Wäre es nicht praktisch, sich mit anderen unterhalten zu können, ohne dass ein Fremder dich versteht? Im Fall von La Gomera (Kinostart: 13. Februar 2020) wird dieser Wunsch wahr: Regisseur und Drehbuchautor Corneliu Porumboiu erzählt in der Krimikomödie von einem korrupten Polizisten, der die Pfeifsprache der gleichnamigen Insel lernt, um beim Ausbruch eines Gangsters zu helfen. Wir haben den rumänischen Filmemacher gesprochen und ihn zu seinem neuesten Werk, ungewöhnliche Sprachen und seine Liebe zum Film befragt.
Wie sind Sie auf die Idee für den Film gekommen?
Ich habe eine Reportage über die Insel La Gomera gesehen und die dortige Pfeifsprache gesehen. Das hat mir sehr gut gefallen, es hatte etwas Poetisches und doch aus Lustiges. Dann bin ich selbst einmal hingefahren und habe mir das alles angeschaut und mich mit den Leuten unterhalten. Die Sprache wird dort auch an den Schulen unterrichtet. Bis aus dem Thema ein Film wurde, hat es aber lange gedauert, da ich mit dem Drehbuch damals nicht glücklich war.
Sind Sie jemals in einer Situation gewesen, in der Sie sich gewünscht hätten, eine Sprache verwenden zu können, die andere nicht verstehen?
Oh, sicher. Das war dann allerdings nicht zu kriminellen Zwecken. Ich handle ja nicht mit Drogen oder so. Aber als Kind hatten wir so ein Spiel, dass wir Wörter verändert haben, indem wir die Silben umdrehten und quasi rückwärts gesprochen haben.
Haben Sie die Pfeifsprache bei den Dreharbeiten selbst gelernt?
Ein bisschen schon, als die Zeit dafür war.
Wenn Sie sich eine andere Sprache aussuchen könnten, die Sie sofort lernen, ohne dafür etwas tun zu müssen, welche wäre das?
Baskisch. Meine Frau ist Französin aus dem Baskenland. Und ich würde gerne diese Sprache können. Es ist eine sehr schwierige Sprache.
In La Gomera zeichnen Sie ja nicht gerade ein schmeichelhaftes Bild von Rumänien. Überall gibt es Korruption, es laufen lauter Gangster herum. Ist es in Rumänien wirklich so schlimm?
Ich zeige ja nur einen kleinen Ausschnitt des Landes. La Gomera soll keine Dokumentation sein, sondern ein Genrefilm, deswegen ist das alles schon zugespitzt. Korruption gibt es natürlich. Die gibt es überall. Das interessierte mich jedoch weniger. Für mich ging es mehr um die Hauptfigur, die verloren ist und sich sogar vor sich selbst versteckt. Wir leben in einer Welt, in der wir ständig überwacht werden und der private Raum immer kleiner wird. Das spielt in die Geschichte mit rein. Ein wirklicher, realistischer Kommentar über die Welt oder Rumänien sollte der Film jedoch nicht sein.
Wenn Sie nun aber doch einen Kommentar geben müssten, wie würden Sie das Rumänien von heute beschreiben?
Ich glaube, dass wir uns noch in einer Art Übergangsphase befinden. Wir sind Teil von Europa und versuchen uns anzupassen. Einiges davon läuft auch ziemlich gut. Manchmal habe ich aber das Gefühl, dass wir uns wie von einem Lehrer alles sagen lassen müssen, was wir tun müssen, und nicht die Möglichkeit haben, einen eigenen Weg zu finden.
Wie reagieren denn Ihre Landsleute auf Ihren Film?
Die Reaktionen waren schon ziemlich positiv, so wie ich das mitbekommen habe. La Gomera war tatsächlich mein erfolgreichster Film bislang.
Sie haben ja schon gesagt, dass Ihre Hauptfigur ein bisschen verloren ist. Korrupte Polizisten sind in Genrefilmen meistens die Schurken. Cristi ist das nicht, ein Held aber genauso wenig. Hatten Sie kein Bedürfnis danach, irgendwo auch einen Helden zu haben?
Nein. Ich mag es, wenn Figuren gute und schlechte Seiten haben. Für mich ist La Gomera ein Film über Gier, denn sie alle wollen das Geld haben. Er erzählt aber auch die Geschichte einer Reise, auf der sich die Menschen verändern können. Ich finde den Gedanken schön, dass auch die Bösen eine Art Paradies erreichen können.
La Gomera ist gleichzeitig eine Art Liebeserklärung an das Filmemachen. Welche Filme haben Sie hier inspiriert?
Als klar wurde, dass es um Menschen geht, die hinter Geld her sind, sich gegenseitig alle verraten und die Pfeifsprache nutzen, um sich auszutricksen, habe ich viele alte Noir-Filme geschaut. „Die Spur des Falken“ zum Beispiel. Oder Hitchcock. Ich würde auch sagen, dass La Gomera ein Neo Noir Film ist. Aber es stimmt schon, dass meine Liebe zu Filmen an vielen Stellen durchscheint und ich damit auch gespielt habe.
Wie sieht es mit aktuellen Filmen aus? Welche gefallen Ihnen?
Ich mag beispielsweise die Filme der Coen Brüder. Oder Once Upon a Time in … Hollywood, um etwas Aktuelles zu nennen. Toni Erdmann. The Irishman. Grundsätzlich mag ich die unterschiedlichsten Arten von Filmen und ich versuche auch, möglichst viel zu sehen. Selbst Filme, die mir am Ende nicht gefallen, können mich auf die eine oder andere Weise inspirieren.
The Irishman war ja als Netflix-Film schon auch etwas kontrovers, weil die wenigsten ihn im Kino sehen konnten. Manche sagen, dass diese Streamingdienste das Kino, wie wir es kennen, über kurz oder lang töten werden. Im Kino gibt es dann die Blockbuster, alles andere nur noch daheim. Wie sehen Sie das?
Ich selbst bin da gar nicht so pessimistisch. Ich würde das auch nicht so streng voneinander trennen, die Blockbuster und die anderen Filme. Als ich ein Kind war, habe ich die ganzen großen amerikanischen Filme angeschaut oder auch Filme mit Bruce Lee. Und als ich älter wurde, habe ich mich für andere Filme interessiert. Es ist natürlich wichtig, dass es verschiedene Arten von Filmen gibt und dass es das Kino als Ort gibt, an denen man sich Filme anschaut. Für andere ist vielleicht Streaming sinnvoller, das einem ganz andere Möglichkeiten gibt, Geschichten zu erzählen. Wir haben da derzeit eine Phase, die für manche sicher nicht einfach ist. Es gibt auch einfach so viele Filme, da ist klar, dass viele davon nicht wahrgenommen werden. Aber wer weiß schon, wie sich das alles entwickelt. Vielleicht will in ein paar Jahren keiner mehr Superhelden-Filme sehen.
Könnten Sie sich denn vorstellen, selbst einen Superhelden-Film zu drehen?
Man soll ja nie nie sagen. Aber nein, wirklich vorstellen kann ich mir das nicht.
Wenn schon keine Superhelden-Filme, was dann? Woran arbeiten Sie?
Ich habe tatsächlich schon eine Reihe von Ideen für neue Projekte, habe mich aber noch nicht ganz entschieden, was ich davon weiter verfolgen werde. Viele Ideen landen später auch im Papierkorb. Das tun sie bei mir immer. Deswegen lasse ich mir da noch ein bisschen Zeit, um darüber nachzudenken.
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