Es ist nur eine Frage der Zeit, bis die Welt untergeht, davon ist Alain (Réal Bossé) überzeugt. Ob es nun die Klimakatastrophe ist oder vielleicht auch irgendeine Seuche, die Tage der Menschen sind gezählt. Doch er ist vorbereitet, arbeitet schon länger daraufhin, sich im Ernstfall in einer abgelegenen Gegend Kanadas selbst versorgen zu können, aber auch sich und seine Anlage vor Eindringlingen verteidigen zu können. Dieses Wissen will er mit Antoine (Guillaume Laurin), Rachel (Marie-Evelyne Lessard) und anderen teilen, die eines eint: Sie wollen für den Katastrophenfall vorbereitet sein. Doch dann kommt es in der Anlage selbst zu einer Katastrophe, auf die niemand vorbereitet war …
Ein bisschen Weltuntergangsstimmung herrscht derzeit ja schon, wenn in Folge der Virus-Pandemie die Supermarktregale leergeräumt sind, öffentliche Verkehrsmittel zu Geisterfahrten werden und Begegnungen mit anderen menschlichen Wesen von misstrauischen Blicken begleitet sind. Im Fall der Fälle sind viele sich dann doch selbst am nächsten. Insofern ist es irgendwie schon passend, wenn Netflix ausgerechnet jetzt seinen frankokanadischen Thriller Bis zum Untergang auf die Menschheit loslässt. Denn dort mag der Weltuntergang noch eine reine Theorie sein, die Vorbereitungen darauf sind aber mehr als konkret.
Aus Spaß wird Ernst
Das fängt ganz interessant an, hat ein bisschen was von einem Sozialexperiment à la Der Schacht. Wie würden Menschen sich verhalten, wenn es ernst wird? Welche Vorbereitungen für den Ernstfall sind sinnvoll? Und was würde passieren, wenn sich die Leute eben nicht mehr auf die Errungenschaften der Zivilisation verlassen könnten? Der Film lässt sich dabei relativ viel Zeit, um die Gruppe einzuführen und von ihren täglichen Erfahrungen im Lager zu berichten. Das ist meistens eine harmlose Spinnerei, wirkt ein bisschen wie ein Pfadfindercamp, mit der einen oder anderen komischen Situation. Man zieht sich auf, macht seine Späße und versucht ansonsten, die eigenen Fertigkeiten zu erweitern, so gut es eben geht.
Dass das mit der Ruhe und Idylle nicht lange so bleiben wird, ist aber klar, von Anfang an herrscht eine etwas unheilvolle Stimmung. Spätestens wenn sich die Männer und Frauen dran setzen, um eigene Waffen herzustellen – man weiß ja nie – wird es zunehmend unangenehm. Zumal Alain nicht einmal versucht, seine menschenverachtende Einstellung zu verstecken. Wenn da offen gegen Klimaflüchtlinge gehetzt wird, dann bekommt das hier sogar eine politische Note. Die ist umso stärker, da sich die Geschichte in Kanada abspielt, eines der in der Wahrnehmung offensten Länder der großen Industrienationen. Wenn selbst dort sich die Leute abschotten und notfalls mit Waffengewalt alles von außen abwehren, dann wird auch dem Letzten klar: Die Erde ist am Arsch.
Am Ende ist alles wie immer
Doch eben diese postapokalyptische Note gibt Bis zum Untergang zur Hälfte hin auf, auch die gesellschaftlichen und sozialen Komponenten verschwinden völlig. Stattdessen verwandelt sich der Film in einen recht geradlinigen Survival-Thriller, in dem die hypothetische Gefahr einer sehr konkreten weicht. Das hat ein bisschen was von einem Slasher-Film, wenn nach und nach das Personenumfeld kleiner wird. Allzu brutal wird es dabei jedoch nicht: Die Spannung entsteht mehr aus der Frage, wann genau es wieder jemanden erwischt, unter welchen Umständen und natürlich auch, wer das nächste Opfer ist.
Problematisch ist dabei jedoch, dass die Figuren – wie in den besagten Slashern – nahezu völlig frei von Geschichten und Persönlichkeit sind. Anders als etwa beim Agatha Christie Klassiker Das letzte Wochenende, wo sich jeder Tod bedeutungsvoll anfühlt, ist hier trotz der längeren Einführung zu wenig Substanz, um tatsächlich mitfiebern zu können. Hinzu kommt, dass die Abwechslung bei dem Kampf hier relativ gering ist. Einzelne nervenaufreibende Szenen gibt es durchaus, wenn sich der hektische Film auch mal die Zeit nimmt, anstatt nur abzuhaken. Manchmal wird es auch recht fies. Aber diese Momente sind genug, um dem Thema ganz gerecht zu werden, Bis zum Untergang ist trotz der vielversprechenden Prämisse ein nur brauchbarer No-Name-Thriller, den man schnell wieder vergessen hat.
OT: „Jusqu’au déclin“
IT: „The Decline“
Land: Kanada
Jahr: 2020
Regie: Patrice Laliberté
Drehbuch: Charles Dionne, Nicolas Krief, Patrice Laliberté
Musik: Jason Sharp
Kamera: Christophe Dalpé
Besetzung: Marc Beaupré, Réal Bossé, Marilyn Castonguay, Guillaume Cyr, Isabelle Giroux, Marc-André Grondin, Guillaume Laurin, Marie-Evelyne Lessard, Juliette Maxyme Proulx
https://www.youtube.com/watch?v=Cc4SrtApxxA
Bei den Amazon-Links handelt es sich um sogenannte Affiliate-Links. Bei einem Kauf über diesen Link erhalten wir eine Provision. Auf diese Weise könnt ihr unsere Seite unterstützen.
(Anzeige)