Parasite
Bong Joon-Hos gesellschaftskritische Thrillersatire "Parasite" war bei uns allen in den Top 10 zu finden (© Koch Media/capelight pictures)

Jahresrückblick (2019)

« 2018 2020 »

Mit 2019 geht ein interessantes Jahr für den Film zu Ende. Während auf der einen Seite viele Blockbuster, vor allem aus dem Hause Disney, die Quasi-Monopolstellung dieses Konzerns bestätigen, gab es doch sehr viele kleine Produktionen, teils von Regisseuren, die wie beispielsweise Ari Aster oder Robert Eggers bereits vielversprechende Debütfilme (Hereditary, The VVitch) vorgelegt haben. Dies konnten sehr oft begeistern und definierten eine Art Gegengift zu der Kommerzwelt des Filmgeschäfts, welche wir jeden Tag, aber besonders am Wochenende in den Multiplexen bestaunen dürfen. So wundert es nicht, dass viele der erfolgreichsten oder zumindest meistdiskutierten Filme in diesem Jahr nicht zuletzt Kritik an diesem System aus Gier, Kommerz und Bereicherung üben. Einer davon ist die südkoreanische Genremischung Parasite über einen etwas anderen Klassenkampf, die weltweit auf Begeisterung stieß.

Das schließt auch die diversen Autoren und Autorinnen unserer Seite ein. Kein Film tauchte häufiger in unseren individuellen Jahresbestenlisten auf. Welche Titel uns sonst noch begeistert haben, was uns ärgerte und worauf wir uns für 2020 freuen, könnt ihr in unseren jeweiligen Rückblicken nachlesen.

Michael Gasch

Top Filme

1. Vice – Der zweite Mann

Adam McKay bewies ein weiteres Mal, dass Biopic-Dramen, wie auch The Big Short schon, ihm im Blut liegen. Erneut kam so unterm Strich ein hochspannendes und hochkarätig besetztes Werk raus, welches uns einmal wieder vor Augen führt, dass unsere Welt in Puncto Politik und Gesellschaft nicht erst seit Trump teilweise ganz schön verrückte Dimensionen annimmt.

2. Once Upon a Time in … Hollywood

Auch wenn Once Upon a Time in … Hollywood nicht der beste Tarantino ist, hat man dennoch seinen Spaß mit dem neuesten Werk des eingefleischten Hollywood-Regisseurs. Als eine Ode an das Kino, fühlt man sich bei den vielen Referenzen zwar teilweise ein wenig überfordert, in der Gesamtheit ist aber selbst ein durchschnittlicher Tarantino noch allemal besser als das meiste, was sonst so über die Kinoleinwände huscht.

3. Rocketman

Auch wenn Rocketman sich mehr auf die Leidensgeschichte von Elton John fokussiert, anders als bei den ebenfalls hervorragenden Bohemian Rhapsody aus dem letzten Jahr, ist mit Rocketman in der Gesamtheit ein sehr rührseliger und gleichzeitig mitreißender Film entstanden. Alles andere als klischeefrei, sorgt der tolle Cast und die peppige Musik für tolle Vibes. Genau dieser Spagat zwischen den Feelgood-Musicalszenen und den rührseligen Familiendrama-Momenten macht Rocketman so sehenswert.

4. Joker

Der Preis für den wohl relevantesten Film geht dieses Jahr bei vielen, mich eingeschlossen, wohl an Joker von Todd Phillips. Am Puls der Zeit – ich hörte als Kinomitarbeiter immer mal, dass Joker nicht allzu weit von unserer Gesellschaft entfernt ist – schuf Phillips einen Film, der beim Blick auf das Einspielergebnis in Höhe von mehr als 1 Milliarde US-Dollar nicht nur die Faszination für das anspruchsvolle Kino erneut aufleben ließ, sondern darüber hinaus den Diskurs über unsere echte Welt, in der die Kluft zwischen arm und reich ebenso gravierender wird, gehörig aufrüttelte.

5. Wir

Nach dem Erfolg von  Get Out waren die Erwartungen an Jordan Peele ziemlich hoch, einen wie er es selbst sagte „richtigen Horrorfilm“ zu machen. Da das Horrorgenre in den letzten Jahren nicht das Gelbe vom Ei war, hat es aber auch streng genommen nicht viel gebraucht um sich von der Masse der halbgaren Durchschnittsproduktionen abzuheben. Peele setzte aber noch einen drauf und muss einfach gelobt werden für seine Feinfühligkeit, inszenatorischen Talente und dafür, dass mal jemand nicht auf altbackene Klischees setzt, sondern sich bewusst für unkonventionelles und besonders anspruchsvolleres Horrorkino entscheidet.

