Der vierte Film, den Charlie Chaplin im Rahmen seines Vertrags mit der Mutual Film Corporation herausbrachte, ist in vielerlei Hinsicht eine Verbeugung an die Theatertage des berühmten Schauspielers und Regisseurs. Zugleich wird der Stummfilm als einer der besten bezeichnet, die während Chaplins Zeit bei Mutual entstanden sind, vereint er erzählerischen Minimalismus mit jenem physischen Slapstick-Humor, für den Chaplin bekannt war und der maßgeblich zu seinem Ruhm weltweit beigetragen hatte.
Bis auf einen kurzen Auftritt Albert Austins als Taxifahrer ist Ein Uhr nachts eine Solo-Performance Chaplins, der einmal nicht als Tramp auftritt, sondern als wohlhabender Geschäftsmann. Dieser kommt sichtlich angetrunken zurück nach Hause und will eigentlich nichts anderes, als noch einen letzten Drink und dann schnell ins Bett. Jedoch macht ihm seine Trunkenheit einen Strick durch die Rechnung sowie diverse Kämpfe mit dem Mobiliar seines Zuhauses, wenn er beispielsweise mit seinem Anzug an der sich drehenden Tischplatte hängen bleibt oder die zahlreichen ausgestopften Tiere mit echten verwechselt.
Mensch gegen Objekte
Auch wenn Ein Uhr nachts stellenweise improvisiert wirkt und augenscheinlich nicht so komplex wie manch andere Produktion aus Chaplins Mutual-Zeit, trügt dieser Schein gewaltig. Gerade die ausgeklügelte Choreografie, das Tänzerisch-Trunkene der Bewegungen sowie die minimalistische Mimik hat Chaplin in dieser kurzen Demonstration seines enormen Talents auf den Punkt gebracht. Leicht erkennt man den Eindruck, den eine solche Darstellung auf Komiker wie Jacques Tati gemacht haben könnte, dessen Kunstfigur des Monsieur Hulot auch in seinen Filmauftritten mit den Tücken des Haushalts und der Vielzahl an Objekten ringt, die ein Mensch, gerade wenn er zu Geld gekommen ist, um sich vereint.
Im Moment der Trunkenheit enthüllt sich die Zwecklosigkeit dieser Objekte und damit die stattgefundene Entfremdung des Individuums zu seinem heimischen Wohnraum. Wie fremdes Territorium wirkt das doch eigentlich so bekannte Wohnzimmer auf den betrunkenen Herrn, der sich zwar alles leisten kann, aber im Kampf gegen das eigene Bett, welches in der Wand versteckt ist, nach einiger Zeit aufgeben muss. Die Tierköpfe wirken da beinahe beängstigend und zunehmend irritierend, wobei der zusätzliche Alkoholkonsum wohl nicht zu einer Besserung dieses Zustands beiträgt.
OT: One A.M.
Land: USA
Jahr: 1916
Regie: Charlie Chaplin
Drehbuch: Vincent Bryan, Charlie Chaplin, Maverick Terrell
Kamera: William C. Foster, Roland Totheroth
Besetzung: Charlie Chaplin, Albert Austin
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