Und weiter geht es mit der True Crime Doku Sparte, welche sich auf Netflix großer Beliebtheit erfreut. Nachdem es zwei Tage zuvor in Der Apotheker zuerst um einen ungelösten Mordfall und den daraus anschließenden Kampf gegen die mächtige Pharmaindustrie ging, steht bei Wer hat Malcolm X umgebracht? der gleichnamige Vorkämpfer für die Rechte der Schwarzen im Mittelpunkt. Der war in den 50ern und 60ern überaus prominent, aber auch kontrovers, legte sich mit praktisch jedem an, egal ob schwarz oder weiß. Als er dann am 21. Februar 1965 erschossen wurde, hielt sich die Überraschung daher in Grenzen. Todesdrohungen hatte er zuvor einige erhalten, gerade auch von Mitgliedern der Organisation Nation of Islam, der er selbst angehört hatte, bis man sich im Streit trennte. Er selbst sagte, dass er von ihnen ermordet werden soll. Täter mussten im Anschluss nicht lange gesucht werden, am Ende wurden drei Männer hierfür verurteilt.
Die Suche nach den Tätern
Aber waren es auch die richtigen Männer? Daran gab es von Anfang an Zweifel. Manche meinten, Polizei und FBI hätten sich die Arbeit zu einfach gemacht, weil es sie schlichtweg nicht interessierte, wer der Mörder war. Andere gingen noch einen Schritt weiter und sahen den Tod des schwarzen Anführers als das Ergebnis einer großen Verschwörung, wenn die weißen Machthaber sich eines gefährlichen Querulanten entledigen wollten. Ganz so sehr lehnt sich Wer hat Malcolm X umgebracht? nicht aus dem Fenster. Wohl aber insistiert die Netflix-Doku, dass zwei der drei Männer unschuldig waren, gar nicht schuldig sein konnten, waren sie doch nicht einmal am Tatort. Der Dritte, der einzige, der sich schuldig bekannte, beteuerte auch von Anfang an, dass sie nicht Teil des Komplotts waren.
Wer aber waren dann die beiden anderen Männer? Die Serie lässt sich für die Beantwortung ziemlich viel Zeit. Sie wird sich für einige auch viel zu viel Zeit damit lassen. Sechs Folgen sind es, erst nach fünf ist Malcolm der Chronologie nach tot, ein richtig handfestes Ergebnis kommt nicht einmal dabei raus. Beweise sind Jahrzehnte später zugegeben etwas schwer noch sicherzustellen, es bleibt bei einem Verdacht, der mitten im Raum steht. Zumal die Auswirkung dieser Enthüllungen sich in Grenzen hält. Wer selbst einer der Deep State Verschwörungstheorien anhing, der wird definitiv enttäuscht sein. Letztlich waren es einfach andere Leute aus dem Umfeld des Nation of Islam, die den Abzug betätigten. Für die Betroffenen ist die fälschliche Verurteilung natürlich katastrophal. An denen hat Wer hat Malcolm X umgebracht? jedoch kaum Interesse, was ein wenig irritierend ist.
Mehr Geschichtsstunde als True Crime Doku
Als reine True Crime Doku ist das hier dann auch ein bisschen dünn, trotz der Fülle an Geschichten und Details. Anders als beim ähnlich betitelten Wer hat den kleinen Grégory getötet? nimmt das konkrete Verbrechen einen relativ geringen Teil an. Wichtiger war es dem Regieduo Rachel Dretzin und Phil Bertelsen, mehr über die Hintergründe zu erzählen. Wer genau war Malcolm X eigentlich? Was hat es mit der Nation of Islam auf sich? Weshalb kam es zu dem Zerwürfnis, welche der einstige Fürsprecher mit dem Leben bezahlen musste? Der Titel der Serie bezieht sich daher weniger auf die konkreten Täter, sondern auf den Kontext der Tat, die Vorgeschichte.
Als Geschichtsstunde ist Wer hat Malcolm X umgebracht? dann auch ziemlich interessant, gerade zu den unterschiedlichen Strömungen der damaligen Bürgerrechtsbewegungen. Die Serie verkommt zudem nicht zur reinen Heldenverehrung, wie es solche biografischen Dokumentationen berühmter Persönlichkeiten oft sind. Stattdessen zeigen Dretzin und Bertelsen ihre Titelfigur als einen widersprüchlichen Menschen, dessen Kampf gegen Rassismus und Hass immer wieder an der Grenze zu einem eigenen Rassismus waren. Hasserfüllt waren sie sowieso, eine friedliche Bürgerrechtsbewegung, wie sie Martin Luther King verfolgte, war für ihn eine Unterwerfung vor dem weißen Mann. Auch jede Form von Kompromiss war nur eine Fortsetzung der Sklaverei. Diese Radikalität kann man nun verurteilen oder bewundern, eine faszinierende historische Figur war Malcolm X sicherlich, unabhängig davon, wer ihn am Ende getötet hat.
OT: „Who killed Malcolm X?“
Land: USA
Jahr: 2020
Regie: Rachel Dretzin, Phil Bertelsen
Musik: Prince Paul, Don Newkirk
Kamera: Tony Hardmon, Jerry Henry, Keith Walker, Cliff Charles
Wer noch mehr über den Bürgerrechtler erfahren möchte, dem empfehlen wir das Drama Malcolm X von Spike Lee mit Denzel Washington in der Hauptrolle, der hierfür auch eine Oscar-Nominierung als bester Hauptdarsteller bekommen hat.
(Anzeige)