Nona (Josefina Ramírez) ist niemand, der lange fackelt. Sie verbrennt lieber gleich. Diese Erfahrung muss auch ein Ex-Liebhaber von ihr machen, als die rüstige Dame seine Bude in Brand setzt, aus Wut und Enttäuschung über ihn. Und weil Rache gut tut. Dass diese Aktion nicht ganz legal war, das weiß sie natürlich auch, weshalb die 66-Jährige im Anschluss erst einmal Zuflucht in ihrem Sommerhaus in dem kleinen Küstenort Pichilemu sucht. Doch auch dort geht es heiß her, immer wieder wird die Gegend von seltsamen Bränden heimgesucht …
Auch wenn ein Genre erst einmal nichts über die Qualität eines Films aussagt, so kann es doch ganz hilfreich sein, wenn es darum geht, sich das Passende auszusuchen. Schwierig wird es jedoch, wenn das Genre nicht wirklich eindeutig ist, wenn sich einschlägige Seiten nicht einig werden können. Siehe Nona. If They Soak Me, I’ll Burn Them. Da ist mal zu lesen, es handle sich um einen Vertreter aus der Fantasy-Ecke, andere bezeichnen den Film als Dokumentation. Und auch wenn ein Film natürlich mehreren Genres angehören kann, diese beiden sind dann doch ein eindeutiger Widerspruch. Wie kann etwas der Welt direkt entnommen und gleichzeitig außerhalb der Realität sein?
Auf der Suche nach der Wahrheit
Aber es ist auch nur zu leicht, sich vom dritten Film der chilenischen Regisseurin und Drehbuchautorin Camila José Donoso verwirren zu lassen. Auf den ersten Blick scheint alles klar: Sie erzählt die Geschichte ihrer Großmutter, verkörpert von ihrer eigenen Großmutter, der sie mit einer Handkamera bewaffnet folgt. Das lässt auf eine Dokumentation à la Madame oder Mamacita schließen, in denen ebenfalls Filmemacher*innen ihren jeweiligen Großmüttern filmisch nachspürten. Im Fall von Nona. If They Soak Me, I’ll Burn Them kommen sogar noch Home Videos hinzu, der unschlagbare Beweis, wenn es darum geht, das Wahre von dem Erfundenen zu trennen.
Doch Donoso führt uns mit diesem Kniff nur vor Augen, wie sehr wir von unseren Erwartungen und Gewohnheiten geprägt sind. Auch wenn die Geschichte von ihrer Großmutter inspiriert ist, so handelt es sich doch um eine fiktionalisierte Version, die mit den Grenzen zwischen Dokumentar- und Spielfilm spielt. Das haben in den letzten Jahren viele getan, hoch gelobte Dramen wie The Rider sind Beispiele einer weltweiten Dokufiktion-Bewegung, die sich nicht mehr um die Unterscheidung kümmern, das Künstlerische und das Reale zu einem machen.
Bilder der unterschiedlichsten Welten
Dabei gibt es in Nona. If They Soak Me, I’ll Burn Them durchaus noch Kontraste. Gerade die Wechsel von den körnigen Home-Video-Einlagen zu den klaren „normalen“ Szenen sind auch für weniger geschulte Augen auffällig. Und doch ergeben sie ein Werk, das in sich geschlossen ist, als eine Art Mosaik. Das passt dann auch zum Inhalt, der ähnlich fragmentarisch angelegt ist wie das Drumherum. Donoso erzählt hier weniger eine Geschichte, die getragen von einem Ziel oder einer Handlung ist. Vielmehr dienen die Szenen als kleine Steine, mit denen sie das Bild der resoluten älteren Dame zusammenstellt.
Das ist dann auch durchaus faszinierend: Das Porträt, das auf dem Filmfest von Rotterdam 2019 Premiere feierte, bringt uns eine Frau näher, die gleichzeitig immer ein bisschen mysteriös bleibt. Lässt uns Teil einer Gemeinschaft werden, bei der doch alle irgendwie für sich alleine sind. Dass das für ein größeres Publikum nichts ist, das versteht sich von selbst. Nona. If They Soak Me, I’ll Burn Them ist nicht so aktiv und humorvoll, wie es der Titel impliziert, kein Film über eine rüstige Pyromanin. Wer sich aber auf diese Art Experiment einlassen kann, der findet hier ein ungewöhnliches Werk, teilweise auch sehr schön bebildert, das zeigt, wie sehr man noch immer innerhalb der bekannten Grenzen herumhantieren und damit neue Perspektiven schaffen kann.
OT: „Nona. Si me mojan, yo los quemo“
Land: Chile, Brasilien
Jahr: 2019
Regie: Camila José Donoso
Drehbuch: Camila José Donoso
Kamera: Matías Illanes
Besetzung: Josefina Ramírez, Eduardo Moscovis, Gigi Reyes, Paula Dinamarca
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