Für Charlie Driggs (Jeff Daniels) könnte es im Moment nicht besser laufen. Nach langer Arbeit hat er in seinem Betrieb, einer New Yorker Firma, die sich auf Finanzgeschäfte spezialisiert hat, die langersehnte Beförderung zum Vizepräsidenten erhalten und genießt seine wohlverdiente Mittagspause. In einem kleinen Imbiss lernt er die schöne Lulu (Melanie Griffith) kennen, die ihm nachläuft und ihn damit konfrontiert, dass er für sein Essen nicht bezahlt hat. Unter dem Vorwand, ihn zu seiner Arbeit zu fahren, entführt die junge Frau, die eigentlich Audrey heißt, Charlie in ein wildes Abenteuer, überredet ihn schließlich zu einer gemeinsamen Nacht und nimmt ihn sogar mit zu ihrer High-School-Reunion-Party, auch wenn Charlie immer wieder beteuert, dies sei für ihn, da er verheiratet sei, nur ein kurzes Abenteuer. Jedoch wird aus dem harmlosen Techtelmechtel zwischen den beiden bitterer Ernst, als sie auf dem Ball Ray (Ray Liotta) treffen, Audreys Ex-Mann, der noch nicht lange aus dem Gefängnis entlassen wurde. Dieser lässt sich von Audrey und Charlie nichts vormachen, glaubt ihnen nicht die Lüge, sie seien verheiratet und setzt alles daran, seine Verflossene wiederzuerobern, koste es, was es wolle.
Ausbruchsfantasien
Wie viele Filmschaffende vor ihm, war für US-Regisseur und Produzent Jonathan Demme der wohl bedeutendste Teil seiner Lehrjahre der praktische Teil, welchen er damit verbrachte für den berühmt-berüchtigten Roger Corman zu arbeiten. Dieser brachte ihm vor allem bei, dass man als Autor und Regisseur immer darauf achten sollte, dass das Publikum einer Verbindung zu den Charakteren im Film hat, wie Demme in Interviews sagte. Dieses Prinzip sieht man nicht nur in Something Wild (deutscher Titel: Gefährliche Freundin), sondern auch im wohl größten Erfolg des Filmemachers, dem 1991 veröffentlichten Das Schweigen der Lämmer.
Trotz der etwas unwahrscheinlichen Ausgangslage des Films liegt der Fokus des Zuschauers daher auf den Figuren, die auf der einen Seite einer Art Rollenklischee im Kino der 80er Jahre entsprechen, dann aber im Laufe der Handlung daraus ausbrechen. So ist der von Jeff Daniels gespielte Charlie Driggs an der Oberfläche einer jener aalglatten Yuppies, wie man sie kennt, dessen Lust auf Abenteuer sich in kleinen Diebstählen äußert, was ihn wiederum für Lulu/Audrey interessant macht. Griffith ist eine jener „femme fatales“, die gerade jenen Ausbruch, vor allem aus sexueller Hinsicht, symbolisieren, nach dem sich der Hauptcharakter sehnt. Doch eröffnet ihre gut geschriebene Hintergrundgeschichte eine andere Perspektive, die nicht nur Charlie, sondern auch den Zuschauer für diese Frau gewinnt, die sich ebenfalls nach einem Ausbruch aus ihrer Rolle sehnt.
Auf visueller Ebene wird diese Herangehensweise an die Charaktere nicht zuletzt durch die Kamera Tak Fujimotos unterstützt, der mit Demme an vielen seiner Filme zusammenarbeitete. Vor allem durch den häufigen Einsatz von Nahaufnahmen und der großen Liebe für bestimmte Details wie den Kostümen bleibt die Entwicklung der Figuren glaubhaft, trotz vieler actionreicher und mit viel Situationskomik gespickter Szenen. Zudem wird die tragische Dimension der Figuren beleuchtet, sodass selbst eine dem Äußeren nach krimineller und bösartiger Charakter wie der Ray Liottas nachvollziehbar bleibt, sind seine Handlungen doch von (enttäuschter) Liebe getrieben.
Die amerikanische Landschaft
Wie Thorsten Hanisch im Text zum jüngst erschienen Mediabook des Films der Firma OFDb schreibt, ist Something Wild, wie es der Titel in gewisser Weise andeutet, ein wilder Mix aus Screwball-Komödie und Einflüssen des film noir, die sich besonders im Finale zeigen. Neben diesen Elementen ist Something Wild als Werk der 80er Jahre zudem deutlich von einer der populärsten Filmgenres geprägt, nämlich dem Roadmovie. Das Automobil, wie schon in den Filmen eines John Hughes (Ferris macht blau), ist der Schlüssel zu jenem Ausbruch aus der Spießigkeit und der Kälte des Alltags der Großstadt sowie eine Erschließung der US-amerikanischen Landschaft samt ihrer Kuriositäten. Gerade in den wechselnden Orten, die Audrey und Charlie durchqueren, sowie im bereits erwähnten Wechsel der Kostüme zeigt sich ein Prozess der möglichen Veränderung hin zu einer möglichen Freiheit, nach der sich alle Figuren insgeheim sehnen.
Zuletzt wird dies unterlegt von einem gerade für einen Roadmovie sehr gelungenen Soundtrack produziert von Laurie Anderson und John Cale, der sich zum einen durch verschiedene Versionen des Songs „Wild Thing“ bemerkbar macht, aber auch jenen Blick auf Amerika betont, den Demme in so vielen seiner Filme wiederholte. Neben den Songs von Bands wie The Feelies, die man in den Szenen in der High-School in Aktion sehen kann, sind es vor allem die Beiträge wie das von Talking Heads Frontmann David Byrne beigesteuerte „Loco de Amor (Crazy For Love)“, welches nicht nur auf die Themen des Films anspielt, sondern auch jenen liebevoll-humanen Blick auf die Figuren impliziert, um den es Demme in seinem Gesamtwerk immer wieder ging.
OT: „Something Wild“
Land: USA
Jahr: 1986
Regie: Jonathan Demme
Drehbuch: E. Max Frye
Musik: Laurie Anderson, John Cale
Kamera: Tak Fujimoto
Besetzung: Melanie Griffith, Jeff Daniels, Ray Liotta
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