Der Schock ist groß bei den Einwohnern von Moskau, als ein riesiges, unbekanntes Objekt mitten in die Stadt kracht und dabei viele Menschenleben fordert. Es handelt sich um Außerirdische, davon ist man schnell überzeugt. Aber weshalb sind sie gekommen? Haben sie friedliche Absichten oder planen sie, die Erde anzugreifen? Um Herr der Lage zu werden, wird eine strenge Ausgangssperre verkündet, niemand soll sich den Wesen nähern. Für Artyom (Alexander Petrov) und seine Clique bedeutet das aber nicht, sich an die Aufforderung auch halten zu müssen. Im Gegenteil, er ist davon überzeugt, dass der Feind sofort ausgelöscht werden muss. Doch es kommt anders, als ausgerechnet seine Freundin Julia (Irina Starshenbaum) von einem der Aliens (Rinal Mukhametov) gerettet wird. Verwirrt von der Situation beschließt sie, später noch einmal zurückzukehren und ihrem Retter zu helfen – wovon aber weder Artyom noch ihr Vater (Oleg Menshikov) etwas erfahren darf, der als General den Ankömmlingen gegenüber nicht sehr freundlich eingestellt ist …
In den letzten Jahren hat sich der russische Film hierzulande eine offensichtlich recht profitable Nische erkämpft. War das Angebot bei uns lange auf schwere Arthouse-Dramen beschränkt, welche sich mit zwischenmenschlichen wie auch gesellschaftlichen Abgründen auseinandersetzen – etwa das für einen Oscar nominierte Leviathan –, so schaffen es jetzt auch etwas leichtere Werke in die deutschen Verkaufsregale. Filme, die zumindest den Anspruch haben, eine größere Zielgruppe anzusprechen und das in ihrer Heimat wohl auch tun. Attraction zum Beispiel führte in Russland mehrere Wochen die Kinocharts an – trotz des wenig schmeichelhaften Bildes, das darin gezeigt wird.
Der Fremde ist dein Feind
Tatsächlich ist Attraction ein überaus kritischer Film, wenn es um die Darstellung der russischen Gesellschaft geht. Das Militär ist beispielsweise darauf geeicht, im Zweifelsfall erst einmal alles abzuschießen, was in seinen Einflussbereich gerät. Fragen kann man ja später immer noch stellen. Sollten die Besucher zu dem Zeitpunkt schon tot sein: Sei’s drum. Doch auch die normale Bevölkerung wird als äußerst aggressiv und feindselig porträtiert. Artyom steht hier stellvertretend für eine ultranationalistische Gruppierung, die in jeder Fremdartigkeit erst einmal eine Bedrohung ausmacht, die unter allen Umständen vernichtet werden muss. Die Erde gehört den Menschen, heißt es mehrfach. Aber es sind dieselben Leute, die – sind die Aliens erst einmal weg – auch die Menschen vertreiben würde, die ihnen nicht passen, die irgendwie anders sind.
Das von Oleg Malovichko und Andrey Zolotarev geschriebene Drehbuch versteht sich dann auch als Plädoyer für mehr Toleranz und Offenheit, umso mehr, da die Aliens in Attraction überhaupt keine feindseligen Absichten hegen. Das ist dann alles nicht sonderlich subtil oder tiefgründig. In erster Linie soll der Film dann doch klassisches Unterhaltungskino sein, mit einer kleinen moralischen Hintertür. Zum einen geht die Unterhaltung über die eher humoristische Schiene: Wenn das menschenähnliche Alien mit Julia durch Moskau zieht, hat es natürlich keinerlei Ahnung, wie so ein Menschenleben funktioniert. Das läuft dann auf die üblichen Fish-out-of-Water-Situationen hinaus, wenn von der Kleidung über die Nahrungszunahme bis zum Disco-Besuch – auch der Ausnahmezustand hat seine Grenzen – allerhand gelernt werden muss.
Jeder gegen jeden
Gleichzeitig ist Attraction auch typisches Genrespektakel. Aufgrund der friedlichen Ausrichtung des Besuchers ist der Film kaum mit Independence Day und Konsorten zu vergleichen, selbst wenn der Anfang und das Cover das implizieren. Aber auch ohne große Schlacht zwischen Mensch und Alien kommt es hier immer wieder zu effektgeladenen Momenten. Gerade beim Finale, wenn sich die geballte Wut Russlands entlädt, sucht man das Spektakel. Mit vergleichbaren Filmen aus Hollywood kann es die russische Produktion da natürlich nicht aufnehmen, dafür reicht das Budget nicht. Gerade bei den hektischen Actionszenen sieht das nicht alles wirklich überzeugend aus, auch wenn die Optik insgesamt durchaus zu den Stärken gehört, etwa beim ungewöhnlichen Design des Schiffes oder des Kampfanzuges.
Insgesamt trifft bei Attraction leider an vielen Stellen Licht auf Schatten. Die Romanze zwischen Julia und dem vorbildlich gebauten Alien ist zwar vorhersehbar, aber schlampig vorbereitet – auf eine richtige Entwicklung verzichtet der Film. Die Figuren selbst sind mal wieder nur Stereotype, die Dialoge rudimentär, weshalb die dramatischeren Schicksale nicht die große Wirkung erzeugen. Obwohl die Laufzeit mit knapp 140 Minuten nicht unbedingt wenig ist, reicht die Zeit einfach nicht, um die verschiedenen Bestandteile – Humor, Romanze, Action, Gesellschaftskritik – zu einem harmonischen Ganzen zu machen. Das ist in der Summe dann zwar nicht schlecht, verpasst es aber, dem Genre oder dem russischen Kino wirkliche Impulse zu versetzen und sich aus dem Mittelfeld hervorzukämpfen.
OT: „Prityazhenie“
Land: Russland
Jahr: 2017
Regie: Fedor Bondarchuk
Drehbuch: Oleg Malovichko, Andrey Zolotarev
Musik: Ivan Burlyaev
Kamera: Mikhail Khasaya
Besetzung: Irina Starshenbaum, Rinal Mukhametov, Alexander Petrov, Oleg Menshikov, Evgeniy Mikheev
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