Für den 15-Jährigen Emile Chamodot (Helie Thonnat) ist klar: Pauline (Luna Lou) ist seine ganz große Liebe! Entsprechend überglücklich ist er dann auch, als diese ihn einlädt, sie bei einem Konzert zu besuchen. Die Sache hat nur einen Haken: Das Konzert findet in Venedig statt. Zwar bietet seine Familie ihm an, zusammen mit ihm nach Italien zu fahren. Das macht die Geschichte aber nur umso schlimmer, denn das bedeutet viel Zeit mit seinen peinlichen Eltern verbringen zu müssen. Mit seinem Vater Bernard (Benoît Poelvoorde), der die Familie noch immer in einem Wohnwagen hausen lässt. Mit seiner Mutter Annie (Valérie Bonneton), die ihm unentwegt die Haare blond färbt, weil er so hübscher sein soll. Die beiden lassen sich aber nicht erweichen und beschließen mit Emile und dessen älterem Bruder Fabrice (Eugène Marcuse) von Frankreich bis nach Italien zu fahren – was jede Menge Chaos mit sich führt …
Die liebe Familie: Man kann nicht mit ihr, ohne sie geht aber auch nicht wirklich – zumindest nicht für Filmemacher, die alltägliche Situationen gerne einmal ein bisschen eskalieren lassen, um auf diese Weise das Publikum zu erfreuen. Im Fall von Der Sommer mit Pauline handelt es sich bei diesem Filmemacher um Ivan Calbérac. Der war viele Jahre als Bühnenautor wie auch als Filmregisseur unterwegs, drehte beispielsweise Frühstück bei Monsieur Henri. 2017 folgte dann sein erster Roman Venise n’est pas en Italie über die besagte Chaosfamilie. Und offenbar war er so von dem Stoff überzeugt, dass er ihn auch noch mal als Film zweitverwenden wollte, er selbst zeichnet sich hierbei erneut für Regie und Drehbuch verantwortlich.
Humor im Leerlauf
In Frankreich feierte er damit auch durchaus einen vorzeigbaren Erfolg, mehr als 500.000 Besucher sahen den humorvollen Roadmovie letztes Jahr im Kino. In Deutschland sah man hingegen wohl nicht genügend Potenzial, auch ein DVD-Release steht nach wie vor nicht an. Immerhin kann man Der Sommer mit Pauline aber digital erwerben. Ein echter Geheimtipp also? Nicht wirklich. Trotz eines namhaften Ensembles, das Ivan Calbérac zur Verfügung steht, und einiger anderer positiver Elemente, die große Begeisterung tritt hier nicht unbedingt ein. Dafür ist vieles dann doch zu banal und altbekannt, manchmal wird es sogar relativ langweilig.
Besonders enttäuschend ist in der Hinsicht der Humor. Zwar verzichtet Calbérac auf einen aufdringlichen Slapstick, wie man ihn in solchen Chaoskomödien oft vorfindet. Er findet aber auch keinen wirklichen Ersatz. Immer wieder kommt es vor, dass sich Der Sommer mit Pauline allein auf Benoît Poelvoorde (Mann beißt Hund, Die Wache) und dessen ausdrucksstarke Mimik verlässt. Das kann in Maßen funktionieren, ist auf Dauer aber nicht genug. Auch sonst werden Witze gerne mehrfach ausgegraben, in der Hoffnung, dass das Publikum diese entsprechend annimmt. Ein bisschen Abwechslung kommt durch die Figuren hinein, denen die Familie unterwegs begegnet. Viel Grund zum Lachen bekommt man aber auch dann nicht.
Schöne Bilder und eine rührende Geschichte
Die dezente Langeweile wird in erster Linie durch zwei Faktoren abgemildert. Zum einen wären da die schönen Bilder, wenn die Chamodots durch zwei Länder gurken, wir Aufnahmen aus Südfrankreich und Italien zu Gesicht bekommen, die durchaus Lust machen, selbst wieder mal in Urlaub zu fahren. Zumal sich Der Sommer mit Pauline insgesamt ja auch als Plädoyer dafür versteht, sich nicht zu sehr von Regeln und Erwartungen abhängig zu machen und stattdessen lieber offen durchs Leben zu gehen, die Welt zu erkunden und alles auf sich zukommen zu lassen – was auch immer geschehen mag. Das funktioniert in einer derart sommerlichen Umgebung natürlich gut.
Damit einher geht das eigentliche Herz des Films: Zwar ist Der Sommer mit Pauline nach der großen Liebe des Jugendlichen benannt. Doch die ist nur das Ziel, sowohl im geografischen wie auch übertragenen Sinne, wenn Emile in ihr einen Ausweg sieht, seiner bescheuerten Familie zu entkommen. Wenn die Chamodots das Wohnmobil starten, geht es deshalb gar nicht so sehr um die Frage, ob der Junge nun sein Mädchen kommt. Vielmehr ist der Roadmovie die Geschichte einer Abnabelung und gleichzeitig Annäherung. Die Familienmitglieder müssen unterwegs lernen, was sie aneinander haben, aber auch was die ganze Zeit falsch gelaufen ist, ohne dass es je zur Sprache kam. Und irgendwie ist es ganz schön, bei diesen Momenten dabei zu sein, gerade auch in der deutlich stärkeren zweiten Hälfte, wenn dann doch mal der Quatsch kurz Pause hat.
OT: „Venise n’est pas en Italie“
Land: Frankreich
Jahr: 2019
Regie: Ivan Calbérac
Drehbuch: Ivan Calbérac
Vorlage: Ivan Calbérac
Musik: Laurent Aknin
Kamera: Vincent Mathias
Besetzung: Benoît Poelvoorde, Valérie Bonneton, Helie Thonnat, Eugène Marcuse, Luna Lou
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