Die Vorstellung klingt erst einmal ein wenig komisch: Warum sollte man Vögeln das Fliegen beibringen? Können die das nicht sowieso? Und doch hat Christian Moullec ein solches Projekt gestartet. Genauer prägte der französische Tierschützer junge Gänse auf sich, um mit ihnen an Bord eines Ultraleichtflugzeugs zu fliegen. Das Ziel: ihnen eine ungefährliche Route zu zeigen, welche die Zugvögel nehmen können. Der Junge und die Wildgänse (seit 24. April 2020 auf DVD/Blu-ray erhältlich) ist vom Leben und den Erfahrungen Moullecs inspiriert und erzählt die warmherzige Geschichte eines Vaters und seines Sohnes, die zusammen eine bedrohte Tierart retten wollen. Wir haben uns mit dem Aktivisten, der auch am Drehbuch des Films gearbeitet hat, über das Abenteuer unterhalten, die Besonderheiten der Umsetzung, aber auch, was wir Menschen für die Umwelt tun können.
Wie lange hat es gedauert, bis Ihnen die Gänse nachgeflogen sind?
Zwei Monate.
Wie sind Sie zu dem Filmprojekt gekommen?
Ich war von Anfang an dabei und bin bis zum Schluss geblieben, da ich einer der beiden Drehbuchautoren des Films war.
Wie sehr entspricht der im Film gezeigte Christian dem Christian im wahren Leben?
Die Geschichte wurde für den Film schon abgeändert und erweitert. In Wirklichkeit habe ich den kompletten Flug mit den Gänsen gemacht, zusammen mit meiner Frau. Im Film steht das Abenteuer meines Sohnes mit den Gänsen im Vordergrund. Die Anekdoten sind aber fast alle wahr und gehen auf die Erlebnisse meiner Frau zurück. Den Sohn gab es damals noch nicht. Genauer war meine Frau während unserer Reise und während des Flug mit den Gänsen im fünften Monat mit unserem Sohn schwanger.
Warum wurde die Geschichte überhaupt auf den Sohn umgeschrieben?
Es ging uns ja nicht darum, mein Leben wiederzugeben. Wir wollten einfach eine schöne Geschichte erzählen, die von meinem Leben inspiriert war.
Was war die größte Herausforderung bei dem Dreh mit den Tieren?
Dafür zu sorgen, dass die verschiedenen Phasen, wenn die Vögel das Fliegen lernen, genau zu der Zeit sind, als die Schauspieler dabei waren. Das war mit viel Stress verbunden, hat am Ende aber gut geklappt.
Was können Kinder von dem Film lernen?
Kinder, aber auch Erwachsene, können durch den Film verstehen, dass das Leben ein Wunder ist und man dieses nicht hinter dem Bildschirm eines Computers oder eines Fernsehers erfährt. Kinder und Erwachsene verstehen, dass das Leben ein Kampf für das Schöne und das Gute ist, für den Schutz unserer Umwelt, für die Bewahrung unserer notwendigen geistigen Nahrung. Es gibt ein paar Zitate, die ich gerne mag und die diese Frage beantworten können. Das Schöne ist nützlicher als das Nützliche. Die Welt leidet nicht so sehr unter den Menschen, die Schlechtes tun, als vielmehr unter solchen, die das Schlechte sehen und nichts dagegen tun. Und drittens: Nicht weil Dinge schwierig sind, wagen wir sie nicht – sie sind schwierig, weil wir sie nicht wagen.
In dem Film wagen Christian und Thomas eine ganze Menge, indem sie ein gefährliches Abenteuer starten, um die Vögel und damit die Natur zu retten. Kann die Natur überhaupt noch gerettet werden?
Ja, weil es absolut notwendig ist, sie zu retten! Die Natur zu retten, bedeutet auch die Menschen zu retten. Wenn der Mensch nicht bald eingreift, wird sich die Natur des Problems selbst annehmen und auf ihre Weise regeln. Der Mensch braucht die Natur, die Natur kommt aber ganz gut ohne den Menschen aus. Wenn es hart auf hart kommt und der Mensch weiterhin die Umwelt zerstört, wird die Natur ihren Weg finden, sich von einem Großteil der Menschen zu befreien. Aus genau diesem Grund erlaubt die Natur, dass das Virus mutiert. Nicht ich sage das, die Biologen tun das. Das Problem von Covid19 zeigt uns ganz klar, dass der freie globale Handel, der von den mächtigen, multinationalen Unternehmen gefordert wird, die Ausbreitung des Virus erst möglich gemacht hat und die Bekämpfung so schwierig macht. Wir müssen auch begreifen, dass eine globale Landwirtschaft, die Pestizide verwendet, giftige und billige Produkte hervorbringt, die wiederum unsere Landwirte dazu zwingen, dieselben Methoden anzuwenden, die für unseren Planeten so schädlich sind, um in Europa wettbewerbsfähig zu bleiben.
Wird die aktuelle Corona-Krise dem Kampf für die Umwelt nützen oder schaden?
Für eine kurze Zeit wird sie ihm nützen, aber danach wird es umso schlimmer werden, solange wir an diesen Freihandelsverträgen festhalten. Die Staaten müssen autark werden und sich ganz alleine versorgen können, das ist die Lektion, die uns das Virus gelehrt hat. Und zu diesem Zweck müssen wir eine größere Unabhängigkeit der Länder erreichen.
Nun können wir nicht alle Gänsen das Fliegen beibringen. Was kann der Einzelne stattdessen tun, um der Umwelt zu helfen?
Man bringt den Gänsen ja nicht das Fliegen bei. Es waren vielmehr sie, die mir beigebracht haben, mit ihnen zu fliegen. Die Auswirkungen meines Projekts waren natürlich auf einen kleinen Teil beschränkt, aber es trägt dazu bei, sich des Problems überhaupt bewusst zu werden. Um der Natur zu helfen, müssen sehr viel mehr Menschen sich Naturschutzorganisationen anschließen. Sie müssen vor allem mehr Bio-Nahrungsmittel konsumieren, die in der eigenen Region produziert werden. Es muss auch deutlich weniger Fleisch konsumiert werden, da es 15 pflanzliche Eiweiße braucht, um ein einziges tierisches Eiweiß herzustellen – das nicht nahrhafter ist und dessen CO2-Fußabdruck katastrophal ist für unseren Planeten.
Welche Projekte planen Sie als nächstes?
Derzeit habe ich kein festes Projekt. Grundsätzlich will ich die Leute weiter zum Träumen bringen, wenn sie mit mir und meinen Vögeln fliegen oder wenn sie den wunderbaren Anblick der Vögel im Himmel sehen. Ich würde auch gerne eine große Reise mit Rothalsgänsen von Sibirien aus bis zum Schwarzen Meer antreten, weil auch diese Art sehr bedroht ist.
Vielen Dank für das Gespräch.
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