6. Doctor Sleeps Erwachen

Die Fortsetzung von dem Horror-Klassiker Shining hätte es sich wohl kaum schwerer machen können, den Erwartungen gerecht zu werden. Dennoch ist das mal eine recht gelungene Fortsetzung. Eine eindeutige Erklärung, was das Shining sein soll, bekommt man zwar wieder nicht (besonders kläglich für Leute wie mich, die bisher nicht dazu gekommen sind die Romane zu lesen), allerdings tut das den Film keinen Abbruch. Im Gegenteil, dieses ganze Metaphysische fasziniert die ganzen zweieinhalb Stunden so sehr, dass man dann ab einem gewissen Punkt auch auf die Bücher Lust bekommt.

7. Ad Astra – Zu den Sternen

Ad Astra war wohl für mich persönlich der heißerwartetste Film in 2019. Besonders groß waren daher auch die Erwartungen, besonders wenn ich mich an das Munkeln über die Story und Worte wie „irgendetwas Richtung Gravity oder Interstellar“ zurückerinnere. Ad Astra ist jedoch Lichtjahre vom „Blockbusterkino“ entfernt. Erneut, wie  auch in den anderen Filmen in dieser Liste, geht es nämlich um anspruchsvolle Tiefgründigkeit. Das entschuldigt zwar ein paar Schwächen des Weltraumdramas nicht, dennoch ist Ad Astra einen Blick Wert, besonders wenn man von philosophischen Themen über beispielsweise die Rolle der Menschheit im kosmologischen Sinne nicht abgeneigt ist.

8. Parasite

Kein Film hat international gesehen wohl so viel Aufsehen in 2019 erregt als Parasite. Erstaunlicherweise ist die eigentliche Idee des Films relativ einfach, weshalb man sich dann nach der Hälfte fragt, was da jetzt schon noch groß kommen mag. Paradoxerweise schafft es Bong Joon-ho trotzdem, absolute jede Nuance aus der Story herauszukitzeln. Eingewebt in ein Gewand aus Symbolik und Metaphorik entstand so – und das sage ich vielleicht höchstens zu einer Handvoll Filme aus 1000 Produktionen – ein echtes Meisterwerk.

9. I Am Mother

Überraschendster Film in diesem Jahr war für mich I Am Mother, der nicht nur wunderschön ästhetisch aussieht, sondern darüber hinaus auch eine Story erzählt, die es in sich hat. Das Besondere dabei: Obwohl die Geschichte bis zu einem gewissen Punkt recht gradlinig verläuft und teilweise erahnbar ist, wirken selbst die Twists gegen Ende kaum künstlich aufgeblasen. Sputores ist Regiedebüt genau das, was er verspricht: minimalistisches und forderndes Science-Fiction Genre, welches einen weiteren Beitrag im anhaltenden Diskurs über Künstliche Intelligenz, Transhumanismus und die Beziehung Mensch und Maschine leistet.

10. Wakefield – Dein Leben ohne dich

Schlusslicht meiner Top 10 aus 2019 bildet Wakefield, der (hier muss ich mal schummeln) streng genommen zwar schon vor zwei Jahren in den USA erschien, bei uns jedoch erst im Oktober diesen Jahres auf DVD und Bluray veröffentlicht wurde. Mehr durch Zufall entdeckt, war ich dann aber doch umso verblüffter, ein solches Familiendrama auf allerhöchstem Niveau fast verpasst zu haben. Wakefield verkörpert nämlich genau das, was ich persönlich am Kino so schätze: Poesie und Imagination.

Top Serie

Da ich kaum Serien schaue, erübrigt sich bei mir eine Top 3. Die Top Serie 2019 für mich ist aber definitiv Chernobyl, die bildlich als auch inszenatorisch überragend gelungen ist und völlig zurecht 10 Emmys bekommen hat.

Top Schauspielerin

Scarlett Johansson

Scarlett Johansson, die 2019 in ganzen vier Produktionen mitspielte (Captain Marvel, Avengers: Endgame, Jojo Rabbit, Marriage Story), kann nur bewundert werden. Über die Qualität der Filme lässt sich zwar streiten, Johanssons schauspielerisches Talent dagegen überzeugt mittlerweile (wie auch schon in der vorherigen Jahren) in den meisten Filmen, in denen sie mitspielt.

Top Schauspieler

Brad Pitt

Brad Pitt hat in diesem Jahr in Ad Astra als auch auch in Once Upon a Time in … Hollywood einmal mehr seine Wandelfähigkeit als Schauspieler bewiesen. In meinen Augen sogar noch besser als DiCaprio, würde ich ihm einen Oscar als bester Schauspieler vom ganzen Herzen wünschen.

Top Newcomer

Clara Rugaard

Clara Rugaard war als Tochter in I Am Mother in meinen Augen richtig gut. Eine vergleichsweise ähnliche Leistung habe ich persönlich zuletzt bei Natalie Portman erlebt. Ob Rugaard das Talent für eine ebenso bombastische Karriere hat, dies ist zwar noch abzuwarten, Potential hat sie aber definitiv.

Meine Höhepunkte

1. Game of Thrones – Staffel 8

Auch wenn ich kein großer Serienmensch bin und mit Game of Thrones nie so ganz etwas anfangen konnte, war ich von der finalen Staffel des Fantasyepos sehr beeindruckt. Allein „Die lange Nacht“ war inszenatorisch so beeindruckend wie lange nichts. Dass es grad mal eine einzige Folge braucht, um einen Nicht-Fan mitzureißen, sagt demzufolge alles aus.

