Für Kinder ist es nicht leicht, ein Elternteil mit einem neuen Partner oder einer neuen Partnerin zu sehen. Was also tun? In The Lodge beschließt Richard (Richard Armitage) gemeinsam mit seiner neuen Verlobten Grace (Riley Keough) und seinen Kindern Aidan (Jaeden Martell) und Mia (Lia McHugh) ganz gemütlich in einem abgelegenen Haus Weihnachten zu feiern – bis alles ganz anders kommt. Nachdem der Horrorfilm letztes Jahr schon als Eröffnungsfilm des Fantasy Filmfests für wohligen Schauer gesorgt hat, steht am 6. Februar 2020 der reguläre Kinostart an. Das haben wir zum Anlass genommen, um uns ein wenig mit Veronika Franz und Severin Fiala zu unterhalten, die hier nach dem umjubelten Ich seh Ich seh ihr englischsprachiges Regiedebüt abgeben.
Nach Kern und Ich seh Ich seh ist The Lodge bereits der dritte gemeinsame Film von Ihnen. Weshalb drehen Sie eigentlich als Duo Filme?
Veronika Franz: Wir glauben, dass wir gemeinsam besser sind als alleine. Das hat sich gerade auch bei The Lodge bezahlt gemacht. Einen Film in einer anderen Sprache und in einem anderen System zu drehen, das hätten wir alleine nicht bewältigt, weil man um viele Dinge auch kämpfen muss. Da ist es ganz gut, wenn man zu zweit ist und sich gegenseitig versichert. Wenn dem einen die Kraft ausgeht, dann kämpft der andere weiter.
Severin Fiala: Filme sind ja ganz grundsätzlich immer ein Teamerfolg, wenn man als Regisseur versucht, von jedem Mitarbeiter wirklich das Beste zu bekommen. Wenn Leute alleine Filme machen, kann es immer mal passieren, dass einem das eigene Ego oder die eigene Wichtigkeit im Weg steht. Zu zweit ist es einfacher, den Film über alles zu stellen, zumal wir auch das gleiche Ziel vor Augen haben. Wir wollen nicht selbst am Ende gut dastehen, wir wollen, dass der Film gut dasteht.
Und wie kam es dazu, dass Sie überhaupt gemeinsam drehen?
Veronika Franz: Eine Karriereentscheidung war das nicht. Wir haben uns ja nicht auf einer Filmschule oder so kennengelernt, sondern weil Severin der Babysitter von meinem älteren Sohn war. Zwanzig Jahre ist das schon her. Damals war ich schon Drehbuchautorin und habe mit Ulrich Seidl viele Filme gemacht. Anstatt ihn zu bezahlen, haben wir ihn mit zur Videothek genommen, wo er sich so viele Filme ausleihen konnte, wie er wollte. Und wenn wir zurück waren, habe ich mich zu ihm gesetzt, habe mir mit einem vielleicht noch was angeschaut oder mit ihm über die Filme gesprochen, die er sich angeschaut hat. Wir haben einen recht ähnlichen Filmgeschmack.
Severin Fiala: Das ist auch essenziell, wenn man zusammen arbeitet. Du kannst dich da nicht nach jeder Szene dazu austauschen, wie du das jetzt gefunden hast oder was du willst. Das funktioniert nur, wenn du dir eine Vision teilst.
Veronika Franz: Außerdem sind wir beide ziemlich angstfrei. Vielleicht machen wir deshalb Horrorfilme. Weil wir wollen uns ja fürchten.
Dann kommen wir doch auf Ihren aktuellen Film The Lodge. Können Sie uns etwas zur Entstehungsgeschichte erzählen?
Severin Fiala: Nach dem Erfolg von Ich seh Ich seh haben wir auch einen Agenten in Hollywood gehabt. Aber die meisten Bücher, die uns angeboten wurden, haben uns nicht sonderlich interessiert. Dann lag aber eins auf unserem Tisch, das hatte damals noch nicht mal einen Titel, war aber von Hammer Films, der berühmten britischen Horrorfilm-Firma der 50er und 60er Jahre, die wir sehr lange kennen und lieben. Da haben wir uns natürlich sehr geehrt gefühlt und das auch mit großem Vergnügen gelesen. Nur funktionierte das Ende für uns nicht so ganz und wir wollten das ändern. Dabei haben wir festgestellt, dass wenn du das Ende änderst, dass du dann alles irgendwie ändern musst. Deswegen war das ein langer Prozess, bis daraus ein fertiges Drehbuch und The Lodge wurde. Wir dachten eigentlich, wir nehmen ein bestehendes Drehbuch und machen schnell einen Film draus.
Veronika Franz: Das haben wir einfach unterschätzt. Ein Drehbuch umzuschreiben macht genauso viel Arbeit wie ein komplett neues zu schreiben. Vielleicht sogar noch mehr, weil du musst dich in die Figuren erst hineindenken, die jemand anderes entworfen hat, und sie dir zu eigen machen.
