Jetzt wird endlich alles wieder gut! Nachdem die NATO die verhassten Serben bombardiert hat, können die Kosovo-Albaner ein eigenes Leben haben, sich so richtig etwas aufbauen. Unterstützung erhalten sie dabei durch die internationale Gemeinschaft, die keine Kosten und Mühen scheut und viele Tausend Mitarbeiter in die Krisenregion schickt. Darunter befindet sich auch Anna (Karin Hanczewski), deren Mission es ist, unabhängige und freie Medien aufzubauen. Doch der große Enthusiasmus, den die Deutsche mitbringt, macht bald Desillusionierung Platz, wenn nicht gar Entsetzen. Als wäre es nicht schon schlimm genug, dass die Feindseligkeiten innerhalb des Landes einfach nicht weniger werden wollen, stellt sich die Hilfstruppe auch noch als völlig ungeeignet heraus. Lediglich in dem Schlitzohr Plaka (Carlo Ljubek) findet sie einen treuen Verbündeten. So hofft sie zumindest …
Gut gemeint ist nicht automatisch gut gemacht. Nur weil jemand anderen helfen möchte, heißt das nicht, dass derjenige auch die dafür nötige Kompetenz mitbringt. Das bewies kürzlich die französische Tragikomödie Die Kunst der Nächstenliebe, in der eine Weltverbesserin sich dermaßen in ihre selbst auferlegte Mission stürzte, dass sie alle in den Wahnsinn trieb. Zwei Wochen später greift auch Kill Me Today, Tomorrow I’m Sick! auf die Erkenntnis zurück, dass die pure Absicht nicht zwangsläufig mit dem Ergebnis übereinstimmen muss, wenn die mit noblen Zielen gestartete Hilfsmission 1999 so richtig schön ins Chaos führt. Sofern sie überhaupt zu etwas führt.
Ein gefährliches Pflaster
Der deutschen Tragikomödie liegt dabei ein erschreckend realer Kern zugrunde: Joachim Schroeder und Tobias Streck, die gemeinsam Regie führten und das Drehbuch schrieben, ließen sich bei der Arbeit von den Tagebuchnotizen von Henriette Schroeder inspirieren, die damals selbst mit der schwierigen Aufgabe betreut wurde, unabhängige Medien aufzubauen. So wie sie stößt auch Anna bald auf zahlreiche Hindernisse, die sie zu überwinden versucht. Einerseits wäre da die lokale Bevölkerung, die nach den diversen Gräueltaten nicht dazu bereit ist, schon zum Alltag überzugehen. Wer da beispielsweise im falschen Moment die Sprache des Feines spricht, der darf sich über ein verfrühtes Ableben nicht wundern.
Dass ein Land voller Ethnien und Gruppierungen, die sich mindestens misstrauisch, wenn nicht gar feindselig gegenüberstehen, nach einem jahrelangen Krieg nicht unbedingt einfach zu befrieden ist, das ist erwartet. Diese Bestandsaufnahme kombinieren Schroeder und Streck jedoch mit einem nicht sonderlich schmeichelhaften Porträt der selbsternannten Helfer. Die sind teils ihrer Aufgabe nicht gewachsen, teils haben sie überhaupt kein Interesse daran. Da sind selbstverliebte Wichtigtuer dabei, ebenso träge Schmarotzer, für die eine solche Mission in erster Linie dem persönlichen Nutzen dient. Jeder macht, was er will, gesetzt den Fall, er macht was. Hinzu kommt das sprachliche Problem, was nicht ganz ausbleibt, wenn aus der ganzen Welt Leute zusammenkommen. Schön ist hier, wie Kill Me Today, Tomorrow I’m Sick! tatsächlich zwischen den Sprachen wechselt, kontinuierlich, selbst inmitten von Szenen. Das ist nicht nur authentisch, sondern steht für eine Situation, in der niemand die richtigen Worte findet. Was jedoch nicht alle davon abhält, munter weiter zu quasseln.
Das komplette Chaos
Das hört sich potenziell verwirrend an. Ist es auch. Anna und Plaka sind so etwas wie die Rettungsanker in einem stürmischen Meer aus Figuren, Ereignissen und Sprachen, das bald schon nicht mehr zu bändigen ist. In dem Wust aus Strängen und Eitelkeiten den Überblick zu behalten, ist nicht einfach, zumal Kill Me Today, Tomorrow I’m Sick! mit einer Laufzeit von über 130 Minuten nicht gerade kurz geworden ist. Das strapaziert manchmal etwas die Geduld. Der Beitrag der Hofer Filmtage 2018 vermittelt dabei anschaulich, wie es sich angefühlt haben muss, Teil einer Mission gewesen zu sein, die zwar ein Ziel, aber kein Konzept hatte. Man ging hier lang, man ging dort lang, am Ende kam man aber kaum vom Fleck. Dafür waren die Interessen letztendlich wohl einfach zu verschieden.
Dieser zermürbende Kampf gegen Windmühlen, unmotivierte Mitarbeiter und kompromisslose Menschen von der zerbombten Straße kann durchaus lustig sein, als unbeteiligter Zuschauer zumindest. Der Humor schwankt dabei zwischen bissiger Satire und derber Albernheit, zwischen harmloser Belanglosigkeit und Szenen, die wirklich weh tun können. Die auch überraschend brutal sein können: Der Film ist nicht grundlos erst ab 16 Jahren freigegeben, Figuren können schon mal mittendrin abgemurkst werden, wenn sie zur falschen Zeit am falschen Ort waren. Und das kann in einem solchen Umfeld schnell mal passieren. Kill Me Today, Tomorrow I’m Sick! ist damit sicherlich eine der ungewöhnlichsten deutschen Co-Produktionen, die zuletzt in unsere Kinos gekommen ist. Ein Film, der ebenso schwer zu fassen ist wie die damalige Situation, ein Phantom, mal unterhaltsam, dann wieder erschreckend, fest in seiner Zeit verortet und doch ein universeller Blick auf die menschliche Natur, zwischen Hoffnung und Hässlichkeit.
OT: „Kill Me Today, Tomorrow I’m Sick!“
Land: Deutschland
Jahr: 2018
Regie: Joachim Schroeder, Tobias Streck
Drehbuch: Joachim Schroeder, Tobias Streck
Musik: Robert Papst
Kamera: Péter Pásztor, Gergely Tímár
Besetzung: Karin Hanczewski, Carlo Ljubek, Tommy Sowards, Eray Egilmez, Boris Milivojevic, Sigi Zimmerschied
www.killmetoday.com
Bei diesen Links handelt es sich um sogenannte Affiliate-Links. Bei einem Kauf über diesen Link erhalten wir eine Provision, ohne dass für euch Mehrkosten entstehen. Auf diese Weise könnt ihr unsere Seite unterstützen.
(Anzeige)