Nachdem er zwanzig Jahre wegen seiner Verletzungen aus dem Ersten Weltkrieg im Krankenhaus gewesen war, kehrt ein jüdischer Friseur (Charlie Chaplin) in seinen Laden und sein Zuhause zurück. Seine Hoffnungen, nun ein normales Leben zu genießen, werden schnelle zerschlagen, denn die judenfeindliche Propaganda der Regierung unter Diktator Anton Hynkel (ebenfalls Chaplin) kontrolliert das öffentliche Leben, sodass alle Juden in Angst und Schrecken vor den täglichen Repressalien der Soldaten und Polizisten leben müssen. Als der Friseur bei einer Attacke von Soldaten beinahe in Haft genommen wird, erkennt ihn der befehlshabende Offizier Schultz (Reginald Gardiner) als seinen Kameraden aus dem Ersten Weltkrieg wieder und sorgt in der Folge dafür, dass das Ghetto von weiteren Übergriffen verschont bleibt. Die anderen Bewohner, darunter die Nachbarn des Friseurs, Herr Jeackel (Maurice Moscovitch) und dessen Tochter Hannah (Paulette Goddard), hoffen nun auf ein paar Tage des Friedens in ihrem Leben. Doch die Ruhe im Ghetto ist auch Kalkül, denn Hynkel, der einen Feldzug in das benachbarte Osterlitsch plant, hat nicht genügend finanzielle Ressourcen für eine solche Invasion. Seine Berater und Propagandaminister Gorbitsch (Henry Daniell) raten ihm zum Verhandeln mit jüdischen Kaufleuten und Bankiers, damit mit der Invasion der Nachbarländer das Fundament für den eigentlichen Plan Hynkels, der Weltherrschaft, geschaffen werden kann. Als die Verhandlungen jedoch erfolglos bleiben, erneuert der Diktator seine harten Maßnahmen gegen die Juden und die Hetze gegen diese setzt sich fort, dieses Mal haben die Soldaten vor allem den nun als Judenfreund verschrienen Schulz und seinen besten Freund, den Friseur, im Fadenkreuz.
Humor und Gewalt
Mit Der große Diktator drehte Charlie Chaplin 1940 nicht nur seinen ersten Tonfilm, sondern auch jenen Film, der sich, wie kein anderer seiner Filme zuvor, in das kollektive Gedächtnis vieler Menschen einbrennen sollte. Seine wenig kaschierte Anspielung auf das Hitler-Regime, bevor man den tatsächlichen Schrecken der Konzentrationslager sich ausmalen konnte im Ausland, lag eine Aussage des ungarischen Filmproduzenten Alexander Korda, der später Ernst Lubitschs Sein oder Nichtsein produzieren sollte, zugrunde, dass Chaplin durch den Schnauzbart, den er für viele Rollen trage, eine gewisse Ähnlichkeit mit Hitler habe. Diese sowie andere Vorkommnisse gaben Chaplin Anlass, sich genauer mit dem deutschen Diktator zu befassen, insbesondere dessen Reden, dessen Gestus sowie sein Umgang mit der Menge, alles Aspekte, die in den Bildern des Films sowie der Figur des Anton Hynkel Verwendung finden.
Es sind gerade die Mittel der Komik, insbesondere der Überzeichnung, die das Genie eines Filmes wie Der große Diktator ausmachen. In der Figur des Hynkel begegnen sich Lächerlichkeit sowie eine gefährliche Form des Größenwahns gepaart mit Menschenfeindlichkeit. Der berühmte Tanz mit der Weltkugel wird von Chaplin als elegant choreografierte Revue inszeniert, welche die tiefe Sehnsucht eines Megalomanen definiert, unter dessen monströsem Griff die Welt zerstört werden muss. Die Ich-Sucht dieses Menschen kennt keine Grenzen, wenn er zwischen zwei Terminen immer wieder in einen kleinen Nebenraum seines Büros zurückkehrt, um sich dort von einem stets parat stehenden Bildhauer und Porträtmaler abbilden zu lassen.
Neben dieser Charakterisierung des Diktators gelingt Chaplin mit den Mitteln der Komik eine sehr treffende Beschreibung des Wesens des Faschismus. Die berühmte Rede Hynkels zu Anfang des Films, ein unverständliches Kauderwelsch, durchbrochen von Begriffen wie „Leberwurst“, „Katzenjammer“ oder „Wiener Schnitzel“, ist verbunden mit den brutalen Gestus der Reden Hitlers, unter dem sich sogar die Mikrofone verbiegen. Dennoch bleibt das Aufpeitschende und die große Geste des Redners, dessen Worte beinahe egal sind und sich alles nur auf den Kult um eine Person und die Brutalität einiger Schlagworte richtet. Wie später in Lubitsch bereits erwähntem, ebenfalls genialem Sein oder Nichtsein besitzt die Komik immer einen ernsten Hintergrund, basiert auf genauer Beobachtung und Analyse, weshalb sie ihre Wirkung erzielt.
Ein Appell an die Menschlichkeit
Abgesehen von der interessanten Dualität der Figuren des Friseurs und des Diktators dient diese nicht zuletzt dem eigentlichen Kern des Films: dem Appell an die Menschlichkeit. In vielerlei Hinsicht ist der Friseur ein Echo der Rolle des Vagabunden, die Chaplin zu seinem Ruhm verhalf, jenem Symbol der beinahe kindlichen Unschuld, der meist unversehens in für ihn prekäre Situationen gerät oder eben, wie in Der große Diktator, zum Opfer von Gewalt wird. Der Friseur, wie auch die anderen Einwohner des Ghettos, können dieser Gewalt aber nicht entfliehen und sind ausgeliefert, werden zum Spielball der Politik, was Chaplins Film bisweilen eine sehr dunkle Note gibt.
Der Schrecken mündet in eine unmissverständliche Ansage an den Zuschauer, einen Appell an die Menschlichkeit, der auch viele Jahre nach Erscheinen des Films nichts von seiner Aktualität eingebüßt hat. Das gemeinsame Lachen im Kinosaal betont jene Erfahrung der Gleichheit der Menschen zusätzlich und kann als Chance auf Befreiung vor jenen Vorurteilen gesehen werden, die für so viel Schrecken in der Welt noch heute sorgen.
OT: „The Great Dictator“
Land: USA
Jahr: 1940
Regie: Charlie Chaplin
Drehbuch: Charlie Chaplin
Musik: Charlie Chaplin, Meredith Willson
Kamera: Roland Totheroh, Karl Struss
Besetzung: Charlie Chaplin, Reginald Gardiner, Henry Daniell, Paulette Goddard, Maurice Moscovitch
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