Pflicht Schande Giri Haji Netflix
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Pflicht/Schande – Staffel 1

Kritik

Pflicht Schande Giri Haji Netflix
„Pflicht/Schande – Staffel 1“ // Deutschland-Start: 10. Januar 2020 (Netflix)

Die Nachricht kommt für Kenzo Mori (Takehiro Hira) ziemlich schockierend: Sein Bruder Yuto (Yōsuke Kubozuka), der den Neffen eines Yakuza-Mitglieds ermordet haben soll und von dem ausging, dass er tot ist, soll quicklebendig sein und sich irgendwo in London herumtreiben. Also macht er sich auf den Weg vom heimischen Tokio bis ins ferne England, auf der Suche nach ihm und nach Antworten. Dabei kreuzt sich sein Weg nicht nur mit der Polizistin Sarah Weitzmann (Kelly Macdonald), sondern auch mit dem britisch-japanischen Callboy Rodney Yamaguchi (Will Sharpe) und der Londoner Unterwelt, die ebenfalls ganz gerne wüsste, wo dieser Yuto abgeblieben ist …

An Serien mangelt es auf Netflix bekanntlich nicht, allein schon die zahlreichen Eigenproduktionen reichen aus, damit man den lieben langen Tag nichts anderes macht, als vor der Glotze zu hocken. Dabei waren in der letzten Zeit vor allem die Kooperationen mit europäischen Fernsehsendern, die erstaunlich stimmige Ergebnisse mit sich brachten. Von Arte stammen die Science-Fiction-Serie Ad Vitam: In alle Ewigkeit und das Mystery-Drama Es war einmal ein zweites Mal. Mit der BBC einigte man sich wiederum auf die eigenwillige Horror-Interpretation Dracula und jetzt eben auch Pflicht/Schande, eine ebenso ungewöhnliche Version einer Krimisaga.

Japan-Import made in Britain
Wobei es bei Pflicht/Schande auf den ersten Blick nicht ersichtlich ist, dass hier tatsächlich Briten das Sagen hatten. Denn bis bei der Serie, die im Original den Titel Giri/Haji trägt, das erste Mal Englisch gesprochen wird, vergeht schon eine Weile, da erst einmal in Japan viel vorbereitet werden muss – in der Muttersprache. Und selbst als Kenzo dann mal in London ankommt, wird immer wieder zur fernöstlichen Sprache gewechselt, sei es weil wir eine der diversen Parallelhandlungen in Japan verfolgen oder weil sich der Polizist mit Landsleuten austauscht. Dieser Sprachwechsel wird auch in der deutsch synchronisierten Fassung beibehalten, was einerseits die Nebenher-Seher-Fraktion stören wird und die Idee einer Synchronisierung ad absurdum führt.

Andererseits ist es äußerst passend, denn in Pflicht/Schande geht es oft eben um die Begegnung mit dem Fremden. Zahlreiche Szenen, in denen von einer Sprache zur anderen gewechselt wird und immer jemand außen vorbleibt, würden in einer gleichförmigen deutschen Fassung nicht funktionieren. Am besten sollte man daher gleich ganz zum Original wechseln und dafür Untertitel in Kauf nehmen, auf diese Weise entwickelt sich die Atmosphäre am besten. Zumal der Kontrast der Kulturen sich auch im Inhalt widerspiegelt, etwa wenn der Londoner Gangsterboss Connor Abbot (Charlie Creed-Miles) darum kämpft, irgendwie bei den Yakuza Fuß zu fassen. Wer sich für derartige Krimigeschichten erwärmen kann, für den ist das hier fast schon ein Muss. Britische Unterwelt und traditionelle Yakuzas in einer Geschichte? Das hat Seltenheitswert.

Zwei Länder, viele Schicksale
Wobei Pflicht/Schande auch sehr viel Wert auf die Figuren legt. Im Mittelpunkt steht nämlich nicht der Kampf zwischen den Yakuza-Clans oder den englisch-japanischen Reibungen. Der wichtigste Aspekt ist vielmehr das komplizierte Verhältnis der beiden Brüder, die auf verschiedenen Seiten des Gesetzes gelandet sind. Damit hat natürlich vor allem Kenzo zu kämpfen, der gleichzeitig Polizist und Familienmitglied ist und immer mit dieser Kluft hadert. Aber auch die Nebenfiguren haben ihre interessanten Geschichten, sei es Sarah, die ihren korrupten Exfreund-Polizist ins Gefängnis gebracht hat und seither von allen gemieden wird, Callboy Rodney, der sich hinter Sarkasmus versteckt, oder Kenzos Tochter Taki (Aoi Okuyama), die auf ihre Weise den japanischen Traditionen entkommen will.

Das ist dann alles vielleicht nicht ganz neu, aber doch gut umgesetzt und erhält durch die kulturelle Komponente noch ein bisschen Eigenleben. Zudem ist Pflicht/Schande ausgesprochen stylisch, hat in beiden Ländern so viel fürs Auge zu bieten, dass man manchmal gar nicht weiß, wo man hinschauen soll. Das kann manchmal etwas selbstverliebt sein, darunter eine recht bizarre Szene gegen Schluss, bei der dann so endgültig auf naturalistische Darstellungen verzichtet wird. Außerdem bedeutet das große Ensemble und die sich wild verzweigenden Handlungsstränge, dass es manchmal etwas langsam vorangeht. Dennoch ist der Mix aus Krimi und Drama mehr als nur einen Blick wert und lässt auf weitere Sender-Kooperationen hoffen.

Credits

OT: „Giri/Haji“
Land: UK
Jahr: 2019
Regie: Ben Chessell, Julian Farino
Drehbuch: Joe Barton
Musik: Adrian Johnston
Kamera: Piers McGrail, David Odd
Besetzung: Takehiro Hira, Kelly Macdonald, Yōsuke Kubozuka, Will Sharpe, Aoi Okuyama, Masahiro Motoki, Charlie Creed-Miles, Justin Long, Sophia Brown

Bilder

Trailer



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„Pflicht/Schande“ erzählt von einem japanischen Polizisten, der nach England reist, um dort seinen kriminellen Bruder zu finden, den er für tot hielt. Die Serie arbeitet viel mit kulturellen und anderen Kontrasten und legt dabei großen Wert auf die Figuren. Zudem verwöhnen die Bilder das Auge, während die Geschichte manchmal etwas ausufert.
7
von 10