Eigentlich wollen die Familien Lindgren und Nilsson ja dasselbe: Ihr Publikum mit Attraktionen erfreuen! Bei der konkreten Ausgestaltung gehen die beiden Schaustellerfamilien jedoch sehr unterschiedliche Wege. Vor allem aber herrscht ein großer Konkurrenzkampf, mit allen erdenklichen Mitteln versuchen sie, sich gegenseitig auszustechen und Zuschauer abzuwerben. Ein Konkurrenzkampf, in den auch die beiden Kinder Ninni (Frida Gustavsson) und John (Albin Grenholm) hineingezogen werden. Dabei müssen die zwei irgendwann feststellen, dass sie noch ganz andere Gefühle füreinander hegen …
Wenn die Kinder verfeindeter Familien sich ineinander verlieben, ist es nahezu unmöglich, nicht irgendwie auf Romeo und Julia von William Shakespeare zu verweisen, quasi die Blaupause für jegliche Geschichten dieser Art. Es macht auch vielleicht nicht so wahnsinnig viel Lust, wenn dann ein neuer Film erscheint, der sich dieses Szenario zunutze macht. Glücklicherweise gibt es im Fall von Feuer & Flamme aber eine Reihe von Faktoren, die aus dem Film – trotz des grundsätzlich bekannten und vorhersehbaren Stoffes – etwas Eigenes machen. So eigen, dass man ihn sich sogar als Nicht-Liebhaber von Kitschromanzen anschauen kann.
Die Welt der Wunder
Zum einen ist das Setting des Schaustellergeschäfts reizvoll, gerade eines, das nicht in der Gegenwart spielt, sondern im Schweden der 1940er. Damals war es noch ein bisschen einfacher, die Menschen zu begeistern und zum Staunen zu bringen. Tatsächlich gibt es immer wieder solche Momente des Wunders, wenn etwa an einer neuen Achterbahn gefeilt wird und die Figuren ihren Träumen nachjagen. Das Regieduo Måns Mårlind und Björn Stein (Shelter) geht aber noch einen Schritt weiter, indem es selbst den Alltag immer wieder mit märchenhaften Elementen anreichert, die Grenzen zwischen Wirklichkeit und Fantasie aufhebt.
Tatsächlich ist die schwedische Produktion Feuer & Flamme dem französischen Klassiker Die fabelhafte Welt der Amélie deutlich näher als dem, was wir sonst so mit skandinavischen Dramen in Verbindung bringen. Der Ton ist oft heiter, die Inszenierung verspielt, die Liebenden verlieren sich regelmäßig in wundersamen Träumen, die an Stelle der traurigen Realität treten. Das ist manchmal komisch, wenn sie etwa das ausleben, was sie sich wünschen, aber nicht dürfen, gleichzeitig die reale Geschehen aber weitergeht. Und zum Ende hin versucht der Eröffnungsfilm der Nordischen Filmtage Lübeck 2019 nicht einmal so zu tun, als kümmerte er sich um die Gesetze von Wahrscheinlichkeit oder wenigstens der Natur.
Wie war das mit dem Krieg?
Gleichzeitig ist das aber auch gewagt. Gerade die Verknüpfung mit dem Kriegsgeschehen – Schweden steht kurz davor, in den Zweiten Weltkrieg hineingezogen zu werden, die Nation ist gespalten in ihrem Verhältnis zu den Nazis – dürfte so manchen herausfordern oder überfordern. Dass da gerade eine der größten Katastrophen in der Menschheitsgeschichte entsteht, das wird in Feuer & Flamme zu keiner Zeit spürbar. Der Krieg wird nie real, obwohl er die ganze Zeit die Schlagzeilen dominiert. Das passt einerseits zu einer Bevölkerung, die selbst noch nicht ahnt, was ihr so blüht. Befremdlich ist es aber schon, wie das Weltgeschehen hier zur Randnotiz einer bunten Revue wird.
Auch die Überzeugungskraft der Romanze hält sich auf diese Weise eher in Grenzen, echte Gefühle treten in dem knallbunten Drama, das auch schon mal ABBA-Lieder verwendet, nicht hervor. Feuer & Flamme ist vielmehr ein Werk, das verzaubert, das zum Träumen anregt und in eine Welt einlädt, die trotz ernster Elemente vor der traurigen, brutalen Welt da draußen beschützt. Dafür wird sich sicher nicht jeder begeistern können, zumal vieles hier auch wenig konkret bleibt – darunter diverse Nebenstränge. Aber wer eben mal wieder in der Stimmung ist, der Realität zu entfliehen, bei einem Film, der sich dessen auch ganz genau bewusst ist, der sollte durchaus mal ein Ticket für diesen etwas anderen Jahrmarkt lösen.
OT: „Eld och Lågor“
IT: „Swoon“
Land: Schweden
Jahr: 2019
Regie: Måns Mårlind, Björn Stein
Drehbuch: Måns Mårlind
Musik: Nathaniel Méchaly
Kamera: Aril Wretblad
Besetzung: Albin Grenholm, Frida Gustavsson, Lennart Jähkel, Robert Gustafsson, Pernilla August, Helena af Sandeberg
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