wieder diese Kluft zwischen ihnen, eine Kommunikations- oder Sprachlosigkeit vor dem anderen, den man nicht begreift oder dem man sich nicht nähern kann. In kleinen Momenten bemerkt man, wie Maya diese Erfahrung der Tiefe, die ihre Eltern dem Anschein nach erleben, für sich selbst zu erfahren, aber immer wieder scheitert.
OT: „Nothing More Perfect“
Land: Deutschland
Jahr: 2020
Regie: Teresa Hörl
Drehbuch: Teresa Hörl
Musik: Matthia Hauck, Nepomuk Heller
Kamera: Johannes Brugger
Besetzung: Lilia Herrman, Mira Partecke, Thorsten Merten, Konstantin Gries
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