Im Leben von Priscilla Connolly (Sophie Lowe) und ihrer Schwester Mary Beth (Morgan Saylor) geht es gerade drunter und drüber. Aufgebracht durch den Tod ihrer Mutter wissen sie nicht so recht, wie es mit ihnen weitergehen soll. Während Priscilla den völlig verschuldeten Laden ihrer Mutter weiterführen möchte und auch das Familienhaus irgendwie zu behalten versucht, will Mary Beth weg von hier und woanders neu anfangen, so schnell es geht. In einer Bar, wo sie ihren Kummer und ihre Wut runterspülen will, macht sie dabei die Bekanntschaft eines Mannes, die nicht nur tragisch endet, sondern auch zu einigen unerwarteten Entdeckungen führt …
Man kann Bridget Savage Cole und Danielle Krudy sicher nicht vorwerfen, dass sie bei Leg’ den Kerl um lange fackeln würden. Noch bevor die beiden Regisseurinnen und Drehbuchautorinnen mit ihrer Geschichte anfangen, legen sie bereits die Atmosphäre fest, welche ihr Spielfilmdebüt bis zum Schluss verfolgen wird. Zu sehen ist eine Gruppe von Fischermännern, die in einem kleinen Dorf ihrer Arbeit nachgehen. Vor allem aber sind sie zu hören, singen sie doch das ausgesprochen blutige Seemannslied Blow the Man Down, welches dem Film seinen Originaltitel gegeben hat. Sie singen es für sich selbst. Sie singen es aber vor allem für das Publikum, wie ein Chor in den alten Theaterstücken. Das Ergebnis ist gleichzeitig komisch, schräg und doch auch unheimlich.
Von allem ein bisschen
Leg’ den Kerl um wird dann auch im Laufe der anderthalb Stunden mehrfach zwischen den Genres hin und her wechseln. Der Einstieg der Hauptgeschichte ist tragisch, wenn wir die beiden trauernden Schwestern kennenlernen. Anschließend nimmt die Geschichte ein paar Wendungen, ginge am ehesten als schwarze Komödie durch, ein bisschen im Stil der Coen-Brüder. Durch die Ereignisse weitet sich der Blick, das Dorf als solches rückt mehr in den Vordergrund, was weitere Krimi- und Thrillerelemente mit sich bringt. Zum Ende hin überwiegt dann wieder das Drama, wenn eben nicht nur bei Familie Connolly einiges im argen liegt, jeder irgendwelche Geschichten mit sich herumträgt.
Diese Mischung wird nicht jedem gefallen. Während beispielsweise Gewalt und Verbrechen eine größere Rolle spielen, werden sie kaum gezeigt, zu wenig für die Fans deftiger Genrekost. Und auch wenn viele Figuren hier ein wenig skurril sind, so ist es doch nie genug, damit Leg’ den Kerl um als tatsächliche Komödie durchginge, bei der man häufiger lachen muss. Unterhaltsam ist der Mix, der auf dem Tribeca Film Festival 2019 Premiere hatte und nun per Amazon Prime Video erhältlich ist, aber durchaus. Man muss sich nur darauf einlassen können, dass in diesem Dorf vieles ein wenig anders ist, selbst wenn es einem auf den ersten Blick bekannt vorkommt.
Eine undurchsichtige Frauenfront
Irritierend ist beispielsweise auch, dass die beiden Schwestern, die zunächst als Hauptfiguren eingeführt werden, später zunehmend in den Hintergrund rücken. Das liegt aber auch an Margo Martindale, die als Puffmutter eine so hinreißend matriarchische Vorstellung abliefert, dass es ausgesprochen schwer ist, neben ihr zu bestehen. Wobei sie Konkurrenz bekommt durch ein Trio älterer Damen (June Squibb, Marceline Hugot, Annette O’Toole), die zunächst wie reine Hintergrunddekoration wirken, die aber – wie das ganze Dorf – hinter der netten, idyllischen, altmodischen Fassade den einen oder anderen Abgrund verbergen.
Bemerkenswert dabei ist, wie unwichtig die Männer in dem Film sind. Sie dürfen singen, dienen als Katalysator, haben aber – von einem jungen Polizisten abgesehen – nichts zu sagen, so als gehörten sie gar nicht dem Dorf an. Das ist irgendwo auch durchaus reizvoll, Leg’ den Kerl um beleuchtet zum Teil komplexe Frauenfiguren und ihre Beziehungen untereinander, ohne daraus ein Problemdrama machen zu müssen. Mehr als ein Geheimtipp wird daraus eher nicht werden, dafür ist der Film zu zurückhaltend, kann auch nicht mit großen Namen protzen. Aber es ist doch schön, Teil dieses etwas anderen Dorfes zu werden, in dem Freundschaft und Feindschaft eng beieinander liegen, man im einen Moment noch schmunzelt, nur um dann über eine Leiche zu purzeln.
OT: „Blow the Man Down“
Land: USA
Jahr: 2019
Regie: Bridget Savage Cole, Danielle Krudy
Drehbuch: Bridget Savage Cole, Danielle Krudy
Musik: Brian McOmber, Jordan Dykstra
Kamera: Todd Banhazl
Besetzung: Morgan Saylor, Sophie Lowe, Margo Martindale, June Squibb, Marceline Hugot, Annette O’Toole, Gayle Rankin
Preis | Jahr | Kategorie | Ergebnis | |
---|---|---|---|---|
Film Independent Spirit Awards | 2020 | Bestes Debüt-Drehbuch | Bridget Savage Cole, Danielle Krudy | Nominierung |
Bei diesen Links handelt es sich um sogenannte Affiliate-Links. Bei einem Kauf über diesen Link erhalten wir eine Provision. Auf diese Weise könnt ihr unsere Seite unterstützen.
(Anzeige)