Was genug ist, ist genug. Lange hat Cecilia Kass (Elisabeth Moss) unter ihrem kontrollsüchtigen Freund, dem schwerreichen Erfinder Adrian (Oliver Jackson-Cohen), gelitten. Doch eines Nachts gelingt ihr nach sorgfältiger Planung und mit Hilfe ihrer Schwester Alice (Harriet Dyer) die Flucht und sie taucht anschließend bei ihrem Kindheitsfreund James (Aldis Hodge) und dessen Tochter (Storm Reid) unter. Die Angst vor ihrem Ex verfolgt sie jedoch, immer wieder hat sie das Gefühl, dass der hinter ihr her ist – selbst dann, als sie von seinem Selbstmord erfährt und sein Vermögen erbt. Denn was, wenn er seinen Tod nur vorgetäuscht hat und jetzt Jagd auf sie macht?
So ganz wusste man ja bei der Idee nicht: Ist das jetzt brillant oder irgendwie doof? Das Vorhaben, ähnlich zu Marvel ein Cinematic Universe aufzubauen, das aus lauter klassischen Monstern besteht, die jeweils Einzelfilme haben, sich aber auch in gemeinsamen Geschichten begegnen, das erinnerte schon sehr an die frühen Horror-Crossover. Daraus eine Neuauflage zu machen, mit großem Budget und Hollywood-Stars anstatt altem Trash-Charme, da durfte man durchaus neugierig auf das Ergebnis sein. Nach dem doch ernüchternden Auftakt Die Mumie, das an den Kinokassen enttäuschte und seltsam konzeptlos war, war das gerne mal als Dark Universe bezeichnete Unterfangen jedoch schon begraben, bevor der angeteaserte zweite Film Frankensteins Braut fertig war.
Es geht auch kleiner
Jetzt versucht man sich erst einmal wieder mit Einzelproduktionen ohne größeren Überbau, dafür mit deutlich geringerem Budget. Wirtschaftlich gesehen ist das sicherlich die bessere Entscheidung, denn auch wenn Der Unsichtbare durchaus erfolgreich werden könnte, deutlich gelungener ist als Die Mumie, es reicht dann eben doch nicht, um Kosten in dreistelligen Millionenbereich zu rechtfertigen. Zumal Regisseur und Drehbuchautor Leigh Whannell (Insidious: Chapter 3, Upgrade) beweist, dass es gar nicht so viel Geld braucht, um eine gute Geschichte zu erzählen und dem Publikum eine Heidenangst zu bereiten. Es braucht auch keine Brutalität, so wie Saw seinerzeit, das Whanell zusammen mit James Wan entworfen hat.
Vor allem der Einstieg ist dem Australier sehr gut gelungen, trotz bzw. aufgrund des angewandten Minimalismus. Mehrere Minuten sehen wir dabei Elisabeth Moss zu, wie sie aus dem Haus von Adrian zu fliehen versucht. Das Haus ist schick, sehr weitläufig, mit riesigen Fenstern direkt zum Meer hin, welche Offenheit vortäuschen. Und doch wird schnell klar, in welchem Gefängnis Cecilia sich lange befunden haben muss, sowohl physisch wie psychisch, wenn sie durch die dunklen Gänge schleicht, immer nervös darauf achtend, nicht von dem schlafenden Adrian entdeckt zu werden.
Aus Angst wird Langeweile
Allgemein ist Der Unsichtbare immer dann am stärksten, wenn er sich auf die Angst und Paranoia der Protagonistin konzentriert. Denn Moss versteht es, mit weit aufgerissenen Augen, hektischen Blicken oder auch die Körpersprache auszudrücken, welchen Terror die vergangenen Erfahrungen in ihr auslösen. Hinzu kommt die interessante Kameraarbeit von Stefan Duscio, der mal mit Plansequenzen arbeitet, manchmal auch mit unerwarteten Bewegungen, die das Publikum auf eine falsche Fährte locken, so als wäre die Kamera eine eigene Figur. Leider werden diese Spielereien nicht ganz konsequent beibehalten, der Wechsel von subjektiven und losgelösten Perspektiven hätte gern noch mehr und zielführender eingesetzt werden können.
Die tatsächlichen Schwächen sind aber weniger visueller Natur. Zum einen ist Der Unsichtbare deutlich zu lang. Dass der nervenaufreibende Einstieg in der Intensität nicht beibehalten wird, ist zu verkraften, spannende Szenen gibt es auch danach noch einige. Doch die werden mit der Zeit immer weniger, die Handlung kommt irgendwann nicht mehr voran. Die Abwandlung eines alten Horror- bzw. Thrillerprinzips – die Hauptfigur macht eigenartige Beobachtungen, die ihr niemand glaubt –, ist in dem Zusammenhang sicher naheliegend. Allerdings verrät der Film schon früh, dass es wirklich einen Unsichtbaren gibt, weshalb der Mystery-Aspekt sich in Grenzen hält. Später versucht Whannell zwar, durch Wendungen die Geschichte irgendwie frisch zu halten, auch diverse Actionszenen sollen für Aufmerksamkeit sorgen. Beides funktioniert aber nicht wirklich, je länger der Film dauert, umso zäher wird er. Das ist ausgesprochen schade, weil die Neuinterpretation des Klassikers von H. G. Wells prinzipiell zeitgemäß und originell ist. Sie ist nur nicht das Horrorhighlight, das der Film anfangs zu sein verspricht und hätte werden können.
OT: „The Invisible Man“
Land: USA
Jahr: 2020
Regie: Leigh Whannell
Drehbuch: Leigh Whannell
Vorlage: H. G. Wells
Musik: Benjamin Wallfisch
Kamera: Stefan Duscio
Besetzung: Elisabeth Moss, Oliver Jackson-Cohen, Aldis Hodge, Storm Reid, Harriet Dyer, Michael Dorman
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