Seit ihrer Kindheit schon leidet So-yeon Han (Hyun-min Yoon) an einer seltenen Krankheit namens Gesichtsblindheit. Grundsätzlich kann sie alles sehen, es gelingt ihr jedoch nicht, Gesichter auseinanderzuhalten, weshalb sie sehr zurückgezogen lebt und keine tieferen Verbindungen aufbauen kann. Doch das ändert sich, als sie ungeplant zur Beta-Testerin einer neuartigen VR-Brille wird, mit deren Hilfe sie eine künstliche Intelligenz namens Holo (Sung-hee Ko) sieht. Im Gegensatz zu den realen Menschen kann sie ihn wiedererkennen, weshalb er bald zu einer wichtigen Bezugsperson wird. Kompliziert wird es jedoch, als Holos Schöpfer Nan-do Go (ebenfalls Sung-hee Ko) in ihr Leben tritt und der Gefühle für sie entwickelt …
Das Bestreben der Menschen, künstliche Intelligenzen zu schaffen, soll für mehr Komfort, vielleicht auch Effizienz sorgen, wenn sie uns viele der Arbeiten abnehmen, die wir bislang selbst erledigen mussten. Sie sorgen aber auch für neue Probleme oder zumindest Ungewissheiten. Denn wie sollen wir mit einem Wesen umgehen, das nicht aus Fleisch und Blut besteht? Handelt es sich überhaupt um ein Wesen? Und wenn ja, welche Konsequenzen hat das dann? Filme und Serien, die sich mit diesen Fragen auseinandersetzen, die gibt es inzwischen nicht zu knapp. Viele Produktionen aus dem Science-Fiction-Bereich geben zumindest Denkanstöße, beispielsweise Ex Machina, das von einem humanoiden Roboter handelt, der sich auf fast unheimliche Weise menschlich verhält.
Liebe per Programm
Aus Südkorea kommt nun mit My Holo Love eine weitere Serie, die sich in diesem Themenumfeld bewegt. Hier sind es sogar eine Reihe von anschließenden Gedankenexperimenten, die eine solche künstliche Intelligenz mit sich bringt. Ob ein künstliches Wesen dieselben Rechte genießen soll wie ein natürlich geborenes, ist eines davon. Genauer wird an einer Stelle gefragt, ob sich eine künstliche Intelligenz strafbar machen kann im Sinne des Gesetzes. Ein anderer Komplex betrifft die Gefühle. Kann ein solches Wesen lieben? Kann man es umgekehrt lieben? Wie soll eine Beziehung aussehen, die allein virtuell stattfindet, losgelöst von Körperlichkeit?
Auch dazu gibt es einige schöne Beispiele, die in den letzten Jahren veröffentlicht wurden. In Her verliebte sich der Protagonist in eine künstliche Intelligenz, die nur eine Stimme hatte, keine optische Erscheinung. In Blade Runner 2049 kam eine holografische künstliche Intelligenz zum Liebeseinsatz. My Holo Love verzichtet jedoch auf eine vergleichbare Nachdenklichkeit, auf eine existenzielle Grundsatzdebatte, ob das möglich ist. Stattdessen verwandelt sich die Netflix-Serie in ein Liebesdreieck zwischen So-yeon und den beiden Männern, einer virtuell, der andere real, die beide völlig gleich aussehen, aber unterschiedliche Persönlichkeiten haben. So als würde man mit zwei Zwillingen ausgehen.
Eine komische Situation
Eigentlich böte das Stoff für eine Komödie, da aufgrund von der Gesichtsblindheit der Protagonistin viel Verwechslungsgefahr besteht. Der Humor beschränkt sich jedoch darauf, dass drei Leute, jeder von ihnen auf seine Weise emotional gestört, sich und den anderen kontinuierlich im Weg stehen. Zwischenzeitlich dreht sich das schon sehr im Kreis, für eine Romanze braucht das ziemlich viel Zeit, nur um dann doch beim sehr vorhersehbaren Ende anzukommen. Ein bisschen wird das durch andere Handlungsstränge ausgeglichen, allen voran den, dass in dem Umfeld auch kriminelle Subjekte ihr Unwesen treiben, weshalb My Holo Love phasenweise leichte Thriller-Elemente aufweist. Doch die werden ebenso wenig konsequent verfolgt wie die philosophischeren Anwandlungen.
Das ist ausgesprochen schade. An Ideen mangelt es der Serie nicht. Selbst wenn die einzelnen Fragen, die hier aufgeworfen, für sich genommen nicht wirklich neu sind, so werden sie doch auf eine interessante Weise miteinander kombiniert. Auch das Szenario rund um die Gesichtsblindheit und inwiefern sie auf künstliche Gesichter reagiert, ist ein spannendes Szenario. Das wird aber lediglich für ein bisschen Rahmenarbeit genutzt, My Holo Love ist im Herzen eine ziemlich gewöhnliche Liebesgeschichte, der jedoch der nötige Charme fehlt, um an der Stelle für große Gefühle zu sorgen. Wer koreanische Dramen mag, kann reinschauen, zumal dieses hier tatsächlich auf Deutsch synchronisiert wurde. Ein bisschen langweilig ist das Ergebnis aber schon.
OT: „My Holo Love“
Land: Südkorea
Jahr: 2020
Regie: Sang-yeop Lee, Jong-ho Yoon
Drehbuch: Yong-jae Ryu, Hwan-chae Kim, Sung-joon Choi
Besetzung: Hyun-min Yoon, Sung-hee Ko, Yeo-jin Choi, Chan-sung Hwang, Jung-eun Lee, Myung-ryul Nam
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