Große Gemeinsamkeiten haben Isi (Lisa Vicari) und Ossi (Dennis Mojen) nicht gerade. Während sie als Tochter schwerreicher Eltern alles im Leben hat, sogar ein gekauftes Abitur, ist er der Sohn einer schwer verschuldeten Tankstellenbesitzerin. Und doch träumen sie beide von einem Ausbruch, sie durch eine Koch-Ausbildung in New York, er durch eine Karriere als Boxer. Dafür braucht es aber jede Menge Geld. Geld, das Isis Eltern ihr vorenthalten wollen. Und so fassen die beiden den Plan, sich als Paar auszugeben, um so das Milliardären-Ehepaar zu erpressen: Entweder ihr rückt den Zaster raus, der auf einem Depot gebunkert ist, oder wir machen euch zum Gespött …
Dass Netflix inzwischen auch in Deutschland Serien produziert, das hat sich herumgesprochen, Dark und How to Sell Drugs Online (Fast) haben sogar international von sich reden gemacht. Bei den Filmen sieht es hingegen äußerst düster aus. Bislang besteht das Sortiment ausschließlich aus dem Entführungsthriller Kidnapping Stella. Und den hat der Streamingdienst lediglich eingekauft, nachdem es – trotz prominenter Besetzung – nicht fürs Kino reichte. Was nie ein besonders gutes Zeichen ist. Jetzt gibt es ihn aber, den ersten echten Netflix-Film made in Germany. Doch die Wahrscheinlichkeit, dass Isi & Ossi außerhalb des Landes Aufmerksamkeit erregt, die ist eher gering.
Liebe wie überall
Das Problem ist dabei gar nicht mal so sehr, dass Isi & Ossi schlecht ist. Der Film ist sogar besser, als man im Vorfeld hat erwarten dürfen. Er ist auch nicht zu deutsch mit seiner Geschichte um zwei grundverschiedene Jugendliche, die sich ineinander verlieben. Denn das passiert ständig, überall, in jedem Filmmarkt. Vielmehr ist die Liebeskomödie schon zu universell und wird damit austauschbar. Beispielsweise hatte To All the Boys I’ve Loved Before ebenfalls zwei junge Menschen, die aus anderweitigen Motiven so taten, als wären sie ein Paar, nur um am Ende doch eins zu werden. Dass den beiden Figuren beim deutschen Kollegen dasselbe blüht, das wissen wir schon, bevor sie sich das erste Mal begegnen.
Dabei macht der Einstieg eigentlich noch Lust auf mehr. In einer amüsanten Parallelmontage werden die Vorgeschichten der beiden erzählt, die auf einen größtmöglichen Kontrast setzen. Auf der einen Seite haben wir die High Society aus Heidelberg, die sich einfach alles zusammenkauft, auf der anderen die Proleten aus Mannheim, wo es statt Geld in erster Linie Schläge und Beschimpfungen gibt. Sonderlich differenziert ist das natürlich nicht, Regisseur und Drehbuchautor Oliver Kienle (Auf kurze Distanz, Die Vierhändige) reiht stattdessen hier und auch später lauter Klischees aneinander und kostet das genüsslich aus.
Ein Spaß in kleinen Dosen
Das ist teilweise ganz unterhaltsam, vor allem wenn Isi & Ossi mit dem Material spielt. Dass Isi beispielsweise nur durch Geld aufs Gymnasium käme, eigentlich eher in die Realschule gehört, während Ossi ein Buchstabiermeister ist, das ist eine nette Umkehrung der gesellschaftlichen Situation. Und auch die anfänglichen Konfrontationen der beiden machen Spaß, sehr viel mehr als damals bei High Society, das sich ebenfalls an einer solchen Durchmischung versuchte. Leider hält der Film aber sein freches Tempo nicht durch, wenn es gegen Ende hin dann doch unbedingt ein Happy End geben muss, wie es das liebeshungrige Publikum einfordert. Denn auf dem Weg dorthin wird irgendwie alles fallengelassen, was vorher besonders oder zumindest pointiert war, stattdessen mit aller Gewalt das richtige Finale herbeigezwungen. Pünktlich zum Valentinstag sollten schließlich alle glauben können, dass Liebe keine Grenzen hat – außer den selbstgesteckten.
Isi & Ossi bleibt in der Summe trotz allem überraschend solide, was mehr ist, als so manche internationale Netflix-RomCom von sich behaupten kann. Es gibt eine Reihe schräger Figuren, die trotz oft nur kurzer Auftritte Eindruck hinterlassen. Und auch das Zusammenspiel von Lisa Vicari (Luna) und Dennis Mojen (Traumfabrik) funktioniert gut, selbst wenn das mehr den Humorpart als die Romanze betrifft. Wer also in der Stimmung ist für ein bisschen Schmachten, das mit schrägem Lokalkolorit angereichert ist – Mannheim und Heidelberg sind nun wirklich nicht oft Schauplatz von Filmen –, der macht hier nichts falsch, auch wenn am Ende doch noch mehr möglich gewesen wäre.
OT: „Isi & Ossi“
Land: Deutschland
Jahr: 2020
Regie: Oliver Kienle
Drehbuch: Oliver Kienle
Musik: Michael Kadelbach
Kamera: Yoshi Heimrath
Besetzung: Lisa Vicari, Dennis Mojen, Ernst Stötzner, Christina Hecke, Hans-Jochen Wagner, Lisa Hagmeister
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