Die rote Wüste
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Die rote Wüste

Kritik

Die rote Wüste
„Die rote Wüste“ // Deutschland-Start: 4. Dezember 1964 (Kino) // 12. Oktober 2007 (DVD)

Nach einem Unfall sowie einem längeren Aufenthalt im Krankenhaus wegen des Schocks ist Giuliana (Monica Vitti) nicht mehr dieselbe Frau wie früher. Während ihr Mann Ugo (Carlo Chionetti) versucht, sie zu verstehen und zu beruhigen, erlaubt es ihm seine zeitraubende Tätigkeit als Ingenieur in Ravenna kaum, mehr zu tun. Selbst ihr eigenes Kind erscheint der jungen Frau zunehmend fremd und sie versucht so etwas wie einen Neuanfang mit einem Laden, den ihr Ugo gekauft hat und den sie nun renoviert. Jedoch hilft auch dies ihr nicht weiter, einzig und allein der Geschäftsfreund ihres Mannes, ein Mann namens Corrado (Richard Harris), scheint zu verstehen, was mit Giuliana los ist. Zaghaft öffnet sie sich ihm und vertraut ihm die wahren Hintergründe des Unfalls an. Das aufkeimende Verhältnis zu Corrado sowie die kurzen Zerstreuungen mit den Freunden ihres Mannes können Giuliana etwas von ihrem Zustand ablenken. Doch dieser wird immer schlimmer, verfolgt sie bis in ihre Träume, sodass der jungen Frau letztlich kein Ausweg mehr bleibt.

Ddie Ängste, die ich habe
Bedenkt man das bisherige Werk des italienischen Regisseurs Michelangelo Antonioni, wundert es schon, dass er erst 1964 seinen ersten Farbfilm machte mit Die rote Wüste. In verschiedenen Interviews zu dem Film beschreibt Antonioni, dass ihn zwar die Idee der Farbe im Film wie auch die vielen Farbfilme, die er bis zu dem Zeitpunkt gesehen hatte, schon fasziniert, er aber auch immer wieder feststellte, dass die Farben und die Gefühle der Figuren keine Einheit bildeten. Diese Aussage ist zentral, denn sie enthält den Schlüssel zum Verständnis eines der schönsten Filme des Regisseurs, welcher zugleich sich mit einem seiner Hauptthemen auseinandersetzt, nämlich der Entfremdung des Menschen von der modernen, industriellen Welt.

Wie bereits im vorherigen Liebe 1962 oder Die mit der Liebe spielen ist die Darstellung von Monica Vitti essenziell für das Verstehen eines an sich sehr abstrakten Zustands. Bereits in den ersten Minuten des Films sticht die von ihr gespielte Giuliana durch ihr Verhalten, ihre Bewegungen und den auffallend grünen Mantel, den sie trägt, hervor innerhalb dieser sehr kargen Industrielandschaft. Ihr inniges Bitten um das Brötchen eines Arbeiters wirkt befremdlich, wie das Verhalten einer Frau, die kurz vor einem Nervenzusammenbruch steht oder sich noch in der Erholungsphase von einem solchen befindet. Ihr Fluchtversuche sowie die wenigen Rückzugsorte, wie der Laden, den ihr Mann ihr gekauft hat, sind bestenfalls temporär, betont ihre Besonderheit doch die Entfremdung von der Welt draußen, deren Kälte und Teilnahmslosigkeit.

Generell stellt Vitti die Verzweiflung einer Frau dar, welcher das Gefühl für ihre Welt und die Menschen in dieser abhanden gekommen ist. Wie ein Astronaut, der einen fremden Planten zum ersten Mal begeht, bewegt sie sich durch die Straßen Ravennas wie auch die eigentlich gewohnten Räume ihres eigenen Zuhauses, stets nach diesem Gefühl suchend, welches sie verloren hat und welches einen Sinn in diese Welt bringen könnte. Die Begegnung mit dem von Richard Harris gespielten Corrado gibt ihr Hoffnung, man sieht, wie sie aufblüht, doch man ahnt bereits, wie kurzfristig auch diese Phase der Ruhe sein wird. Wie ein Hilferuf wirken Aussagen wie man verstehe nicht, „welche Ängste sie habe“, was ihre Isolation wie auch ihre Verzweiflung eindrucksvoll widerspiegelt.

Die Farben der Wüste
Man könnte wohl eine ganze Staatsarbeit über das faszinierende Wechselspiel der Figuren, der Farben und des filmischen Raums in Die rote Wüste schreiben. Gerade jenen Zuschauern, die sich mehrere Male mit dem Film befassen und die einen analytischen Blick wagen, wird sich eine sehr reiche, mehrere Deutungsebenen umfassende Welt offenbaren, wie sie nur ein Regisseur vom Talent eines Michelangelo Antonioni zustande brachte. Allein die kargen Industrielandschaften, die von Fabrikschloten gesäumten Hintergründe oder der allgegenwärtige Nebel in der Hafenanlage zeichnen das Bild einer Welt, die uns, wie auch der Protagonistin, als so nah und doch so fremd begegnet, fast unwirklich.

Vor diesem Hintergrund wirkt der Zustand der Entfremdung und Verzweiflung gar nicht mehr so vage oder abstrakt. Sogar Corrado gibt zu, an einem solchen Zustand gelitten zu haben, aber sich durch einen längeren Aufenthalt in Patagonien „gerettet“ zu haben. Doch in dieser Welt, mit den Augen Giulianas betrachtet, wirkt der Ausweg unmöglich oder zumindest fraglich, sodass die Weite dieser Landschaft, die Fabriken und ihre Schornsteine im Hintergrund wie die Abgrenzungen eines großen Gefängniskomplexes wirken.

Credits

OT: „Il deserto rosso“
Land: Italien
Jahr: 1964
Regie: Michelangelo Antonioni
Drehbuch: Michelangelo Antonioni, Tonino Guerra
Musik: Giovanni Fusco
Kamera: Carlo Di Palma
Besetzung: Monica Vitti, Richard Harris, Carlo Chionetti, Valerio Bartoleschi, Xenia Valderi

Filmfeste

Venedig 1964
International Film Festival Rotterdam 1980

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"Die rote Wüste" ist ein faszinierendes Drama über das Dilemma des Menschen in der Moderne. Mit einer grandiosen Monica Vitti in der Hauptrolle und vor allem visuell vielschichtig präsentiert Michelangelo Antonioni seinem Zuschauer einen des wohl interessantesten Filme seines Werkes, dessen Bilderwelten noch lange im Kopf verweilen werden.
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von 10