Für den 15-jährigen Tiuri (Amir Wilson) steht fest: Er wird einmal ein Ritter werden! So richtig erfolgreich ist er dabei aber nicht, statt Ruhm zu ernten, muss er sich immer wieder Spott von anderen anhören. Wäre nicht sein Vater, der gutes Geld investiert hat, Tiuri hätte es gar nicht geschafft, überhaupt in die Auswahl zu kommen. Doch all das spielt keine große Rolle mehr, als er in eine Abenteuer stolpert. Ein sterbender Ritter hat ihm einen Brief anvertraut, der unter allen Umständen zu König gebracht werden muss. Der Jugendliche willigt ein, dies für ihn zu erledigen, schart bald auch andere um sich, die ihn begleiten. Gleichzeitig sind ihm finstere Männer auf der Spur, die eben diesen Brief in ihren Besitz bringen wollen …
Bald 50 Jahre alt ist der Jugendroman De brief voor de Koning der niederländischen Autorin Tonke Dragt. Offensichtlich erfreut er sich aber nach wie vor größerer Beliebtheit, weshalb nach einer ersten Adaption – ein Film aus dem Jahr 2008 – nun eine weitere folgt. Netflix gab dieser aber ein bisschen mehr Raum, indem aus dem Stoff eine Serie wurde mit sechs Folgen à rund 45 Minuten. Der Streamingdienst gab aber auch dem Kreativteam mehr Raum, das Buch so abzuwandeln, wie es das für richtig hielt. Mit der Vorlage hat Der Brief für den König deshalb nur den groben Plot gemeinsam, im Laufe des Abenteuers finden sich genug Abweichungen, zum Ärger der entsetzten Fans.
Ich zeige dir das Ende
Eine dieser Abweichungen ist eine stärkere Betonung des Fantastischen. Es geht in Der Brief für den König um die Abenteuerreise der Jugendlichen. Es geht aber auch um Prophezeiungen und große magische Kräfte. Tatsächlich gebraucht hat es die aber nicht. Sie werden für einen netten Twist verwendet, zum Ende darf auch das für Spezialeffekte zuständige Team ein bisschen was vom Budget abbekommen und das eigene Talent unter Beweis stellen. Visuell ist das sogar ganz brauchbar, gerade auch für eine niederländische Produktion, die mit Sicherheit nicht das ganz große Geld zur Verfügung hatte.
Ansonsten ist die Serie optisch recht durchwachsen. Es gibt die übliche Abfolge von Wäldern und düsteren Verliesen sowie eine sichtliche Vorliebe für Dunkelheit – das schafft schließlich Atmosphäre und man muss nicht wirklich viel im Hintergrund machen. Sieht ja eh keiner. Bei den Kämpfen orientierte man sich an den einschlägigen Pseudo-Mittelalter-Vorbildern. Große Schlachten gibt es hier nicht, von einem Krieg wird zwar gesprochen, gezeigt wird er nicht. Aber selbst bei den Mann-zu-Mann-Kämpfen sollte man keine großen Erwartungen haben, die jungen Protagonisten und Protagonistinnen haben schlicht nicht die notwendige Erfahrung mit den Schwertern oder anderen Waffen. Es fehlt in Der Brief für den König an der nötigen Wucht.
Ein stilistischer Eiertanz
Versucht hat man es natürlich. Offensichtlich war die Idee, eine Art Game of Thrones für ein jüngeres Publikum zu machen. Das bedeutet, dass es düster werden darf, aber nicht zu düster. Von brutal ganz zu schweigen. Grundsätzlich ist das als Ziel nicht verkehrt. Nur wusste man wohl nicht so wirklich, wie man eine solche Serie mit zielgruppengerechten Elementen verbinden kann. Immer mal wieder hat man den Eindruck, dass hier Pfadfinder unterwegs sind, die abends am Lagerfeuer sitzen und davon träumen, ihr nächstes Abzeichen zu machen. Das ist irgendwie nett, passt aber nicht so recht zu dem vorgegebenen Weltuntergangsszenario.
Richtig spannend ist Der Brief für den König dann auch nicht, wobei die Figuren daran ihren Anteil haben. Tiuri ist der typische Protagonist, der im Laufe seiner Reise über sich hinauswachsen muss. Die Entwicklung selbst ist aber äußerst bescheiden. Anstatt seinen Charakter zu festigen oder wenigstens seine Fertigkeiten auszubauen, bleibt er ein Junge mit gutem Herzen, aber wenig Kompetenz – oder Charisma. Mehr als Durchschnitt ist das Ganze deshalb nicht. Das kann reichen, zumindest für die Zielgruppe, die gerne junge Helden und Heldinnen sieht, welche die Welt retten. Im direkten Vergleich ist der nordische Kollege Die Hüterin der Wahrheit – Dinas Bestimmung dann aber doch die bessere Wahl, wenn es um jugendliche Fantasy-Abenteuer geht, alternativ Wenn du König wärst, welcher die Artus-Saga auf ungewöhnliche Weise in der Gegenwart neu interpretiert.
OT: „The Letter for the King“
Land: Niederlande
Jahr: 2020
Regie: Felix Thompson, Alex Holmes, Charles Martin
Drehbuch: Will Davies, Rose Heiney, Harry Cripps, Joy C. Mitchell
Vorlage: Tonke Dragt
Musik: Brandon Campbell
Kamera: Petra Korner, Larry Smith
Besetzung: Amir Wilson, Ruby Ashbourne Serkis, Thaddea Graham, Islam Bouakkaz, Jonah Lees, Jack Barton, Nathanael Saleh, Gijs Blom
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