Dass es Menschen mit körperlichen Behinderungen nicht unbedingt einfach haben in der Welt, das ist irgendwie naheliegend. Viele Dinge, die für uns selbstverständlich sind, sind es dann auf einmal nicht mehr. Inzwischen ist das Bewusstsein dafür, solchen Menschen entgegenzukommen, natürlich schon größer geworden. Beispiel: Barrierefreiheit. Doch das beschränkt sich dann meistens doch eher auf die Punkte, die tatsächlich absolut notwendig sind, etwa den Transport. Wenn es darum geht, ihnen etwas zu ermöglich, das darüber hinausgeht, das vielleicht nur als Vergnügen gilt, dann wird das Angebot schon deutlich spärlicher.
Eine berührende Erfahrung
Ein solches „Luxus“-Angebot steht im Mittelpunkt von Looking at the Stars: eine Ballettschule für Blinde. „Associação Fernanda Bianchini“ heißt sie, ist im brasilianischen São Paulo zu finden und weltweit einzigartig. Die Lehrmethoden sind es auch, zwangsläufig. Den Mädchen und Jungen etwas vorzutanzen, das sie dann nachmachen sollen, das funktioniert natürlich nicht. Stattdessen arbeitet das Team neben den üblichen Ansagen viel mit Berührung, um den jungen Schützlingen auf diese Weise zu vermitteln, wie sie sich bewegen sollen. Aber auch: wie sie sich bewegen können.
In der Schule Unterricht zu nehmen, das bedeutet eben nicht nur tanzen lernen. Es bedeutet auch, sich selbst und den eigenen Körper kennenzulernen. Außerdem bietet er den jungen Menschen eine Gemeinschaft, die sie da draußen nicht unbedingt erwarten können. Bestes Beispiel hierfür ist die 14-jährige Thalia, die an ihrer regulären Schule aufgrund ihrer Sehbeeinträchtigung gemieden bis gemobbt wurde, nun aber endlich einen Ort hat, an dem sie sie selbst sein kann und darüber hinaus Freunde gefunden hat. Sie ist eine von zwei Hauptprotagonistinnen von Looking at the Stars, wir dürfen zusehen, wie aus dem anfangs noch unbeholfenen Mädchen eine selbstbewusste junge Frau wird, mit der Welt als ihrer Bühne.
Das ganz normale Leben einer Blinden
Die zweite Hauptfigur ist Geyza, die einst selbst als Blinde Ballett lernte und nun ihr Wissen an die Schülerinnen und Schüler weitergibt. Die Wandlung zur Tänzerin ist bei ihr dementsprechend bereits vollendet, die Tage vor dem Tanzen hier nur eine ferne Erinnerung. Geschichten gibt es zu ihr aber auch so genügend zu erzählen. Immer wieder wirft Looking at the Stars einen Blick auf ihr Privatleben, erzählt beispielsweise von Geyzas Schwangerschaft, zeigt ihre Anfänge als Mutter, die sich um das Neugeborene kümmert und dabei wieder über ihre körperlichen Einschränkungen hinauswachsen muss. Ihr dabei zuzusehen, das ist natürlich schon was fürs Herz. Looking at the Stars ist eine Art Wohlfühldoku, die zeigt, wie andere Schwierigkeiten überwinden konnten, die auf diese Weise auch Mut macht, sich eigenen Stolpersteinen anzunehmen, wie auch immer die aussehen.
Diese Emotionalität wird dabei mitunter etwas forciert, der Film arbeitet schon mit Pathos und großen Szenen. Regisseur Alexandre Peralta, der zuvor schon einmal einen Kurzfilm über die Schule gedreht hat, verzichtet auf die nüchterne Darstellung, die bei Dokumentarfilmen meist dominiert. Er verzichtet auch auf herkömmliche Interviews, steigt lieber mitten ins Leben ein. Sein Werk bekommt auf diese Weise auch eine sinnliche Note, sei es beim Training oder den Auftritten. Bemerkenswert ist dabei, wie viel Lebensfreude Looking at the Stars vermittelt, fernab der Verbissenheit, die wir sonst mit dem Ballettlernen verbinden. Wenn die jungen Menschen sich bewegen, mal auf eine anmutige Weise, mal eher weniger, dann ist das von einem Strahlen begleitet, als würden sie tatsächlich gerade Sterne bewundern. Sterne, welche für das sehende Publikum unsichtbar sind.
OT: „Olhando para as Estrelas“
Land: Brasilien
Jahr: 2016
Regie: Alexandre Peralta
Musik: Samuel Jones, Alexis Marsh
Kamera: Alejandro Ernesto Martinez B., Guan Xi
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