A Certain Kind of Silence

A Certain Kind of Silence

Kritik

A Certain Kind of Silence
„A Certain Kind of Silence“ // Deutschland-Start: nicht angekündigt

Nach langem Warten hat Míša (Eliška Křenková) eine Stelle als Au-Pair-Mädchen bei einer sehr wohlhabenden Familie gefunden und kann damit endlich einmal für einige Zeit raus aus der tschechischen Heimat. Doch ihr Willkommen bei der Familie ist alles andere als herzlich, denn Sebastian (Jacob Jutte), der Junge, um den sie sich kümmern soll, lässt all ihre Annäherungsversuche abblitzen, ist wortkarg und zieht sich lieber in sein Zimmer zurück. Seine Eltern sind nicht viel anders und empfangen Míša, die von der Mutter (Monic Hendrickx) kurzerhand in „Mia“ umgetauft wird, mit einer Litanei von Regeln, die sie zu befolgen hat, sollte sie das Beschäftigungsverhältnis aufrechterhalten wollen. Über allem wacht der Vater (Roeland Fernhout) mit geduldiger, bestimmender Hand, die keinen Widerspruch duldet. Da Míša unbedingt ihre Stelle behalten will, macht sie das alles mit und nimmt in Kauf, dass Sebastians Eltern immer mehr Kontrolle auch über ihr eigenes Leben haben. Zudem lässt sie sich in den Freundeskreis der Familie einführen, die sie willkommen heißt und als Teil der ihren begrüßen will. Eines Abends, als Sebastians Mutter Míša zu sich ruft, beginnt sich die Vorahnung der jungen Frau zu bestätigen und langsam entdeckt sie, was genau mit dieser Familie wie auch der ganzen Gemeinde nicht stimmt.

Ohrenbetäubendes Schweigen
In seinem Langfilmdebüt greift Regisseur Michal Hogenauer auf einen Fall aus dem Jahre 2013 zurück, bei dem die Glaubensgemeinschaft „Die Zwölf Stämme“ in Konflikt mit dem deutschen Staat geriet. Ausgehend von einer Reportage im deutschen Fernsehen wurde rund 40 Eltern das Sorgerecht für ihre Kinder entzogen wegen des Verdachts auf Kindesmisshandlung. Im Laufe des langen Rechtsstreits bekannte sich die Gruppe schließlich öffentlich zu der Prügelstrafe, welche ihre Mitglieder bei der Erziehung der Kinder ab dem zweiten Lebensjahr anwenden. Nachdem die ersten ihrer Mitglieder verurteilt wurden, gab die Gemeinschaft ihren Umzug nach Tschechien bekannt, einem Land, in dem die Prügelstrafe nicht explizit verboten sei.

Für seinen ersten Spielfilm hat sich Hogenauer ein brisantes Thema ausgesucht, welches in den falschen Händen durchaus zu einem 08/15 TV-Reißer verkommen könnte. Jedoch erweist sich Hogenauers Bildsprache als seinem Thema gewachsen, ist inspiriert von der gefährlichen Stille, wie man sie beispielsweise aus den Werken eines Michael Haneke kennt. Es wird dem Zuschauer schnell klar, dass es hier nicht um eine Darstellung von Ereignisse geht, sondern Hogenauer und sein Kameramann Gregg Telussa in klaren, unterkühlt wirkenden Kompositionen die Mechanismen und die Dynamik innerhalb der Familie offenlegen.

Wie Eliška Křenkovás Figur überkommt einen dieses unbequeme Gefühl der Isolation. Die Gemeinschaft wirkt in ihrer Synchronizität, ihren Abläufen und ihren Standpunkten fremd und bisweilen gar gefährlich. Die stetigen Versuche der Indoktrination durch die Frage des Vaters nach der Freiheit, die Betonung der Regeln, die „Sicherheit“ und „Glück“ bringen sollen, wirkt mit der Zeit verstörend und verbietet sich jeden Konsens. „Eine Familie ist keine Demokratie“, heißt es dazu passend an einer Stelle.

Das Verhältnis der Abhängigkeit
Fast möchte man ein Werk wie Ari Asters Midsommar zitieren, wenn es um die Auseinandersetzung von Gemeinschaft und Individuum geht. In der Hauptrolle wirkt Eliška Křenková jedenfalls ähnlich wie Florence Pughs Charakter, nur mit dem Unterschied, dass ihre Fremdheit und ihre Sprache sie von Beginn an als Außenseiterin deklarieren. Hinzu kommt ihre finanzielle Abhängigkeit, worauf nicht zuletzt auch die bereits erwähnte Frage nach der persönlichen Frage anspielt.

So ist es fast noch verstörender zuzuschauen, wie diese junge Frau nicht mehr länger integriert, sondern zusehends assimiliert wird in jenes Kollektiv, um dazuzugehören und nicht mehr länger den Makel der Außenseiterin tragen zu müssen. In diesem Sinne ist Hogenauer auch ein Lehrstück über heutige Abhängigkeitsverhältnisse und über Indoktrination gelungen, welches einen erzählerischen Sog entwickelt und seinen Zuschauer mit einem gehörigen Schock im Kinosessel zurücklässt.

Credits

OT: „Tiché Doteky“
Land: Tschechien
Jahr: 2019
Regie: Michal Hogenauer
Drehbuch: Michael Hogenauer, Jakub Felcman
Musik: Filip Mísek
Kamera: Gregg Telussa
Besetzung: Eliška Křenková, Jacob Jutte, Monic Hendrickx, Roeland Fernhout

Bilder



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„A Certain Kind of Silence“ ist ein erschreckender Film über das Verhältnis von Individuum zum Kollektiv. Mithilfe eines dokumentarisch-unterkühlten Ansatzes in der Bildsprache wie auch im Schauspiel gelingt Michal Hogenauer und seinem Team ein sehr beachtlicher Film, der aktuell beim Mittelpunkt Europa Film 2020 zu sehen ist und hoffentlich auch bald in vielen weiteren Kinos.
9
von 10