Luna Nera Netflix
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Luna Nera – Staffel 1

Kritik

Luna Nera Netflix
„Luna Nera“ // Deutschland-Start: 31. Januar 2020 (Netflix)

Italien, Anfang des 17. Jahrhunderts: Ade (Antonia Fotaras) ist es gewohnt, ihre Großmutter zu begleiten, die als Hebamme den Frauen hilft, ihre Kinder zu bekommen. Als dabei eines Tages jedoch ein Kind tot auf die Welt kommt, weiß sie bereits, dass damit auch ihr eigenes Schicksal besiegelt ist. Der vor Wut schäumende Vater fackelt auch nicht lange, lässt die alte Frau als Hexe öffentlich hinrichten. Ade bleibt indes nur die Flucht, in der Hoffnung auf ein zurückgezogenes Leben. Was sie dabei nicht ahnt: Sie ist tatsächlich eine Hexe mit großen Fähigkeiten. Fähigkeiten, sie sie gut gebrauchen kann, um andere verfolgte Frauen zu retten. Wäre da nur nicht Pietro (Giorgio Belli), der der Welt beweisen will, dass es keine Hexen gibt und für den sie bald Gefühle entwickelt …

Zuletzt war das Wort Hexenjagd wieder schwer in Mode, nicht zuletzt weil Trump sich gerne mal als Opfer inszeniert, während er zeitgleich selbst seine Meute auf andere hetzt. Insofern ist es doch irgendwie erfreulich, wenn mit der Netflix-Serie Luna Nera jemand hervortritt, der daran erinnert, was Hexenjagd tatsächlich bedeutete. Die italienische Produktion fackelt auch nicht lange, bis sie die ersten unschuldigen Frauen an den Pranger stellen, sie für das verantwortlich machen, was in der Welt schief läuft. Das wird schnell absurd, die meist männlichen Ankläger versuchen nicht einmal, Beweise oder ähnliches anzuführen. Es reicht, eine Frau vorzufinden, der man alles in die Schuhe schieben kann.

Seid ihr denn alle verrückt?
Luna Nera gelingt es dabei ganz gut, diese Atmosphäre der Hysterie aufzuzeigen, verbunden mit einer mehr als latenten Frauenfeindlichkeit. Wenn man sieht, wie eine wohlmeinende Hebamme für ein Unglück grausam bestraft werden soll, das außerhalb ihrer Macht stand, sorgt das nicht nur bei Ade und anderen Frauen für Entsetzen. Als Zuschauer geht es einem ganz ähnlich. Die drei Schöpferinnen der Serie – Francesca Manieri, Laura Paolucci und Tiziana Triana – haben dabei aber gar nicht vor, sich allzu sehr an die Historie zu halten. Oder auch an die Realität. Verwirrenderweise gibt es nämlich tatsächlich Hexen in der Serie, deren Taten mehr beinhalten, als Kräuter zu sammeln und Salben aufzutragen. Hier darf noch richtig Magie angewendet werden.

Ob das nun eine gute Idee war oder nicht, darüber kann man geteilter Ansicht sein. Indem es tatsächlich Hexen gibt, lässt sich die grundlose Verfolgung von Frauen nicht mehr ohne Weiteres auf das reale Leben übertragen, wo Frauen zuweilen gern noch als Menschen zweiter Klasse angesehen werden. Wobei die Frauenfeindlichkeit in Luna Nera, Magie hin oder her, nicht an Relevanz verliert. Die Serie zeigt jedoch Frauen, die sich zusammentun, sich auflehnen, auf einmal zurückschlagen. Ein Fall von female empowerment, der auf vielen Ebenen stattfindet: Ob vor oder hinter der Kamera, ein Großteil des Teams besteht aus Frauen. Vermutlich dürfte die Serie auch ein weibliches Zielpublikum vor Augen haben, das gerne düstere Fantasy mag, sich aber nicht kontinuierlich Männern unterordnen will. Ein bisschen Romantik gibt es oben drauf.

Viel Glanz, wenig Gehalt
Lässt man den Gender-Aspekt weg, wird Luna Nera leider sehr viel weniger erwähnenswert. Magische Bücher, mystische Zirkel, dazu verborgene Tore und geheime Machenschaften – die Serie fährt lauter bekannte Elemente auf, verpasst es aber, daraus etwas Interessantes zu machen. Obwohl es an Action nicht mangelt, tatsächlich spannend wird es dabei eher selten. Auch bei den Figuren fehlen echte Persönlichkeiten, welche die Geschichte mit etwas mehr Leben füllen könnten. Da verließ man sich zu sehr auf die üblichen Bestandteile, nahm sich zudem auch wahnsinnig ernst, wenn die versteinerten Mienen keinen Zweifel dran lassen: Hey, das hier ist eine echt dramatische Angelegenheit!

Dazu passen dann auch die Hochglanzbilder, die schon sehr bemüht darum sind, ein möglichst düsteres Pseudomittelalter zu zeigen. Selbst wenn wir draußen in der Natur sind, werden Farben mit aller Gewalt verhindert, über allem scheint ein Graufilter zu liegen. Die Bilder an sich sind dabei durchaus ästhetisch, aber Vertreter der Hochglanzfraktion, die nur so tut, als wäre sie dreckig. Während Luna Nera so schnell in der Gleichförmigkeit einschläft, ist die Musik umso irritierender. Immer wieder werden à la Jeannette – Die Kindheit der Jeanne d’Arc Lieder eingespielt, die so gar nicht ins historische Ambiente passen und dazu führen, dass man gewaltsam aus dem Geschehen gerissen wird. Das kann man mutig oder dämlich finden, auffallend ist es so oder so, gerade auch für eine Serie, die man gut nebenher anschauen kann, ohne dass einem etwas zwangsläufig in Erinnerung bleiben müsste.

Credits

OT: „Luna Nera“
Land: Italien
Jahr: 2020
Regie: Francesca Comencini, Susanna Nicchiarelli, Paola Randi
Drehbuch: Francesca Manieri, Laura Paolucci, Vanessa Picciarelli, Tiziana Triana
Idee: Francesca Manieri, Laura Paolucci, Tiziana Triana
Musik: Ariel Lerner, Elisa Zoot
Kamera: Valerio Azzali
Besetzung: Antonia Fotaras, Giorgio Belli, Manuela Mandracchia, Roberto de Francesco, Federica Fracassi, Lucrezia Guidone

Trailer



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„Luna Nera“ beginnt als anklagende Serie über willkürliche Hexenverfolgung, bis die Frauen sich tatsächlich als Hexen entpuppen und zurückschlagen. Als grundsätzliche Idee ist das interessant, verfängt sich anschließend aber in so vielen Klischees, dass inhaltlich nicht viel dabei herauskommt. Interessanter ist da schon die moderne Musik, die so überhaupt nicht passt, während die ästhetischen Hochglanz-Grauschleier-Bilder verschwimmen.
6
von 10