Am Ende gibt es ja einige Parallelen zwischen The Lodge und Ich seh Ich seh. Beide spielen in einem abgelegenen Haus und handeln von einer Frau, die ein schwieriges Verhältnis mit zwei Kindern hat. Warum ist Ihnen das Thema so nahe?
Severin Fiala: Das ist gar nicht so einfach zu beantworten. Ich denke, dass dich als Mensch einfach bestimmte Themen interessieren, weshalb sie dich immer wieder beschäftigen, ohne dass du das planst. Das geschieht eher unterbewusst. Eine isolierte Konstellation von Personen macht es einfacher, ein intensives zwischenmenschliches Drama zu erzählen.
Veronika Franz: Der kleinstmöglichste Kriegsschauplatz.
Alle drei Figuren sind sehr von ihrer Vergangenheit geprägt. Wie sehr sind wir als Menschen Produkt unserer Vergangenheit?
Severin Fiala: Das ist natürlich jetzt eine wahnsinnig komplexe Frage. Aber auf unseren Film bezogen würde ich sagen, dass die Figuren nicht nur Produkt dieser Vergangenheit sind, sondern auf ihre Weise versuchen, die Vergangenheit hinter sich zu lassen. Die Methoden, mit denen sie vorgehen, sind nur nicht unbedingt sehr gesund, weshalb auf diese Weise ein Drama entsteht.
Veronika Franz: Das ist auch so ein österreichisches Thema. Die Österreicher sind bekanntlich Verdrängungsweltmeister, die die Vergangenheit gerne mal nicht verarbeiten, sondern lieber wegschauen oder sie zuschütten.
Severin Fiala: Unser Film ist deshalb vielleicht auch eine Warnung, dass das so nicht geht, die eigenen Wunden und Traumata zu verstecken. Dass wir nicht so tun sollten, als wären wir alle gesund. Denn das sind wir nicht. Wir müssen lernen, auch darüber kommunizieren zu können.
Was sind denn Punkte in der Vergangenheit, die Sie selbst geprägt haben?
Veronika Franz: Die Klosterschule! Nein, im Ernst: Ich muss sagen, dass ich ein großer Jetzt-Mensch bin. Ich habe tatsächlich auch ein sehr schlechtes Gedächtnis. Insofern ist die Frage für mich sehr schwer zu beantworten. Ich versuche mich aber schon an das Klischee zu halten, dass jeder Tag dein letzter sein könnte, weshalb du den auch nutzen musst. Was jetzt nicht heißen soll, dass ich nicht an die Zukunft denke. Du hast da natürlich eine moralische Verpflichtung.
Vor allem, wenn man Kinder hat.
Veronika Franz: Ganz genau.
Severin Fiala: Als Filmemacher legen wir den Finger an die Wunde, sich nicht mit der Vergangenheit beschäftigen zu wollen. Das eine Trauma oder Schlüsselereignis gibt es bei mir jedoch nicht. Meine Gegenwart ist die Summe von mal sehr langweiligen, mal auch sehr spannenden Ereignissen.
Sie haben schon erwähnt, dass The Lodge eine ausländische Produktion ist. Was waren die Herausforderungen dabei, einen internationalen Film zu drehen?
Severin Fiala: Wir hatten vorher den Luxus, eine absolute Freiheit beim Dreh zu haben. Wir konnten eigentlich machen, was wir wollen. Amerika war für uns ein gänzlich neues System. Es gibt ganz strenge Regeln und Gewerkschaften, damit die Leute nicht ausgebeutet werden. Die Menschen am Set hatten teilweise auch andere Funktionen, als wir es von zu Hause gewohnt sind. Die größte Herausforderung war für uns deshalb glaube ich zu lernen, was es heißt, dort einen Film zu machen. Da war viel learning by doing dabei.
Veronika Franz: Die hatten auch unterschätzt, wie wichtig uns Authentizität beim Dreh war. Beispielsweise dachten sie, dass es reicht, wenn die Lodge isoliert aussieht. Wir wollten aber eine, die auch wirklich isoliert ist und nicht direkt neben Häusern steht, wo andere dauernd bei uns reinschauen konnten.
Und wie geht es im Anschluss weiter? An welchen Projekten arbeiten Sie?
Severin Fiala: Wir arbeiten an verschiedenen Projekten. Eines davon ist wieder auf Deutsch. Das ist ein historischer Stoff und heißt Des Teufels Bad und spielt im 18. Jahrhundert. Es handelt sich dabei um eine deutsch-österreichische Coproduktion und soll dieses Jahr in Oberösterreich gedreht werden. Das ist ein Herzensprojekt von uns, das wir eigentlich schon nach Ich seh Ich seh machen wollten. Deshalb freuen wir uns sehr, dass wir das jetzt machen können.
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