
Georg Dreyman (Sebastian Koch) ist nach außen hin ein der DDR ergebener Vorzeigekünstler. Dennoch wird der Dramatiker auf Anweisung von Kulturminister Hempf (Thomas Thieme) vom gefühlslosen Stasi-Hauptmann Gerd Wiesler (Ulrich Mühe) abgehört. Als dieser während seiner Überwachung die wahren Gründe derselben herausfindet, dass Hempf nämlich einen Weg sucht, sich Dreymans zu entledigen, um aus der Affäre mit dessen Freundin, die bekannte Schauspielerin Christa-Maria Sieland (Martina Gedeck), eine Beziehung machen zu können, wird Wieslers Systemtreue stark erschüttert. Statt heldenhaft gegen „den Feind“ zu kämpfen, ist er die Marionette privater Interessen geworden.
Trotz einiger Kurzfilme, welche auf mehr oder weniger renommierten Festivals Beachtung fanden, war Florian Henckel von Donnersmarck 2006 für die breite Masse ein unbeschriebenes Blatt. Das änderte sich schlagartig mit dem bahnbrechenden Erfolg seines Regiedebüts Das Leben der Anderen, welches neben zahlreichen nationalen Preisen den dritten und bisher letzten Oscar für den besten fremdsprachigen Film für Deutschland holte. Das Sujet mag durchaus erst einmal einige abschrecken, nach dem Motto „nicht schon wieder ein deutscher Film, der sich mit wahlweise den Nazis oder der DDR beschäftigt, um sich bei den Amis für einen Oscar anzubiedern“, aber jedwede Sorge dieser Art ist gänzlich unberechtigt.
Stimmer Blick auf einen Überwachungsstaat
Der Experte Manfred Wilke sorgte als wissenschaftlicher Berater dafür, dass Das Leben der Anderen von einer historischen Authentizität geprägt ist, auch wenn Henckel von Donnersmarck sich einige künstlerische Freiheiten herausnimmt. Diese mögen teilweise mit tatsächlichen Begebenheiten nicht in Einklang gebracht werden können, in der damaligen Realität geradezu undenkbar gewesen sein, aber es handelt sich schließlich um einen fiktionalen Spielfilm und nicht um eine Dokumentation. Henckel von Donnersmarck liefert ein Drehbuch mit einer in sich stimmigen Filmrealität ab, die jedem, der sie nicht miterlebt hat, ein eindrucksvolles und beängstigendes Bild der damaligen Zeit zu vermitteln weiß. Einer Zeit, die weder bis heute vollständig aufgearbeitet ist noch als bloße Vergangenheit abgetan werden kann, gerade in Anbetracht des ebenfalls nicht vollständig aufgearbeiteten NSA-Skandals.
Das Leben der Anderen im Jahre 1984 zu spielen lassen, kann kaum eine zufällige Entscheidung sein; falls doch, ist das Kunstwerk schlauer als der Künstler. In Orwellscher Tradition sitzt Hauptmann Wiesler dem Big Brother gleich mit Kopfhörern bewaffnet daheim, belauscht seine Mitmenschen, nimmt an ihrem Leben teil – ein eigenes hat er nicht. Die Wandlung, die sein Charakter durchlebt, mag hier und da gehetzt erscheinen, ist im Großen und Ganzen aber nachzuvollziehen. Einige Sprünge könnten darauf zurückzuführen sein, dass die ursprünglich dreistündige Erstfassung für die Veröffentlichung auf 137 Minuten zurechtgestutzt wurde – eine Entscheidung, die Werk ohne Autor vielleicht auch ganz gut getan hätte. Verkörpert wurde Wiesler von Ulrich Mühe in einer seiner letzten Rollen und es ist kaum eine bessere Besetzung vorstellbar.
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