Romolus (Alessio Lapice) und Remus (Alessandro Borghi) sind einfache Hirten, die an den Ufern des Tibets ihrer Arbeit nachgehen – bis zu jenem Tag, als eine gewaltige Flutwelle sie erfasst und einfach wegspült. Doch das ist nur der Anfang einer ganzen Reihe fürchterlicher Ereignisse, die sie zu ertragen haben. Kaum an Land, werden sie aufgegriffen und sollen nun versklavt werden. Nur mit vereinten Kräften gelingt es ihnen, sich und die anderen zu befreien und zu entkommen. Und es erwartet sie noch viele weitere Herausforderungen und Gefahren, welche sie überwinden müssen, um ihrem Traum näherzukommen: eine Stadt gründen, in der sie eine Heimat finden werden …
Der thematische Sprung ist schon beachtlich. Nachdem Matteo Rovere eine größere Bekanntheit mit seinem Rennsportdrama Veloce Come Il Vento – Giulias großes Rennen erlangt hatte, das daheim in Italien für beeindruckende 17 David di Donatellos nominiert war – der wichtigste Filmpreis Italiens –, durfte man gespannt sein, welches Thema der Regisseur und Drehbuchautor wohl als nächstes aufgreifen würde. Doch selbst die fantasiereichsten Zuschauer wären wohl kaum auf die Idee gekommen, dass er sich ausgerechnet den Gründungsmythos Roms aussuchen würde. Dem zufolge waren es zwei Brüder, die von einer Wölfin gesäugt wurden, und später das Recht erkämpften, eine eigene Stadt aus dem Boden zu stampfen.
Am Rande der Fantasie
Von der Wölfin ist in The First King – Romulus & Remus nichts zu sehen. Auch die Götter und Göttinnen lassen sich nicht blicken, überlassen es dem Menschenvolk, sein eigenes Schicksal zu bestimmen. Wobei Letzteres durchaus vorbestimmt ist. So sagt zumindest die von Tania Garribba verkörperte Priesterin, welche die beiden entführen und mit ihren unheilvollen Weissagungen selbst ein uneingeweihtes Publikum darauf vorbereitet: Die Geschichte wird nicht gut ausgehen. Zumindest nicht für alle. Auch sonst ist das Leben von Religionen und Glauben bestimmt, Rovere hat eine mythische Welt erschaffen, in der man sich durchaus vorstellen kann, dass unsichtbare übernatürliche Kräfte am Wirken sind, hinter den Bäumen und Felsen Fabelwesen nur darauf lauern, dass die Menschen einmal vom Weg abkommen.
Wobei diese gar nicht mal darauf angewiesen sind, dass rachsüchtige Götter oder magische Kreaturen das Leben schwer machen. Das bekommen die Menschen auch ohne fremde Hilfe ganz gut hin. The First King – Romulus & Remus zeigt eine Welt, die noch irgendwo zwischen Barbarei und Zivilisation steckt. Der Wunsch nach Ordnung und Sicherheit, der ist da. Doch er muss hart erkämpft werden. Richtig hart: Der Film hat hierzulande nicht grundlos eine Freigabe an 18 Jahren, die Figuren hacken aufeinander ein, als würde ihr Leben davon abhängen. Teilweise trifft das auch zu, es herrscht eine Atmosphäre der Angst. Teilweise sind die blutigen Auseinandersetzung aber auch nur Ausdruck von Grausamkeit – siehe die Gladiatorenspiele.
Die dreckige Variante der Legende
Es ist aber nicht allein die Brutalität, weshalb die Stimmung in The First King – Romulus & Remus sehr rau ist. Rovere verzichtet komplett auf irgendwelche Hochglanzmomente. Er schickt seine Figuren durch den Dreck, lässt sie im Schlamm ringen, zerrissene Kleidung tragen, Haare und Gesicht sind so mitgenommen, dass man manchmal kaum erkennt, dass darunter sich noch ein Mensch befindet. Es gibt auch keine großen Städte oder wenigstens adrette Siedlungen: Alles hier scheint bereits zerstört, verfallen, noch bevor die Zivilisation überhaupt angekommen ist. Dieses Archaische wird durch die Sprache noch unterstützt, wenn hier in einem primitiven Lateinvorgänger geschimpft, gegrunzt, geschrien wird, was ein wenig an Der Mann aus dem Eis erinnert, der ebenfalls mit einer (re-)konstruierten alten Sprache für Stimmung sorgte. Der Atmosphäre wegen empfiehlt sich daher, auf die Originalversion zurückzugreifen und Untertitel zu lesen.
Richtig viel gesprochen wird ohnehin nicht. Mag sein, dass Rovere Vorkenntnisse einfach voraussetzt und deshalb kaum Kontexte liefert. Vielleicht war es ihm auch egal. Große Erkenntnisse wird man auf jeden Fall nicht aus dem Film mitnehmen, The First King – Romulus & Remus funktioniert als Geschichtsstunde kaum. Dafür ist er, von kleineren Längen später mal abgesehen, durchaus spannend, lebt auch von den intensiven Darstellungen der beiden Hauptdarsteller. Vor allem Alessandro Borghi (Suburra) als zunehmend wahnhaft auftretender Remus darf erneut unter Beweis stellen, wie wenig er sich auf sein gutes Aussehen reduzieren lassen will – so wie der Film allgemein alles Ruhm- und Glorreiche aus der Gründungsgeschichte geprügelt hat.
OT: „Il Primo Re“
Land: Italien, Belgien
Jahr: 2019
Regie: Matteo Rovere
Drehbuch: Matteo Rovere, Filippo Gravino, Francesca Manieri
Musik: Andrea Farri
Kamera: Daniele Ciprì
Besetzung: Alessandro Borghi, Alessio Lapice, Fabrizio Rongione, Massimiliano Rossi, Tania Garribba, Michael Schermi
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