Gerade in Zeiten, in denen ein Virus unser Leben diktiert, entbrennt wiederholt die Diskussion, inwiefern Beschränkungen, Verbote oder sonstige Maßnahmen dem Ausbruch Einhalt gebieten, diesen verlangsamen können, um dann schlussendlich wieder zu so etwas wie Normalität zurückzukehren. Während in sozialen Medien gerne von dem ein oder anderen die Komplexität dieser Maßnahmen heruntergebrochen wird und mit simplen Phrasen Denkverbote erteilt werden, demonstrieren diese Zeiten, in welchem Maße wir miteinander vernetzt sind, inwiefern Staat, Wirtschaft und das Allgemeinwohl miteinander verknüpft sind. Vor diesem Hintergrund sollte, nicht zuletzt mit Rückgriff auf demokratische Grundwerte, über die Tragweite und Angemessenheit solcher Maßnahmen diskutiert werden.
Während viele von uns diese Diskussionen gerade als Neuheit in ihrem Leben erfahren, bilden sie in der chinesischen Stadt Langfang schon seit langer Zeit einen Aspekt, der den Alltag vieler Menschen ausmacht. Dabei handelt es sich allerdings nicht um die Auseinandersetzung mit einem Virus, aber um einen nichtsdestotrotz für die Gesundheit vieler Menschen entscheidenden Faktor, nämlich die Reinheit der Luft. Schon seit vielen Jahren gilt die Stadt als eine der von Luftverschmutzung am stärksten betroffenen Städte Chinas, eine Tatsache, die weitreichende politische und wirtschaftliche Schritte nach sich zog und bis heute zieht. In ihrer neuen Dokumentation Smog Town begleitet die chinesische Regisseurin und Fotojournalistin Meng Han Menschen, deren Aufgabe es ist, dieser Verschmutzung Herr zu werden und sie nachhaltig zu reduzieren, ein Prozess, der nicht nur alle Beteiligten unter Druck setzt, sondern unter dem auch viele Einwohner der Stadt leiden.
Zwischen Rhetorik und Aktionismus
Bereits nach wenigen Minuten darf man als Zuschauer wohl sagen, dass die Jobs Li Chanyuans sowie seines Beraters Hu nicht nur sehr stressig sind, sondern auch Aufgaben beinhalten, um die man sie kaum beneidet. Alleine der von Aktenbergen dominierte Schreibtisch Chanyuans, hinter denen er zu verschwinden scheint, zeugt von der Komplexität seiner Aufgabe und dass der Umweltbehörde, die er als stellvertretender Direktor betreut. Ständig die Stirn in Falten gelegt, von einer Besprechung in die nächste hetzend, laufen bei diesem Mann viele Fäden zusammen, zum einen der politische Druck von oben sowie zum anderen die wachsende Frustration vieler Menschen, die aufgrund der Sanktionen und Fabrikschließungen wegen der Schadstoffbelastung um ihre Existenz bangen.
Dabei stellt Vincent Dus Kamera diesen Mann wie auch viele andere Mitglieder seines Teams nicht als Helden dar. Ihre Vorgehensweisen, wenn sie sich mit den eigenen Mitarbeitern anlegen oder Razzien in der Innenstadt überwachen, sind nicht selten streitbar, aber in einem gewissen Kontext zu sehen, müssen sie doch den schwierigen Spagat vollziehen zwischen den Auflagen der Regierung sowie der Instandhaltung der wirtschaftlichen Aspekte der Stadt. Wenn ein Sprecher der Regierungspartei während einer Rede davon spricht, dass die Umweltbelastung zu einer Imagefrage geworden ist, deren Lösung an direkten Sanktionen für die Verantwortlichen geknüpft sind, ahnt man, an wem letztlich die Verantwortung hängen bleibt.
Neben dieser Ebene zeigt Meng Hans Film auch das Leben jener Menschen, deren Firmen wegen der Maßnahmen geschlossen sind. An ihren Leben zeigt sich das bürokratische Dilemma, wenn beispielsweise der Betreiber einer Lackiererei zum Zwecke einer Antragsstellung zwischen den einzelnen Abteilungen der Umweltbehörde hin- und hergeschickt wird, doch einsehen muss, dass er nur durch hohe finanzielle Aufwendungen, weiter arbeiten darf. Erzählt ein Arbeiter davon, er plane nun „Guerilla-Taktiken“ anzuwenden, um der Behörde und ihren Razzien aus dem Weg zu gehen, erahnt man nicht nur die menschliche Komponente hinter dem martialisch betitelten „Krieg gegen die Emissionen“, sondern auch das Ausmaß des sozialen Problemfelds, welches Hans Film anreißt.
OT: „Smog Town“
Land: China
Jahr: 2019
Regie: Meng Han
Drehbuch: Meng Han
Musik: Jereon Goeijers
Kamera: Vincent Du
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