Im Brasilien der nahen Zukunft gehört Privatsphäre der Vergangenheit an. Die Menschen werden rund um die Uhr von kleinen Mini-Drohnen begleitet, die alles festhalten, was sie tun. Das lässt nicht viel Raum für Freiheit. Dafür sind Verbrechen praktisch ausgestorben, denn wer ständig überwacht wird, hat überhaupt keine Möglichkeit mehr, kriminellen Tätigkeiten nachzugehen. Umso schockierter sind Nina (Carla Salle) und Dani (Guilherme Prates), als sie eines Abends nach Hause kommen und die Leiche ihres Vaters entdecken. Schnell kommen sie zu dem Schluss, dass jemand ihn ermordet haben muss. Aber weshalb? Und vor allem: wie? Da von offizieller Seite alles vertuscht werden soll, um den guten Ruf zu bewahren, macht sich Nina auf den Weg, das Rätsel alleine zu lösen – wofür auch sie nun Gesetze brechen muss …
Sicher in die Unfreiheit
Es ist eines der bedeutendsten Streitthemen, welche die Gesellschaften von heute umtreibt: Wie viel Freiheit gebe ich auf, um dafür mehr Sicherheit zu haben? Schon jetzt werden viele öffentliche Plätze per Kamera überwacht, von Flughäfen und anderen sensiblen Orten ganz zu schweigen. Aber an der Stelle ist noch nicht Schluss, über weitere Ausdehnungen dieser Überwachung wird immer wieder diskutiert, vor allem nach Anschlägen oder anderen Verbrechen. Entsprechend oft nehmen deshalb heute Filme und Serien diese Thematik auf, zeigen dem Publikum eine Zukunft, in der die Möglichkeiten der Kontrolle noch deutlich umfassender sind. Klar, solche Werke hat es immer schon gegeben, darunter den Prototyp der dystopischen Überwachung 1984. Während dort die Einteilung in gut und böse aber recht leicht fällt, spielen neuere Werke wie Psycho-Pass und Anon mit einer gewissen Ambivalenz.
Das ist bei Omnipräsenz ganz ähnlich, einer neuen brasilianischen Science-Fiction-Serie, die per Netflix den Weg zu uns gefunden hat. Auf der einen Seite erscheint es doch sehr unheimlich, die ganze Zeit von insektenähnlichen Drohnen verfolgt zu werden, die alles registrieren, was wir tun. Andererseits gibt es kaum jemanden, der tatsächlich darunter leidet, man hat sich ganz gut damit arrangiert, niemand wird verfolgt. Es gibt auch keine wirklichen Bösewichter, wie wir das aus vergleichbaren Produktionen kennen. Und wenn es praktisch keine Verbrechen mehr gibt, vor allem keine kapitaler Art wie etwa Morde, dann ist das ein Vorteil, den man nicht so leicht beiseite wischen kann.
Viele Wege führen ins Nichts
Nur ist es das auch wert? Auf diese Diskussion lässt sich Omnipräsenz nicht wirklich ein. Stattdessen wagt die Serie eine ungewöhnliche Gratwanderung. Einerseits ist sie klassischer Krimi, wenn unsere Heldin wider Willen den Mord ihres Vaters klären will. Doch so wirklich konsequent verfolgt wird diese Genrerichtung nicht. Oftmals ist die Geschichte mehr damit beschäftigt, die Welt als solche zu zeigen, mit einem großen Schwerpunkt auf Nina. Denn auch wenn sie sich nur zum Teil mit der Freiheit-Sicherheit-Problematik auseinandersetzt, muss sie sich doch zumindest fragen, ob sie zur Verbrecherin werden will, um ein anderes Verbrechen zu klären. Das ist auch einer der spannenderen Aspekte der Brasilianer: Wie geht ein Mensch, der immer Regeln befolgt hat und dem Kriminalität völlig fremd ist, damit um, etwas Kriminelles zu tun?
Leider geht das Ganze aber nicht wirklich in die Tiefe. Stattdessen versucht Omnipräsenz, irgendwie alles mal zu sein. Mal überwiegen die Science-Fiction-Elemente, dann geht die Mördersuche weiter, nur damit auch mal die Figuren im Mittelpunkt stehen. Die einzelnen Bestandteile sind dabei interessant, hätten eigentlich viel Potenzial. Am Ende ist das aber irgendwie alles nicht genug, wer zu viele Wege gleichzeitig verfolgt, der kommt nun einmal nicht recht vom Fleck. Während der Inhalt dadurch nie so packend wird, wie man sich das angesichts des Szenarios erhoffen durfte – trotz gelegentlicher Spionage-Aktivitäten –, ist die visuelle Umsetzung kontinuierlich geglückt. Auffällig ist dabei vor allem die Farbgebung: Anders als bei den meisten dystopischen Werken, wo dunkle Töne wie blau und schwarz dominieren, da setzte das Team hier viel auf rot, manchmal etwas gelb. Das ist sehr stylisch, ergibt zusammen mit den Retroklängen ein stimmungsvolles Ambiente, welches dabei hilft, diese Zukunftsvision von anderen zu unterscheiden.
OT: „Onisciente“
IT: „Omniscient“
Land: Brasilien
Jahr: 2020
Regie: Júlia Jordão, Isabel Valiante
Drehbuch: Pedro Aguilera, Guilherme Freitas, Thais Fujinaga, Ludmila Naves, Maria Shu
Idee: Pedro Aguilera
Besetzung: Carla Salle, Sandra Corveloni, Jonathan Haagensen, Guilherme Prates
(Anzeige)