Der Tod eines Bürokraten

Der Tod eines Bürokraten

Kritik

Der Tod eines Bürokraten
„Der Tod eines Bürokraten“ //Deutschland-Start: 16. August 2006 (DVD)

An der Beerdigung von Francisco Jota Perez nehmen viele Menschen teil, erinnern an den Helden der Arbeit, dessen Skulpturen und Büsten politischer wie auch historischer Persönlichkeiten in der kubanischen Hauptstadt allgegenwärtig sind. Um den treuen und pflichtbewussten Arbeiter zu ehren, wird er mitsamt seines Arbeitsbuches beerdigt, ein Akt, auf den seine Frau (Silivia Planas) besonders stolz ist und der ihr Trost spendet. Als sie zusammen mit ihrem Neffen Joaquin (Salvador Wood) auf dem Amt die ihr zustehende Witwenrente beantragen will, wird ihr allerdings zum Verhängnis, dass sie eben jenes Arbeitsbuch nicht mehr haben, denn der Beamte besteht auf diesem Dokument, da er ansonsten keinen Antrag bewilligen kann. Auch der hinzugeholte Abteilungsleiter ist zunächst sprachlos, als er von dem Fall hört, besinnt sich dann aber wie sein Kollege auf die Vorgaben und macht deutlich, dass dieses Arbeitsbuch vorliegen müsse. Während seine Tante am Boden zerstört ist, schwört Joaquin, ihr so gut es geht zu helfen und die nötigen Behördengänge auf sich zu nehmen. Nach diversen bürokratischen und menschlichen Hürden gelingt es Joaquin sogar, das Grab zu öffnen und das begehrte Dokument zurückzuerhalten, als aber die Polizei den Friedhof durchkämmt, ist er gezwungen mit dem Sarg nach Hause zu fliehen. In der Folge versucht er in diversen Gängen zu Behörden die nochmalige Bestattung seines Onkels in die Wege zu leiten, doch in diesem schier unüberwindbaren Labyrinth aus Ämtern, Anträgen und Formularen droht Joaquin nicht nur seine Geduld zu verlieren, sondern auch sich selbst.

Von Amt zu Amt
Unter den wachen Augen des kubanischen Staates nach der Revolution Filme zu drehen, die gleichzeitig die Lebensbedingungen innerhalb des Systems kritisieren, aber auch erkennen lassen, dass sie diesem Staat gegenüber verpflichtet sind, ist schon eine Kunst für sich, doch Tomás Gutiérrez Alea gelang dieser Balanceakt. Zusammen mit einigen seiner Kollegen definierte er eine Bewegung, die man oft unter dem Begriff „Drittes Kino“ in Anlehnung an den problematischen Begriff der „dritten Welt“ zusammenfasst. Innerhalb dieser Bewegung entstanden Werke wie Der Tod eines Bürokraten von 1966, ein Film, der mit oft schwarzhumorigen Untertönen die menschenfeindliche Bürokratie angreift und auch heute noch als eine Parabel auf die Distanz zwischen Bürger und Staat gesehen werden kann.

Die Bürokratie, die einem im Leben begegnet, ist in der Logik des Films keinesfalls auf die Lebenszeit eines Menschen begrenzt, sondern verfolgt einen gar bis in den Tod. So ist der Tod von Joaquins Onkel bestenfalls eine kurze zeitliche Ruhepause, bevor die langen Arme des Staates und dessen Institutionen selbst das Ende eines Lebens und den Leichnam eines Menschen wieder in sich aufnehmen. Durch das kleine Detail des Arbeiterbuchs und die Darstellung des Onkels als „Helden der Arbeit“, der im Sinne des Systems Kunst am Fließband produziert hat, liefern einen mehr als deutlichen Hinweis, auf welches System sich Aleas Film insbesondere konzentriert. Selbst über das Leben hinaus verbleibt der Mensch Teil dieses Staats, lässt dieser einen nicht in Ruhe und verlagert schließlich den verursachten Ärger auf die Nachkommen wie Joaquin und seine Tante.

Innerhalb dieses Systems haben die Menschen die Bürokratie als Teil ihres Lebens akzeptiert. Auch wenn bisweilen der Unmut über die von ihr verursachten Hindernisse ausbricht, so überlebt dieses System selbst die größten Demonstrationen, so wird ein besonders verärgerter Mann, der wie beim Spießrutenlauf von einer Abteilung in die nächste bugsiert wird, wieder temporär besänftigt durch das vage Versprechen auf Bearbeitung seiner Anträge.

Die Komödie der Ideologie
Der fast schon kafkaeske Tonfall des Films, den der Film vor allem durch seine Schauplätze wie auch seine Figuren erhält, wird ergänzt durch die Mittel der Komödie. Schon zu Anfang des Films, wenn sich Alea und sein Team bei ihren zahlreichen Inspirationen von Luis Bunuel, Harold Lloyd und Charlie Chaplin bedanken, gibt der Regisseur ziemlich genau an, in welcher Tradition er sich sieht. Während einige Szenen sehr direkte Anspielungen auf Filme wie Moderne Zeiten oder Ausgerechnet Wolkenkratzer sind, zeigen einige die Rolle der Bürokratie als integraler Bestandteil der Menschen, die für die arbeiten. Besonders bizarr ist beispielsweise, wenn eine Frau mit Joaquin spricht und ihr Sprachduktus sich dem unnachgiebigen Rattern einer Schreibmaschine anpasst.

Über all dem hängt aber eine wenig lustige Wahrheit, eine bittere Realität, wenn der Protagonist droht, von diesem Bürokratie-Monster verschluckt zu werden, denn während der unzähligen Behördengänge, der Warterei und der Vertröstungen verliert auch er mit der Zeit immer etwas mehr seine Menschlichkeit und wird zusehends wahnsinnig.

Credits

OT: „La muerte de un burócrata“
Land: Kuba
Jahr: 1966
Regie: Tomás Gutiérrez Alea
Drehbuch: Tomás Gutiérrez Alea
Musik: Leo Brouwer
Kamera: Ramón Suárez
Besetzung: Salvador Wood, Silvia Planas, Manuel Estanillo, Omar Alfonso, Gaspar De Santelices

Filmfeste

Toronto International Film Festival 1994
Venedig 2019

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"Der Tod eines Bürokraten" ist eine bizarre Satire auf das Phänomen der Bürokratie und inwiefern sie unsere Leben bestimmt. Tomás Gutiérrez Alea beweist sein Geschick als Regisseur gelungener Unterhaltungsfilme, die zudem einen mehr als deutlichen Verweis auf soziale und politische Umstände beinhalten.
8
von 10