Mala Noche

Mala Noche

Kritik

Mala Noche
„Mala Noche“ // Deutschland-Start: 17. Oktober 2008 (DVD)

In einem verschlafenen Nest in Oregon lebt Walt (Walt Curtis), ein junger Mann, der mit seinem Job als Verkäufer in einem kleinen Laden gerade so über die Runden kommt. Seine Routine wird nur gelegentlich unterbrochen, wenn er mit seiner guten Freundin Betty (Nyle McCarthy) um die Häuser zieht oder die beiden sich in seiner Wohnung treffen, um zu trinken und einen Joint zu rauchen. Als Walt aber die Bekanntschaft mit Johnny (Doug Cooeyate) macht, verändert sich sein Leben, denn er hat sich in den jungen Mexikaner, der noch nicht einmal 18 ist, verliebt. Jedoch lebt Johnny ein Schattenleben, denn er und viele andere, wie auch sein bester Freund Roberto (Ray Monge), sind illegal über die Grenze gekommen. Immer wieder lädt Walt aus Sympathie Johnny und seine Freunde zum Essen ein oder gibt ihnen Sachen aus dem Laden, wobei er auch versucht dem jungen Mexikaner nahezukommen, der um Walts Homosexualität weiß und ihn immer wieder abweist. Eines Tages verschwindet Johnny spurlos und nur Roberto bleibt in der kleinen Stadt zurück. Schutzlos und ohne einen Freund zieht er bei Walt ein, der dies aber nicht ohne eine Gegenleistung tut.

An den Außenlinien der Gesellschaft
Das Kino des US-Amerikaners Gus Van Sant ist schon immer ein Kino der Außenseiter, welches über deren Geschichten einen oft kritischen Blick auf die Gesellschaft wirft und Themen wie Toleranz, Sexismus und Homophobie aufgreift. Schon in seinem eigentlich zweiten Spielfilm Mala Noche aus dem Jahre 1986 sieht man die Grundthemen Van Sants sowie die große Liebe zum amerikanischen Independentkino eines John Cassavetes. Der autobiografische Roman von Walt Curtis, der im Film sich selbst spielt, erinnerte Van Sant, wie er in einem Interview sagt, an die Werke der Beat-Generation wie Jack Kerouacs Unterwegs oder die Gedichte eines Allen Ginsberg. Auch wenn Curtis lange nach diesen Autoren schrieb, so hatte er sich einen kleinen Kreis von Gleichgesinnten aufgebaut, in den er den Regisseur einführte und den er liebevoll in seinem Film zeigt.

In Mala Noche prallen gleich zwei Arten des gesellschaftlichen Außenseiters aufeinander, zum einen der Homosexuelle und zum anderen der (illegale) Einwanderer. Auch wenn Menschen wie Walt und Johnny in der Gesellschaft geduldet werden, scheinen sie doch so etwas wie „Schattenleben“ zu führen. Die schwarz-weißen Bilder John C. Campbells sowie die starken Lichtkontraste scheinen diese Randexistenz zu unterstreichen, finden aber immer wieder Momente des Glücks und der Schönheit in dem ansonsten tristen Alltag dieser Menschen. Durch die Kamera und die Perspektive des Verliebten bzw. des Romantikers verändert sich die Wahrnehmung dieser Welt und dieser Menschen, beispielsweise, wenn man auf einmal kurze Aufnahmen von Johnny und Roberto sieht, die in Farbe sind. Bezeichnenderweise handelt es sich hierbei um die Aufnahmen Walts, der seine Freunde mit einer gefundenen Kamera filmt.

Liebe und Körper
Die Bilder des Films spiegeln keinesfalls eine Art Miserabilismus wider, wie man ihn aufgrund der Themen des Films vielleicht vermuten könnte. Vielmehr erkennt man die Anteilnahme der Kamera an diesen Leben und dieser Welt sowie die leicht verklärte Romantik, welche sich aus der Figur des Außenseiters speist. Wie schon die deutschen Romantiker um Novalis oder Joseph von Eichendorff eröffnet diese Perspektive die Möglichkeit der Schönheit in kurzen Momenten sowie der Sehnsucht und des Verlangens, beispielsweise wenn die Kamera – die Sicht Walts imitierend – über den Körper Johnnys streift. Der Aufbruch und die Wurzellosigkeit dieser Menschen definiert sie, macht ihre Attraktivität aus, aber genauso auch ihre Tragik.

Doch innerhalb des Kontexts des Themas Einwanderung ergänzt Van Sant seine Geschichte noch um eine andere Perspektive auf den Körper. Einerseits Objekt der Sehnsucht, ist er andererseits auch immer in Gefahr, gerade wenn es um die Einwanderer im Film geht, die immerzu in Angst vor der Polizei oder Gewalt leben müssen. Auch die Figur des Walt ist in diesem Zusammenhang kritisch zu sehen, fragt er sich doch mehr als nur einmal, ob seine Empathie echt ist und ist gar bereit, für eine Nacht mit Johnny zu zahlen. Zwar kann man wie Johnny nein sagen, doch die Not nimmt ihm und seinem Freunden die Macht über den Körper, denn er ist das Letzte, was sie noch zu geben haben.

Credits

OT: „Mala Noche“
Land: USA
Jahr: 1986
Regie: Gus Van Sant
Drehbuch: Gus Van Sant, Walt Curtis
Musik: Ernest Gold
Kamera: John C. Campbell
Besetzung: Walt Curtis, Doug Cooeyate, Ray Monge, Nyla McCarthy

Trailer

Filmfeste

Berlinale 1986
International Film Festival Rotterdam 1987
Berlinale 2000
Cannes 2006
International Film Festival Rotterdam 2007

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„Mala Noche“ ist ein teils berührender, teils aber auch kontroverser Film über Außenseiter in der US-amerikanischen Gesellschaft. Die starke Kameraführung, die tollen Darsteller sowie die Inszenierung Van Sants machen das Drama zu einem ambivalenten Film, der nicht nach einfachen Erklärungen sucht, der Schönheit findet, aber genauso viel Dunkelheit in der Welt und im Herzen.
7
von 10