In den letzten Jahren hat es ein kleines Umdenken gegeben in Hinsicht auf die eigene Ernährung. Die Geiz-ist-geil-Mentalität hat abgenommen, stattdessen wird jetzt etwas bewusster gegessen und eingekauft. Ein Bio-Siegel ist ein echtes Verkaufsargument. Entsprechend groß ist auch das Angebot an Dokumentarfilmen, die sich mit Ökologie und Formen der Ernährungsindustrie auseinandersetzen. Das System Milch beispielsweise gewährte einen schockierenden Blick hinter die Kulissen der Milchproduktion, Unsere große kleine Farm zeigte den Versuch eines Paares, einen tatsächlichen Biohof aufzubauen – und was das im Einzelnen bedeutet.
Der lange Weg zum Ende
In eine ähnliche thematische Richtung geht auch Butenland. Zumindest war es der anfängliche Wille von Jan Gerdes – einer von zwei Protagonist*innen in dem Dokumentarfilm –, einen Biohof aufzubauen. Schon seine Eltern führten den Hof, genauer war Gerdes Milchbauer in dritter Generation. Doch er wollte sich nicht mit den bisherigen Methoden zufriedengeben, wollte ein schöneres, artgerechteres Leben für seine Kühe. Irgendwann reichte ihm aber auch das nicht mehr, seine Tiere an den Schlachter verkaufen zu müssen, setzte ihm so zu, dass er stattdessen einen Gnadenhof daraus machte, ein Ort, an dem „nutzlose“ Nutztiere ihren Lebensabend verbringen können. An seiner Seite: Karin Mück. Auch ihr liegen Tiere am Herzen, so sehr, dass sie sich zu mehreren waghalsigen Aktionen hinreißen ließ und sogar zu einer Gefängnisstrafe auf Bewährung verurteilt wurde.
Regisseur Marc Pierschel hat die beiden über einen Zeitraum von zwei Jahren begleitet, zeigt sie in ihrem Alltag, lässt sie auch über ihre Vergangenheit erzählen. Wie sind sie dazu gekommen, gemeinsam einen Hof für kranke, alte oder unerwünschte Tiere zu führen? Tatsächlich dauert es eine ganze Weile, bis ihr Hof Butenland in den Mittelpunkt rückt und man als Zuschauer genau weiß, worum es überhaupt gehen soll. Anstatt wie bei ähnlich gelagerten Dokumentationen das Thema vorzugeben und anschließend die dafür passenden Personen zu suchen, geht Butenland von den Figuren aus. Der Film ist daher mehr Porträt als Themenbeitrag, über andere Gnadenhöfe, alternativ Lebenshöfe genannt, erfährt man nichts, ebenso wenig die Geschichte solcher Einrichtungen.
Stoff zum Nachdenken
Das ist ungewöhnlich, dürfte auch verschiedene Reaktionen hervorrufen. Der Film zeigt sehr schön auf, weshalb die beiden sich für das Projekt Hof Butenland entschieden haben und auf welchen Wegen sie gemeinsam dort ankamen. Pierschel verzichtet jedoch darauf, daraus eine Allgemeingültigkeit ableiten zu wollen. Implizit wird der Tierschutzgedanke natürlich schon weitergegeben, wenn von grausamen, mindestens aber unsinnigen Umständen die Rede ist, in denen Tiere vorher leben mussten. Die Art und Weise, wie Gerdes und Mück davon erzählen, die lässt keinen Zweifel zu, keinen Widerspruch, dass das eigentlich völlig inakzeptabel ist und ein Umdenken her muss.
Butenland macht daraus aber keinen Kreuzzug, haut einem nicht die eigene moralische Überlegenheit um die Ohren, wie es manch gleichgesinnter Film tut. Die Doku, die auf den Hofer Filmtagen 2019 lief und dort auch ausgezeichnet wurde, ist ein angenehm zurückhaltendes Plädoyer, sich mit dem Thema auseinanderzusetzen und zu einem eigenen Schluss zu kommen. Zu dem Zweck gibt es auch ein bisschen Emotionalität: Wenn alte Kühe friedlich grasen oder wir Zeuge werden, wie Mensch und Tier Verbindung aufbauen, dann ist das schon schön. Dafür muss Pierschel noch nicht einmal in die Kitschkiste greifen. Selbst in den traurigeren Momenten – ein Gnadenhof bedeutet letztendlich auch Tod, nur eben später – behält er seinen ruhigen Ton bei, zeigt das Leben in seinen Facetten, wie wir es im Alltag manchmal vergessen.
OT: „Butenland“
Land: Deutschland
Jahr: 2019
Regie: Marc Pierschel
Musik: Alice Bacher
Kamera: Marc Pierschel, Steffi Köhler
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