2. Parasite

Parasite hat es wie kein zweiter Film in meiner Top 10 geschafft, meine Hoffnung in das Kino wieder aufleben zu lassen. Dies gebührt Ehre. Dass der Film dann sogar neben den kleineren Spielhäusern  in großen Cineplex-Kinos zu finden war, lässt mein Herz sogar noch höher schlagen.

3. In den Straßen der Bronx

Als großer Fan von Goodfellas, war ich lange auf der Suche nach einem vergleichbaren Film. Als ich dann eines Tages zufällig auf In den Straßen der Bronx, dem Regiedebüt von Robert De Niro, gestoßen bin, kam meine Suche dann aber zu einem Ende. Wer Fan des 80er-Jahre Kinos ist und wie ich bei jeder weiteren Sichtung von Goodfellas immer noch immanente Begeisterung empfindet, der sollte sich den unbedingt notieren.

Meine größten Enttäuschungen

1. Avengers: Endgame & der generelle Superheldenfilm

Nachdem Avengers: Infinity War für Marvel-Verhältnisse neue Maßstäbe setze und einen Bösewicht mit einem wirklich gelungenen Profil einführte, waren die Erwartungen hinsichtlich des Finales dementsprechend hoch. Vielleicht liegt es am Alter, so oder so war ich aber von Endgame maßlos enttäuscht. Das mag nicht zuletzt daran liegen, dass die positiven Seiten von Infinity War maßlos ignoriert wurden. Stattdessen resultierte ein mit einfachsten Mitteln aufgebauschtes Ende.

2. Staffelfortsetzungen

Da ich kein großer Serienmensch bin, komme ich in 2019 gerade einmal auf vier neue Staffeln bekannter Serien. Darunter Game of Thrones – Staffel 8, Rick and Morty – Staffel 4, Billions – Staffel 4 und Suits –Staffel 7. Game of Thrones einmal ignoriert, ist davon aber keine gänzlich empfehlenswert, weshalb auch nur Chernobyl in meinem Seriensegment auftaucht. Anfänglich noch großartige Serien, mit gelungenen Spannungsbögen (Suits), interessanten Wendungen (Billions) und skurrilen Geschichten (Rick and Morty) zeichnet sich für mich jedoch eine zunehmende Langeweile beim Schauen der neuen Staffeln ab. Wenig kreativ bis gänzlich unmotiviert, erlebte ich so kaum nennenswerte Momente bei den Serien.

3. Sci-Fi Kino

Nicht gänzlich eine Enttäuschung, dafür aber ziemlich spaltend, war für mich in 2019 das Science-Fiction Genre. Auf der einen Seite gibt es da Filme wie I Am mother, Ad Astra oder Terminator: Dark Fate, die zwar sicherlich auch ihre Schwächen haben, in der Gesamtheit aber noch ganz passabel bis sehenswert sind. Auf der anderen Seite finden sich dann aber auch Werke wie High Life, A.I. Rising, Prospect, X-Men: Dark Phoenix, Die wandernde Erde und weitere, die mich allesamt kalt zurück gelassen haben. Vielleicht sind durch Filme wie Gravity oder Interstellar aber auch einfach die Erwartungen zu groß geworden. Da kann man nur hoffen, dass in 2020 Filme wie Villeneuves Dune oder Camerons Avatar 2 umso beeindruckender werden, um das Science-Fiction-Kino wenigstens ein Stück weit am Laufen zu halten.

Meist erwartete Filme/Serien 2020

1. Edge of Tomorrow 2

Bisher weiß man zwar nur, dass sich die Fortsetzung in Produktion befindet, wann man mit der rechnen kann, ist aber noch nicht bekannt. Da der erste Teil für mich aber zu der Krönung des modernen Actiongenres zählt, freut es mich umso mehr, dass ein zweiter Teil überhaupt kommen wird. Wenn es überhaupt noch 2020 wird, wäre die Vorfreude bei mir aber umso größer.

2. The Lodge

Qualitatives Horrorkino ohne Jumpscares und Klischees ist rar geworden. Die Hoffnung, The Lodge könnte sich von den Horrorfilmen der letzten Jahre, von dem der Großteil wenig bis kaum sehenswert war, abheben, ist zumindest bei mir ziemlich groß. Ganz nach dem Motto „die Hoffnung stirbt zuletzt“, hoffe ich so auf atmosphärisches Kino, was mich dem Horrorgenre wieder mal ein bisschen näher bringt.

3. Chaos Walking

Chaos Walking wird den meisten zwar noch nichts sagen, die Idee einer Welt, in der man die Gedanken jeder Person wahrnehmen kann, klingt aber höchst interessant. Da neben Tom Holland auch Mads Mikkelsen mitspielt, sind die Erwartungen für mich umso größer, da dieser mich zuletzt in Arctic einmal mehr zutiefst beeindruckt hat.



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